Читать книгу Undercover - Auftrag - Jürgen H. Ruhr - Страница 6

III.

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Ein Blick auf die Uhr zeigte mir, dass es allmählich Zeit wurde, in den Konferenzraum zu gehen. Ich konnte schließlich nicht meine ganze Zeit mit den Gedanken an vergangene Fälle vertrödeln. In nicht ganz zehn Minuten sollte unser Meeting stattfinden. Da wäre es vielleicht ganz gut, wenn ich vorher schon einmal nach dem Rechten schaute. Immerhin fühlte ich mich doch ein wenig verantwortlich.

Birgit konnte ich wieder einmal nirgends ausmachen. Typisch! Auch Christine schien noch nicht in ihrem Büro zu sein. Mir kam es vor, als wäre ich der Einzige, der hier arbeitete. Wenigstens schien für das Meeting alles vorbereitet zu sein.

Dieser kleine Konferenzraum war mit allem ausgestattet, was das Herz begehrte: Ovaler Tisch für zehn Personen - na ja elf, wenn der Vortragende stand - auf Knopfdruck schließbare Fensterläden, eine übergroße Leinwand und ein Beamer. Der Raum befand sich noch in dem gleichen Zustand, wie wir ihn bei der Übernahme des Gebäudes vorfanden. Vermutlich führte die Vorgängerfirma damals hier ihre Produkte vor. Mein Vorschlag, diesen Raum ‚Privatdetektivs Oval Office‘ zu nennen, erhielt allerdings keinen Zuspruch.

Ein Blick zeigte mir, dass Birgit wohl doch schon etwas Vorarbeit geleistet hatte, denn an vier Plätzen lagen Schreibblöcke mit Stiften. Außerdem standen einige Flaschen mit Mineralwasser und Säften neben frischen Gläsern. Soweit - so gut. Jetzt konnten die Kollegen ja kommen. Ich öffnete schon einmal eine Flasche Orangensaft und goss mir ein Glas halbvoll. Soviel Vorbereitung musste einfach sein. Der Saft war eiskalt und schmeckte köstlich. Trotzdem - Kaffee wäre mir jetzt lieber gewesen.

Ob die Elektrik für das bevorstehende Meeting in Ordnung war? Ich betätigte den Schalter für die Fensterläden. Surrend fuhren sie herunter. Gut, das reichte. Ich wollte den Raum ja jetzt nicht abdunkeln, sondern lediglich die Funktion testen. Rasch drückte ich wieder den Knopf für ‚oben‘. Doch nichts änderte sich. Die Läden fuhren außen an der Scheibe weiter herab. Vielleicht hatte ich ja einfach nicht feste genug gedrückt. Also noch einmal. Diesmal blieben die Läden stehen. Gut, das war ja zumindest schon ein Anfang. Noch einmal drückte ich den Knopf für oben. Knirschend setzten sich die Fensterläden in Bewegung. Na ging doch.

Vielleicht auch noch eine kurze Überprüfung des Beamers? Noch blieb mir ein wenig Zeit. Die Kontrollleuchte am Gerät zeigte mir, dass die Stromversorgung in Ordnung war. Nur eben schnell den Einschaltknopf gedrückt. Prima, die Lampe flackerte auf. Der Beamer funktionierte. Eigentlich ein Grund, mir noch einen kleinen Schluck Orangensaft zu genehmigen.

Gerade als ich das Glas an die Lippen setzte, drang ein unheilvolles Knirschen und Knacken von den Rollläden herüber. Vor Schreck verschluckte ich mich und schüttete ein wenig Orangensaft in die Lüftungsschlitze des Beamers. Zischend verlöschte die Lampe. Eine leichte Rauchfahne kräuselte sich aus dem Gerät.

Aber was war mit den Rollläden? Die schienen doch fast schon wieder oben angekommen. Ich drückte noch einmal den Knopf für ‚abwärts‘. Rumpelnd fuhren die Fensterläden wieder herunter. Na also, schien doch alles in Ordnung zu sein. Nachdem sie etwas über die Hälfte der Fenster verdunkelten, im Raum war es jetzt gemütlich - schummrig, drückte ich erneut den Knopf für ‚oben‘. Schließlich war das nun genug getestet. Rumpelnd ging es wieder aufwärts. Aber nur wenige Zentimeter. Dann krachte es irgendwo in der Mechanik und es bewegte sich nichts mehr. Da konnte ich noch so oft auf die Knöpfe ‚oben‘, ‚unten‘ und ‚stopp‘ drücken.

