Читать книгу Undercover - Auftrag - Jürgen H. Ruhr - Страница 7

IV.

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Wild durcheinander quatschend verließen wir den Konferenzraum. Bernd instruierte Sam noch, auch ja die defekten Jalousien, sowie den Beamer reparieren zu lassen. Schließlich benötigten wir die Geräte.

Dann endlich saß ich wieder in meinem Büro. Under - Cover! Der erste Auftrag vom Oberstaatsanwalt. Und ich war derjenige, der in diese gefährliche Bande eingeschleust werden sollte. Ein Hochgefühl bemächtigte sich meiner. Jonathan Lärpers, Undercover - Agent. Jetzt wurde es aber wirklich Zeit, meinen unscheinbaren 36er Revolver gegen eine andere Waffe einzutauschen. Ich überlegte, was besser zu mir passen würde: ein Revolver oder eine Pistole? Ein Maschinengewehr wäre auch nicht schlecht, allerdings doch ein wenig unhandlich und unter der …

„Jonathan? Träumst du schon wieder?“

Birgit stand wieder einmal ohne anzuklopfen in der Türe.

„Du sollst doch anklopfen! Wie oft habe ich dir das schon gesagt?“ Immer diese Rumschleicherei. Außerdem: was wollte sie schon wieder von mir?

„Johni, die Tür stand doch offen. Und du hast so selig gegrinst in deinem Traum. Sollte ich da einfach so stören?“

Ich knurrte. Diese Frau ließ mich um Jahre altern. „Also, nenne mich bitte nicht ‚Johni‘. Jonathan oder besser ‚Jon‘, aber nicht Johni. Außerdem habe ich nicht geschlafen, sondern mir Gedanken über meinen bevorstehenden Einsatz gemacht.“

Jetzt schien ich Birgit verblüfft zu haben. Fragend sah sie mich an. „Woher weißt du von deinem neuen Auftrag? Ich habe die Unterlagen doch gerade erst hier.“ Sie schwenkte einen dünnen Hefter in der Luft herum. „Außer Bernd kennt doch niemand den Auftrag!“

Ich lächelte. Wusste die Kleine nicht, dass Bernd uns gerade eben erst instruiert hatte? Vielleicht wurde es doch allmählich Zeit für eine andere Sekretärin.

„Birgit“, begann ich rücksichtsvoll. „Bernd hat uns doch gerade über den Auftrag informiert. Das solltest du aber wissen. Du hast uns doch selbst die Schreibblöcke in den Konferenzraum gelegt ...“

Ich verschränkte die Hände hinter meinem Kopf und wippte mit dem Sessel ein wenig zurück. So war es recht! Das Personal zurechtweisen, aber dabei rücksichtsvoll und schonend bleiben.

Birgit lachte. „Johni, den Auftrag vom Oberstaatsanwalt meine ich jetzt nicht. Nein, die Rede ist von deinem neuen Auftrag.“

Ich wurde misstrauisch. Ein neuer Auftrag? So etwas konnte ich jetzt kaum gebrauchen, da wir ja am Samstag schon diesen Heyer aus dem Verkehr ziehen wollten. Und heute war schließlich Montag! Da bräuchte ich doch noch einige Tage der Vorbereitung. Das musste ich Birgit jetzt natürlich auch klarmachen. Schonungslos.

„Also, mein liebes Kind. Wie dir dann doch bekannt sein dürfte, stecke ich mitten in einem wichtigen Auftrag. Da habe ich keine Zeit für andere Dinge.“ Grinsend wippte ich ein wenig mit meinem Stuhl hin und her. So einfach ließ ich mich nun nicht vereinnahmen!

„Nun, das sehe ich aber anders.“ Birgit lachte jetzt nicht mehr. „Dieser Auftrag hier wird dich bis maximal Donnerstag beschäftigen. Ich sage sogar bis Mittwoch, wenn du nicht gänzlich unfähig für diesen Job bist, aber B...“

Abrupt unterbrach ich meine Wippbewegungen. „Du kannst das beurteilen? Ja? Nun, warum übernimmst du die Aufgabe dann nicht? Ich jedenfalls bin beschäftigt.“

Birgit schaute mich lächelnd an. So liebenswürdig war sie eigentlich nur, wenn es galt eine weitere Gemeinheit zu verkünden. „Johni! Es wäre nett, wenn du mich ausreden lassen würdest. Das war nämlich zunächst auch meine Idee.“ - „Was?“ - „Na, einen Auftrag selbst zu übernehmen. Sag einmal, hörst du mir eigentlich zu?“

