Читать книгу Erinnerungen an die "68er": Damals in Dahlem - Jürgen Dittberner - Страница 8

Rückgriff auf Weimar

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Dass die Bundesrepublik nach 1945 umschalten konnte auf den Zustand einer bürgerlich-demokratischen politischen Kultur, ist nicht primär eine Folge der „Re-Education“-Bemühungen der alliierten Sieger, sondern ein schlichter Rückgriff auf die – allerdings etatistische – politische Kultur der Weimarer Republik. Wieder gegründet wurden die Weimarer Parteien. Die Union (CDU und CSU) rekurrierte auf dem alten Zentrum, der konservativen DNVP und einigen Liberalen. Die SPD erstand erneut, und die FDP knüpfte an die Parteien DDP und DVP an. Der Föderalismus war das A und O des staatlichen Neubeginns. Für seine Repräsentanz wurde die deutsche Bundesrats- und nicht die amerikanische Senatslösung gewählt.

Aus dem Reichs- wurde der Bundeskanzler – dieser allerdings mit alleiniger Verantwortung gegenüber dem Parlament, mit der Richtlinienkompetenz und der Abwahlmöglichkeit nur über ein konstruktives Misstrauensvotum gestärkt. Der Bundespräsident wurde zum obersten Notar der Republik, gewählt von einer Bundesversammlung und nicht direkt durch das Volk. Einen „Ersatzkaiser“ sollte es nicht geben. Aus der Erfahrung heraus, dass der Rechtsstaat von Weimar, ohne juristisch aufgehalten zu werden, in eine Führerdiktatur übergleiten konnte, wurde das Bundesverfassungsgericht kreiert. Es hatte sich lange Zeit als „Hüter der Verfassung“ bewährt.2

Zwar waren die Millionen von Mitgliedern der NSDAP 1945 von einem Tag auf den anderen wie in Luft aufgelöst; die NS-Ideen von Führerstaat, die Eroberungslust, die Rassenüberheblichkeit und der Judenhass jedoch steckten weiterhin in vielen Köpfen. Aber diese Einstellungen waren nun tabuisiert. Wo sie hochkamen wie bei der rechtsextremen SRP, bei Teilen der AfD, ging der Staat mit Parteienverboten oder politischen Gegenstrategien vor. Nazireden verstießen gegen den öffentlichen Konsens. Das begriffen die meisten schnell. Im vorpolitischen Alltag aber – in Familienkreisen etwa – waren sie noch gewärtig:

„Hitler war gar nicht so schlecht; er hätte nur nicht mit den Juden anfangen sollen. – Um die Autobahnen beneidet uns heute die ganze Welt. – Der ‚Ami‘ hätte 1945 mit uns weiter nach Osten gegen den ‚Iwan‘ gehen sollen. – Die Juden waren selbst schuld: Sie haben sich vor 1933 eben zu sehr nach vorne gedrängt.“:

Solche Reden waren im „privaten Rahmen“ oft zu hören.

Erinnerungen an die

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