Gerade als ich das Licht im Raum anschalten wollte, hörte ich vor der Türe Stimmen. Aha, Bernd und die anderen kamen. Nun, dann konnte es ja bald losgehen. Schnell nahm ich Platz und genehmigte mir auch noch einen Schluck Orangensaft. Ob Birgit uns doch noch mit Kaffee und Brötchen versorgen würde?

„Morgen Jonathan.“ Nach und nach trudelten alle ein. Erst Sam, dann Christine, danach Monika und zum Schluss Bernd. Wir begrüßten uns herzlich.

„Warum ist es denn so dunkel hier drin?“, Bernd schaute sich im Raum um. „Ich werde zwar nachher ein paar Dinge an der Leinwand erklären, aber zunächst brauchen wir Licht.“ Mit diesen Worten drückte er den Schalter, um die Jalousien nach oben zu bewegen.

Dass sich nichts tat, hätte ich ihm auch gleich sagen können, schließlich war ja alles von mir getestet worden.

„Scheint ein Defekt zu sein“, bemerkte Bernd auch nur lakonisch und schaute mich dabei merkwürdig an. „Chrissi, würdest du bitte das Licht einschalten?“

Christine betätigte den Lichtschalter, jedoch blieb es dunkel. ‚Na, das hättest du zuvor ja auch noch testen müssen‘, schoss es mir durch den Kopf. Offensichtlich war hier einiges defekt. Chrissi schüttelte den Kopf: „Vielleicht die Sicherung. Ich gehe kurz einmal nachschauen.“ Und schon war sie verschwunden. Kurze Zeit später flammte die Deckenbeleuchtung auf.

Komischerweise brannte aber die Kontrollleuchte vom Beamer nicht mehr. Das Kabel steckte doch noch in der Steckdose!?

„Also, noch einmal guten Morgen zusammen.“ Wir murmelten unser ‚guten Morgen‘ zurück.

„Wie ihr mittlerweile erfahren haben dürftet, treffen wir uns hier, da uns der Oberstaatsanwalt kontaktiert hat. Es geht um einen Auftrag. Wie ihr alle wisst, ist es der erste Auftrag, den uns Eberson erteilt und ich habe bei dieser Angelegenheit keine Bedenken. Zumindest keine moralischer Art ... Aber dazu gleich mehr. Zunächst einmal: hat jemand eine Frage vorab? Gibt es etwas, das wir - bevor wir jetzt zum Thema kommen - noch klären sollten?“

Ich meldete mich. Das war jetzt die Gelegenheit. „Ja, ich habe eine Frage.“ - „Gut, Jonathan, dann schieß‘ los!“ - „Wird uns Birgit noch mit Kaffee und Brötchen versorgen?“

Chrissi kicherte, das konnte ich genau sehen.

„Nein, ich befürchte nicht, Jonathan. Du wirst dich mit dem begnügen müssen, was hier auf dem Tisch steht.“ Und mit einem Blick auf mein Glas meinte er: „Wie ich sehe, hast du dich ja schon bedient ...“

Also keine Brötchen. Wie schön war doch die Zeit drüben im Sportstudio gewesen, als Jennifer uns mit Kaffee und Brötchen versorgt hatte. Ob wir Birgit nicht einfach kündigen sollten und vielleicht eine zweite Jennifer einstellen? Oder noch besser: Jennifer und Birgit tauschen. Dann kö...

Bernds Stimme riss mich aus meinen Gedanken: „Noch irgendwelche Fragen? Jonathan? Gut, dann kann ich ja zum Thema kommen: Gestern kontaktierte mich Oberstaatsanwalt Eberson wegen eines Auftrages. Wie ihr ja wisst, kamen wir überein für ihn Aufträge zu übernehmen, die Polizei und Staatsgewalt so nicht oder nicht so effektiv lösen können. Um uns das noch einmal ins Gedächtnis zu rufen: Wir prüfen, ob die Aufträge moralisch vertretbar und von uns durchführbar sind. Erst dann übernehmen wir solch einen Auftrag. In Fällen allerdings, wo Eindeutigkeit herrscht und keine Zweifel bestehen, da erübrigt sich natürlich diese ‚Moralprüfung‘. Bei diesem Auftrag hier konnte ich dem Oberstaatsanwalt guten Gewissens zusagen.“

Bernd unterbrach sich kurz und deutete auf seinen Laptop, der vor ihm auf dem Tisch lag. „Sam, würdest du den Rechner bitte am Beamer anschließen? Ich habe da einige Bilder, die ich euch zeigen möchte.“

Sam nickte. Schon verband der drahtige Asiate Laptop und Beamer. Dann drückte er einige Knöpfe, während Bernd die Leinwand aus der Decke herunterfuhr. Verflixt, die hatte ich ja auch nicht überprüft. Aber zum Glück gab es keine Probleme.