Aber die Frage schien nur rhetorischer Natur zu sein, denn sie sprach gleich weiter: „Also, noch einmal von vorne: Ich habe mit Bernd darüber gesprochen, ob ich das nicht übernehmen sollte. Aber Bernd meinte nur, dass das der richtige Auftrag für dich wäre. Du könntest mit so einer Kleinigkeit ja bis spätestens Donnerstag fertig sein.“

„Und was ist mit Chrissi? Kann die das nicht übernehmen?“ - „Aus dem gleichen Grund, warum auch ich nicht in Frage komme - Chrissi und ich sind Frauen. Und dies hier ist eher eine Männeraufgabe.“

Jetzt noch einen Auftrag übernehmen! Aber wenn Bernd das so entschied. Außerdem … wenn das wirklich so eine Kleinigkeit war, dann könnte ich das auch bis morgen schaffen. Bah, Mittwoch …

„Worum geht es denn?“, gab ich mich geschlagen.

Birgit klatschte die Akte auf meinen Schreibtisch. „Das steht alles hier drin. Der Chef der Firma ‚Fliesen Eggbert‘ vermutet, dass einer seiner Angestellten trotz Krankmeldung nebenher arbeitet. Du sollst lediglich beweisen, dass er recht hat.“

Ich schaute mir die einzige Seite der Akte an. ‚Fliesen Eggbert‘, Inhaber Felix Eggbert. Aha. Dann fiel mein Blick auf einen Notizzettel. Termin fünfzehn Uhr. Heute.

„Gut, Birgit. Ich kümmere mich darum.“ Birgit stand weiter in der Tür und schaute mich an.

„Ist sonst noch etwas?“, fragte ich ein wenig unwirsch. Immerhin musste ich diesen unpassenden Auftrag erst einmal verdauen.

„Möchtest du ein Brötchen, Chef? Oder eine Brühwurst?“

Was war denn jetzt in die Kleine gefahren? Birgit zeigte ja eine ganz neue Seite, die ich an ihr bisher noch nicht bemerkt hatte. Wurde die Frau jetzt vernünftig? Das freute mich. „Ja, gerne“, bestätigte ich dann auch sofort.

Jetzt grinste sie. „Dann würde ich mich sputen, Johni. Draußen steht der Verkaufswagen. Wenn du dich beeilst, erwischst du ihn noch!“

Der Verkaufswagen kam mehr oder weniger regelmäßig zur Mittagszeit. Es handelte sich um einen kleinen, umgebauten Transporter, der hier im Gewerbegebiet die Firmen mit Essen und Getränken versorgte. An sich eine prima Sache, wenn der Händler wenigstens regelmäßige Zeiten einhalten würde. So aber blieb es dem Zufall überlassen, diesen Wagen einmal zu erwischte. Ich schaute auf die Uhr. Knapp elf! Nun, das wäre jetzt ja ideal für ein kurzes Frühstück. Und heute Nachmittag, kurz vor meinem Termin, würde ich dann bei Curry - Erwin vorbeischauen.

Rasch suchte ich meine Geldbörse und stürmte aus dem Gebäude. Auf dem Parkstreifen vor dem Haus stand wirklich der Verkaufswagen. Grinsend ging ich darauf zu. Da hatte Birgit mich doch richtig informiert. Das konnte nur als Weg der Besserung angesehen werden. Ich malte mir schon die verschiedenen Brötchen aus, die ich kaufen würde. Käse müsste auf jeden Fall dabei sein und Schinken … In dem Moment, als ich neben den Wagen trat, fuhr der an. Verdutzt schaute ich in die Rücklichter, umhüllt von einer Abgaswolke. Ich winkte noch verzweifelt, jedoch schien der Fahrer mich nicht zu sehen.

Auf dem Rückweg in mein Büro kam ich auch an unserem Empfang vorbei und diesmal stand Birgit wirklich hinter dem Tresen. Was recht selten vorkam.

„Zu spät?“, waren dann auch ihre mitfühlenden Worte, obwohl ich meinte ein Grinsen zu bemerken.

Aus den Informationen zum Fliesen - Auftrag ging nicht viel hervor. Die Firma befand sich in Lürrip, was für mich bedeutete, wieder durch die gesamte Stadt fahren zu müssen. Ein Mitarbeiter meldete sich öfter krank und war angeblich während solch einer Zeit bei einer Nebentätigkeit gesehen worden. Irgendjemand hatte gepetzt. Dieser kranke Mitarbeiter hieß Gerd Densel und sollte im Herzen Rheydts wohnen. Wo, wie und als was dieser Mann nebenher arbeiten sollte, stand in der Akte natürlich nicht. Vielleicht konnte mir ja der Firmenchef, dieser Herr Eggbert, etwas dazu sagen.

Mir knurrte der Magen, als ich endlich Curry - Erwins kleine Frittenbude betrat. Wir kannten uns nun schon Jahre und ich war immer noch sehr zufrieden mit Erwins Angeboten.

„Jonathan, altes Haus. Endlich einmal wieder im Lande?“ Erwin wischte sich seine fettigen Hände an der Schürze ab und streckte mir die Rechte entgegen. „Du lässt dich viel zu selten hier blicken. Schmeckt es dir bei mir nicht mehr?“

Ich grinste. „Erwin, wie könnte es mir bei dir nicht mehr schmecken? Aber ich habe wenig Zeit. Der neue Job ...“ Natürlich hatte ich Curry - Erwin von meinem Job bei Bernd Heisters erzählt und auch die kleinsten Details nicht ausgelassen. Schließlich sollte Erwin wissen, um welch wichtige Persönlichkeit es sich bei mir handelte!

„Na, wieder einmal Megastars beschützen? Oder was für Verbrecher jagst du jetzt?“

Ich schüttelte den Kopf und hob tadelnd meinen Zeigefinger: „Du weißt doch, dass ich darüber nicht sprechen darf. Nur so viel: Es handelt sich um einen äußerst gefährlichen Job.“ Ich meinte natürlich nicht meinen Termin heute Nachmittag.

Erwin sah mich wissend an. „Ihr Geheimagenten … Was möchtest du essen? Ich habe da noch eine ausgezeichnete Currywurst auf dem Grill. Dazu ein paar Fritten? Sind auch schon fertig.“ Während Erwin sprach, schaufelte er Wurst, Soße und Fritten auf einen Teller. Dann klatschte er noch ordentlich Mayonnaise oben drauf.

„Hier, Jonathan. So liebst du es doch. Stärke dich erst einmal für das Kommende - was immer das auch sein mag!“

Während ich aß, plauderten wir über allgemeine Dinge miteinander. Plötzlich kam Erwin um die Theke herum, einen großen, feuchten Lappen in der Hand. Ich sah ihn fragend an.

„Jonathan, Jonathan. Wie gut, dass du einen Freund wie mich hast.“ Rasch begann er mit dem nassen Tuch auf meinem Jackett herumzureiben. Und auch die Erklärung folgte sogleich: „Du hast dich da mit Majo und Soße bekleckert. Mann, Jonathan, wer passt sonst eigentlich auf dich auf?“

Endlich beendet er seine Reinigungsarbeit. Ich aß derweil seelenruhig weiter. Wozu besaß man schließlich gute Freunde?

Den Fleck auf meiner Jacke sah man kaum, Erwins Reinigungsarbeiten zeigten ausgezeichneten Erfolg. Ich betrachtete mich noch einmal kurz im spiegelnden Schaufenster von ‚Fliesen - Eggbert‘, dann betrat ich das Ladengeschäft. Bimmelnd schlug eine Glocke an.

Der Laden war klein, aber ordentlich und sauber. Hier stapelten sich Behälter mit Klebstoffen, offensichtlich Fliesenkleber, dort Handwerkszeug und selbst eine kleine Ausstellung verschiedener Fliesen stand in einer Ecke. Sauber aufgereiht lagen Kataloge in einem Regal.