Dafür drückte Sam jetzt unentwegt auf dem Beamer herum. „Da stimmt etwas nicht“, meinte er nur und war schon unter dem Tisch verschwunden. „Nein, der Stecker ist auch ordentlich in der Steckdose.“ Erneut prüfte er den Beamer. „Der scheint defekt zu sein“, erklärte Sam dann lakonisch.

„Gut.“ Bernd schaute wieder irritiert auf mich, dann fuhr er die Leinwand wieder hoch. „Chrissi, schnapp‘ dir den Laptop und lass‘ von Birgit jeweils vier Kopien der Fotos und Unterlagen machen. Du findest sie in dem Ordner ‚Eberson-null-eins‘.“

Schon war Christine mit dem Rechner verschwunden. Neugierig beugte Bernd sich jetzt über den Beamer. „Was hat er denn? Gestern lief das Gerät doch noch.“ Sam schüttelte nur den Kopf: „Keine Ahnung. Der Stecker steckt, ich habe sogar eine andere Steckdose probiert. Spannung ist da. Sieht so aus, als wenn ein Kurzschluss den Beamer zerstört hätte ...“

Endlich kam Christine mit den Ausdrucken zurück. Sofort verteilte sie die Unterlagen an uns.

„Gut, dann kann es ja jetzt weitergehen.

Eberson ist an uns herangetreten, da für die Polizei leider ein Punkt erreicht wurde, an dem die Ermittlungen stagnieren. Es geht um organisiertes Verbrechen, wobei wir hier von einer rumänischen Bande sprechen, die in ganz Deutschland Einbrüche, Überfälle und Diebstähle begeht.

Ein Großteil der Bandenmitglieder ist der Polizei bekannt und vor etwa einem halben Jahr wurden auch viele festgenommen. Es hat aber nicht einmal einen Monat gedauert, da waren die fehlenden Leute ersetzt und das Ganze ging wieder von vorne los. Vielleicht sogar noch ärger als zuvor.

Eberson hat uns sämtliche Informationen der Polizei zukommen lassen, ihr habt jetzt einen kleinen Teil - den wichtigsten - vor euch liegen.“

Mit einem Blick auf den Projektor ergänzte er: „Da der Beamer ja nicht funktioniert ...“

Wir blätterten die Unterlagen durch.

„Was ihr da seht, sind die uns bekannten Köpfe der Bande - Jonathan, du solltest dir die Fotos anschauen, nicht die Tabellen - und einige Gangster der unteren Ränge.

Für die Polizei wäre es jetzt kein Problem, diese Leute festzunehmen. Dann stände die Staatsanwaltschaft aber wieder da, wo sie vor einem halben Jahr schon gestanden hat und die ganze Sache ginge wieder von vorne los. Nein, Eberson will die Hintermänner. Und die sind nicht bekannt. Deswegen kommen wir ins Spiel. Nehmt euch doch bitte einmal die Seite mit den Tabellen vor. Da seht ihr die gravierendsten Einbrüche und Überfälle der letzten Monate. Die Liste ist normalerweise länger, aber... na ja der Beamer ...

Das Diebesgut, beziehungsweise die Beute aus den Überfällen, werden von Kurierfahrern mit Transportern nach Polen und Rumänien gebracht. Und da setzen wir an. Details bekommt ihr später noch. Nur so viel: Wir schleusen jemanden von uns als Kurierfahrer in die Bande ein. Dieser Jemand muss das Vertrauen der ‚Bosse‘ gewinnen, denn darüber erhoffen wir uns, an die Hintermänner heranzukommen. Aber Vorsicht! Die Männer sind nicht ungefährlich. Bei der Festnahme vor einem halben Jahr ist ein Polizist erschossen worden und fünf andere wurden leicht und schwer verletzt.

Deswegen bilden wir zwei Teams. Das eine Team ist dazu da, dem Anderen Rückendeckung zu geben. Ein Notfallteam sozusagen.“

Jetzt hielt ich es nicht mehr aus. Konnte Bernd sich denn nicht endlich einmal klar ausdrücken? Endlich Tacheles reden? „Bernd, mach‘s nicht so spannend: Wer sind die Teams und wer wird bei der Bande eingeschleust?“

„Danke für deine Frage, Jonathan. Dazu wollte ich gerade kommen. Das Notfallteam besteht aus Sam und Monika. Sam brauche ich dringend noch drüben im Studio und Monika hat demnächst einen Personenschutz - Job zu erledigen. Die beiden stehen also nur im Notfall zur Verfügung.

Das andere Team - die ‚Aktiven‘ - sind Christine und Jonathan.“

Jetzt wurde es spannend. Ich unterbrach Bernd erneut: „Und wer ist nun der Mann, der in die Bande eingeschleust wird?“

Bernd überlegte kurz, dann sah er mich an: „Ich frage mich natürlich, ob meine Entscheidung richtig war, aber wer im aktiven Team stünde denn sonst als Mann zur Verfügung?“

Die Antwort war klar!

„Ich!“, verkündete ich stolz. Ja, mein erster Undercover - Einsatz! Man konnte Bernd nur gratulieren. Er hatte die richtige Wahl getroffen!

„Gut, soviel zu den allgemeinen Dingen.“ Bernd klickte auf seinem Laptop herum, dann blickte er wieder auf: „Die Polizei hat einen der Kurierfahrer längere Zeit observiert. Der Mann wohnt in Mönchengladbach - Geistenbeck. Er benutzt für seine Fahrten einen Transporter. Dabei handelt es sich um einen grünen Wagen der Marke Peugeot. Ein sogenannter ‚Blipper‘.

Der Fahrer ist ein achtundfünfzigjähriger Frührentner namens Günther Heyer. Heyer ist geschieden und lebt alleine in einer Zweizimmerwohnung auf der Steinsstraße. Nach den Ermittlungen der Polizei ist der Mann sich durchaus bewusst darüber, was er da transportiert. Es handelt sich also nicht um einen Unschuldigen.“

Jetzt musste ich Bernd einfach unterbrechen: „Gut, aber was soll ich da ...“

„Jonathan, wenn du mir ein wenig Zeit gibst, dann erkläre ich ja alles“, seufzte mein Freund und Chef, dann fuhr er mit seinem Vortrag fort: „Hier setzen wir an: Der Kurierfahrer wird von uns ausgeschaltet. Wir nehmen ihn in Gewahrsam und halten den Mann so lange fest, bis die ganze Angelegenheit erledigt ist. Um ihn zu arrestieren, lasse ich drüben im Sportstudio extra einen Raum herrichten. Es ist mit dem Oberstaatsanwalt abgesprochen - also, eigentlich ist es ja sein Plan, dass Heyer für die Öffentlichkeit als tot gelten soll. Dazu inszenieren wir einen Verkehrsunfall, bei dem der Mann angeblich tödlich verunglückt. Einzelheiten später. Jedenfalls wird unser Oberstaatsanwalt Eberson den Plan so unterstützen. Jonathan tritt anschließend als der Erbe dieses Heyer in Erscheinung. In welchem familiären Zusammenhang, klären wir noch. Sobald wir Heyer festgesetzt haben, müssen wir alle Details aus seinem Leben erfahren und möglichst viele Hintergrundinformationen sammeln. Jonathan versucht sich mit dem Kontaktmann von Heyer zu treffen und erklärt dem, dass er den Job übernehmen möchte. Wir statten Jonathan mit einer entsprechenden Legende aus, die ihn als Kleinkriminellen darstellt.“

Ich hob meinen Arm - so wie in der Schule - und schnippte mit den Fingern. Schließlich wollte ich Bernd ja nicht ins Wort fallen: „Ich ein Kleinkrimineller? Bin ich für solch eine Rolle hier denn nicht zu bekannt? Und was ist, wenn die mich als Kurierfahrer nicht wollen?“

Bernd winkte lächelnd ab. „Erstens, du bist nicht zu bekannt, Jonathan. Nirgends ist dein Gesicht zu finden, nicht in der Presse und auch nicht im Internet. Wir haben alle Veröffentlichungen, insbesondere in Zusammenhang mit Eurem Wim Schlensbow - Auftrag, zurückgehalten oder löschen lassen. Eberson verfügt da über ziemlich gute Verbindungen. Aber das gilt nicht nur für dich, Jonathan. Das gilt für alle Anwesenden hier und ebenso für alle meine Angestellten. Und ich bitte euch, das auch so zu lassen. Also keine öffentlichen Einträge! Nirgendwo.“

Wir nickten. Aber was meinte Bernd genau? „Bernd, meinst du alle Einträge im Internet? Also auch mein Account bei Facebook?“

Bernd lachte. „Jonathan, du bist vielleicht nicht ganz auf dem Laufenden ... Es gibt dort keinen Account mehr von dir. Wann hast du dich denn das letzte Mal dort eingeloggt?“

„Vor einem halben Jahr“, musste ich zugeben. Mein Interesse an diesem ‚sozialen Netzwerk‘ war schließlich sehr gering. Ich blickte lieber den Menschen, mit denen ich Umgang pflegte, ins Gesicht.