„Guten Tag, was kann ich für sie tun?“ Eine dickliche Frau stand hinter der kleinen Theke und schaute mich freundlich an. „Suchen sie etwas Bestimmtes?“

Ich schüttelte den Kopf. „Ich möchte ihren Mann sprechen.“ - „Meinen Mann? Der ist nicht da, der hat“, sie schaute auf eine Digitaluhr an der Wand, „jetzt einen Termin. Vielleicht kommen sie später wieder.“

Erneut schüttelte ich den Kopf. „Sie verstehen nicht, gute Frau. Ich bin der Termin. Jonathan Lärpers von der Detektei Argus.“

Jetzt leuchteten die Augen der Frau wissend auf. „Warum sagen sie das nicht gleich? Mein Mann wartet ja schon seit Stunden auf sie ...“ - „Seit Stunden? Wir waren für fünfzehn Uhr verabredet. Und es ist gerade erst drei!“

Die Frau lachte leise. „Ja, stimmt. Wenn mein Mann einen Termin hat, dann ist er schon Stunden vorher immer sehr aufgeregt. Aber kommen sie doch bitte. Der Gute ist im Büro.“

Die Frau schob mich durch einen Gang, der in den hinteren Teil des Hauses führte. Wir durchquerten ein kleines Wohnzimmer. Schließlich standen wir vor einer angelehnten Tür.

„War das ein Kunde, Luise?“, drang von innen eine Stimme heraus.

„Kein Kunde, Felix. Dein Termin. Der Herr Lärpers von der Detektei.“ Quietschend wurde die Türe ganz aufgezogen und ein Mann, ebenso dick wie die Frau, stand vor mir. „Schön, dass sie so pünktlich sind, Herr Lärpers. Kommen sie doch bitte herein.“ Dann blickte er an mir herunter, wobei sein Blick an meinem Jackett hängen blieb. „Currywurst mit Fritten und Mayonnaise“, konstatierte er fachmännisch. „Das geht aber mit etwas Terpentin wieder gut raus.“

Während er mich in das kleine Zimmer zog, wandte der Mann sich an seine Frau: „Mach‘ uns doch mal einen Kaffee und dann bringst du die Dose mit dem Terpentin und einen Lappen mit.“

Dann nötigte er mich, auf dem einzigen Stuhl in diesem Büro Platz zu nehmen.

„Herr Eggbert“, begann ich, wurde aber von der Frau unterbrochen.

„Hier ist schon einmal das Terpentin.“ Sie drückte ihrem Mann eine rote Dose mit Drehverschluss in die Hand. Dann verschwand sie wieder.

„Und der Lappen?“, Herr Eggbert murmelte das nur so vor sich hin, dann zog er aus seiner Tasche ein Taschentuch. Großzügig benetzte er mit dem Lösungsmittel das Tuch und noch ehe ich mich versah, rubbelte er an meinem Jackett herum. Der Gestank war fürchterlich.

„Das ist doch nicht notwendig“, versuchte ich mich zu wehren, doch Eggbert ließ nicht locker. Erneut goss er Terpentin nach. „Sonst bekommen sie den Flecken nie wieder heraus. Das wäre doch schade um das schöne Jackett.“ Jetzt kippte er einen Schwall direkt über die Jacke.

„Sie dürfen sich jetzt nur keine Zigarette anzünden“, scherzte er. Dann endlich schien sein Werk getan. Ich versuchte zu erkennen, ob der Fleck nun beseitigt war, musste aber feststellen, dass sich das Ganze nur noch vergrößert hatte. Auch wurde mir von den Schwaden nun etwas mulmig.

„Können wir jetzt vielleicht zu dem Fall kommen? Soweit ich informiert bin, handelt es sich um einen ihrer Mitarbeiter?“ Dank des Geruchs wurde meine Aussprache jetzt ein wenig undeutlich. Wieso verfügte dieser Raum auch über keine Fenster?

„Genau, Herr Lärpers.“ Eggbert schien der Gestank nichts auszumachen. „Mein Mitarbeiter heißt Gerd Densel. Der Mann war schon häufig krank, aber wir haben uns dabei nie etwas gedacht. Bis eine Bekannte bei einer dieser Verkaufspartys etwas über den Mann hörte. Sie dachte sich nichts dabei, erzählte uns aber davon, da sie das so komisch fand.“

Mir wurde langsam übel von dem Geruch. Vielleicht ließ sich das hier ein wenig beschleunigen und dann nichts wie raus an die frische Luft! „Was für eine Party? Verkaufsparty?“

Eggbert nickte. „Ja, so eine Verkaufsparty. Wo alle zusammensitzen, Kaffee und Sekt trinken und etwas kaufen sollen. So wie Tupperpartys. Kennen sie die?“ - „Nein. Also, was für eine …?