„Eben. Und bitte, Jonathan. Wie ich schon erwähnte: Das soll auch so bleiben.“ Die anderen schmunzelten.

Dann fuhr Bernd fort: „Also, Jonathan tritt als Kleinkrimineller an den Kontaktmann dieses Heyer heran. Dabei wirst du gute Chancen haben, den Job zu übernehmen und für die Bande fahren zu können, denn zu dem Zeitpunkt wird zufällig eine neue Kurierfahrt akut. Deswegen muss auch unser Zeitplan stimmen.“

Ich musste Bernd noch einmal unterbrechen: „Über welchen Zeitplan reden wir denn?“

„Heyer wird kommendes Wochenende aus dem Verkehr gezogen. Am Samstag. Dann haben wir ein paar Tage Zeit, Informationen aus ihm herauszubekommen. Alles, was nur er wissen kann und uns bei der Kontaktaufnahme nützlich sein wird. Danach tritt Jonathan das ‚Erbe‘ an und wird nach zirka drei bis vier Tagen den Kontaktmann anrufen. Oder wie Heyer auch immer mit dem Kontakt aufnimmt. Die nächste Kurierfahrt scheint für Ostern geplant zu sein. Das genaue Datum steht aber wohl noch nicht fest. Jonathan, du musst allerdings nach dem ‚Unfalltod‘ des Kurierfahrers so schnell wie möglich mit dem Kontaktmann sprechen. Sonst suchen die sich einen anderen Fahrer. Ich schätze, dass der Kontakt im ersten Drittel des Monats März stattfinden wird. Beim Zeitplan müssen wir allerdings ein wenig flexibel sein.“

Jetzt unterbrach Christine den Redefluss und ich musste leicht grinsen. Wenigstens war ich nicht der Einzige, der Fragen stellte ...

„Welche Rolle spiele ich in der ganzen Angelegenheit? Darüber hast du bis jetzt noch kein Wort verloren.“

Bernd nickte. „Du bist die Freundin Jonathans und stellst den Kontakt zur Gruppe dar, denn für Jonathan wäre das zu gefährlich. Auch für dich haben wir uns eine schöne Legende ausgedacht: Du wurdest gerade aus dem Gefängnis wegen wiederholtem Laden- und Taschendiebstahls entlassen.“

Sam, der sich jetzt auch einmal zu Wort meldete, nickte: „Na, das sind mir ja feine Früchtchen.“ Alle lachten.

„Soweit der allgemeine Plan. Jonathan übernimmt die Fahrt über Ostern und gewinnt das Vertrauen des Kontaktmannes. Da darf dir kein Fehler unterlaufen! Eberson setzt große Hoffnungen in unsere Arbeit. Sollte es notwendig sein, so kannst du sogar - im gewissen Rahmen - ungesetzliche Handlungen durchführen. Der Oberstaatsanwalt Eberson wird das dann wieder geradebügeln.“

„Ungesetzliche Handlungen?“ Die Erklärungen Bernds warfen bei mir mehr Fragen als Antworten auf. „Was heißt das denn jetzt wieder?“

Bernd schaute mich zweifelnd an. „Das, was die beiden Worte aussagen. Handlungen, die ungesetzlich sind. Zum Beispiel Wohnungseinbrüche, Diebstähle, Überfälle. Aber es darf dabei niemand körperlich zu Schaden kommen. Du hast also einen Verbrecher - Freifahrtschein!“

Dann sah er Chrissi an: „Das gilt übrigens auch für dich. Aber bitte seht zu, dass niemand verletzt wird!“

Wir nickten.

Bernd fuhr fort: „Der weitere Ablauf ergibt sich dann. Bis zu der Fahrt im April können wir planen. Was danach kommt, wird sich zeigen. Details besprechen wir jeweils bei Bedarf. Birgit wird euch noch Kopien der Akten machen, so dass ihr alles auf euren Rechnern selber noch einmal durchgehen könnt. So, noch Fragen?“

Chrissi meldete sich: „Wie trete ich mit euch in Kontakt? Ich meine, die Gangster werden doch bestimmt ein Auge auf uns haben?“

„Garantiert. Deswegen soll Jonathan ja auch nicht selbst mit uns Kontakt aufnehmen. Du, Chrissi, bist Jonathans Freundin. Als gerade aus dem Gefängnis Entlassene, musst du dich regelmäßig mit deinem Bewährungshelfer treffen. Das ist in diesem Fall Sam. Dafür bekommt er ein Büro im Rathaus Rheydt. Das Ganze ist absolut wasserdicht. Bei den Kollegen im Rathaus gilt Sam wirklich als Bewährungshelfer. Das hat Eberson alles schon sorgfältig eingestielt.

Christine wohnt nicht mit Jonathan zusammen, sondern hat eine eigene Wohnung in Rheydt. Ein kleines Zimmer, Bad und Küche, das muss reichen. Wir überlegen noch, ob es möglich ist, dich mit Jonathan zusammen auf die Fahrten zu schicken. Nun, da wird sich schon noch etwas ergeben. Im Zweifelsfall muss Moni die eine oder andere Reise als Rückendeckung antreten. Ich müsste sie dann aber von ihrem Auftrag abziehen, was ich nur ungern mache. Auf jeden Fall möchte ich nicht, dass Jonathan alleine in der Weltgeschichte herumfährt, also keine Rückendeckung hat!“

Ich grinste. Wozu brauchte ich schon einen Babysitter? Andererseits ... Wenn Bernd es so wollte, konnte ich kaum widersprechen.

Bernd deutete jetzt auf seinen Bildschirm. „Nehmt euch einmal bitte das Foto ZG22 vor. Das ist ein recht aktuelles Bild dieses Günther Heyer. Samstag ist der Mann zu einer Geburtstagsfeier in einer Odenkirchener Kneipe eingeladen. Ein Bekannter von ihm wird sechzig. Wir haben es so arrangiert, dass Heyer dort eine junge Dame kennenlernt. Diese Dame wohnt - angeblich, so soll sie es darstellen - ganz in der Nähe der Kneipe in den Hochhäusern und wird Heyer noch zu sich einladen. Im Aufzug schalten dann Jonathan und Christine diesen Heyer aus und schaffen ihn zum Wagen. Währenddessen verursacht Monika mit einem gestohlenen Wagen einen leichten Unfall und verschwindet dann mit einem Krankenwagen und viel Tamtam. Kurze Zeit später taucht an der Unfallstelle die Polizei auf. Unsere Bekannte, die zuvor Heyer ins Hochhaus gelockt hatte, wird jetzt die Unfallmeldung zu Protokoll geben. Ebenso, dass der Krankenwagen mit dem Verletzten schon fort ist. Das ist ein enger Zeitplan, dürfte aber problemlos klappen. Dank Eberson wird die Polizei nicht nach dem Verletzten, respektive dem Toten suchen. Die Presse erfährt ziemlich rasch von einem Unfalltod des Günther H. Damit wäre die Grundlage für den Kontakt zu Heyers Verbindungsmann geschaffen. Sam wird Heyer anschließend hier zum Sportstudio fahren, während ihr beide unauffällig verschwindet. Wir treffen uns am Sonntag in meinem Büro. Nähere Einzelheiten zu dieser Aktion besprecht ihr aber bitte mit Sam.“

„Wie ausschalten?“ Die Frage konnte ich mir nicht verkneifen. „Ein über die Rübe oder so?“ Grinsend sah ich mich in der Runde um, aber niemand lachte.

„Nein, Jonathan. Vielleicht einfach ein wenig mit Chloroform betäuben. Der Mann muss nicht unbedingt zu Schaden kommen. Außerdem sollte Heyer dann so alkoholisiert sein, dass ihr kaum Schwierigkeiten mit ihm haben dürftet.“

Ich nickte. „Okay.“

Bernd schaute in die Runde. „Wenn also niemand mehr eine Frage stellen möchte ... Die Details klärt ihr auch besser mit Sam. Ich werde Eberson regelmäßig berichten müssen, wie es mit unserer Aktion läuft. Also, vermasselt es nicht! Verstanden, Jonathan?“

Warum erwähnte Bernd eigentlich noch einmal extra meinen Namen? Na bestimmt, da ich die Hauptperson in dieser Geschichte war.

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