„Eine Dessousparty. Verstehen sie? Aber das spielt ja auch keine Rolle.“

„Nein, spielt keine Rolle“, echote ich und überlegte, worüber wir gerade sprachen. Unauffällig sah ich mich um, ob ich mich im Notfall irgendwohin übergeben konnte. „Und was hat ihnen ihre Bekannte berichtet?“ - „Nun, dass dieser Mann nebenher arbeitet. Unsere Bekannte wusste ja nicht, dass wir einen Angestellten mit dem Namen Densel haben. Als sie das dann aber erwähnte, ging mir ein Licht auf.“ - „Ein Licht?“

Eggbert sah mich besorgt an. „Ist ihnen nicht gut, Herr Lärpers? Das kann nur an der Currywurst mit den Fritten liegen. Vielleicht war die Mayonnaise nicht mehr in Ordnung. Atmen sie mal tief durch, dann geht es ihnen gleich besser.“

Ich musste raus hier. An die frische Luft. „Ich werde mich darum kümmern“, brachte ich mühsam hervor. In diesem Moment kam die Frau mit einem Tablett, auf dem zwei dampfende Tassen Kaffee standen, durch die Tür. Der kräftige Kaffeegeruch vermischte sich mit der Terpentinwolke. Für mich gab es kein Halten mehr. „Ich kümmere mich“, würgte ich noch hervor, dann rannte ich an der Frau vorbei durch den Laden und hinaus auf die Straße. Ein tiefer Atemzug frische Luft, dann übergab ich mich auf den Gehweg. Currywurststückchen, zerkleinerte Fritten und eine weiße Pampe - Mayonnaise. Immer noch war mir furchtbar schwindelig.

Ein älteres Ehepaar beobachtet mich von der anderen Straßenseite. Wohl extra so laut, dass ich es auch hören musste, meinte der Mann zu seiner Frau: „Das ist ja ekelhaft. Jetzt kotzen die Penner schon am helllichten Tag mitten auf die Straße! Schon am frühen Nachmittag betrunken! Wo soll das noch hinführen!“

Während ich zu meinem Wagen schlich, entledigte ich mich des Jacketts, das ich unterwegs in einen Mülleimer stopfte. Meine Papiere nahm ich natürlich vorher aus der Jacke. Gut, dass im Kofferraum meines Wagens noch eine Ersatzjacke lag …

Während ich im Wagen vor mich hindöste - in diesem Zustand war fahren einfach nicht möglich - überlegte ich mir das weitere Vorgehen. Irgendwann schlief ich ein und erwachte völlig gerädert bei Anbruch der Dunkelheit. Jetzt erst bemerkte ich, wie kalt es war. Frierend startete ich den Motor und wartete sehnsüchtig darauf, dass die Heizung endlich warme Luft in den Innenraum blasen würde.

Am nächsten Morgen erwachte ich mit einer gehörigen Portion Kopfschmerzen. Bis jetzt war ich noch nicht dazu gekommen, mir über den Fall Gedanken zu machen. Aber was gab es da schon großartig nachzudenken? Ich würde den Knaben observieren und meine Ergebnisse an Eggbert liefern. So einfach wäre das.

Allerdings bereute ich jetzt, keine näheren Informationen erhalten zu haben. Wann ging dieser Gerd Densel eigentlich seiner Nebenbeschäftigung nach? Und um was für eine Tätigkeit handelte es sich überhaupt? Ganz klar, hier war meine Kreativität gefragt. Densel hatte sich krank gemeldet? Somit musste er sich zu Hause befinden. Eigentlich.

Auf das Frühstück verzichtete ich, momentan kämpfte ich leider noch mit einer leichten Übelkeit. Noch immer befand sich dieser Terpentingeruch in meiner Nase. Allein der Gedanke daran ließ mich erneut würgen.

Schließlich schnappte ich mir das Telefon und rief im Büro an: „Ja, Birgit. Dir auch einen guten Morgen.“ Mein Entschluss, Densel heute zu observieren und vorher nicht erst ins Büro zu fahren, stand fest. Jetzt musste ich lediglich Birgit informieren, damit auch das Büro Bescheid wusste. Sie murmelte am anderen Ende etwas, was ich nicht verstand. „Ich observiere heute diesen Gerd Densel und komme nicht ins Büro. Ja, du kannst mich per Handy erreichen.“

Densel wohnte in Rheydt auf der Königstraße. In einem dieser älteren Mehrfamilienhäuser. Nachdem ich mich ausreichend mit Brötchen und Getränken eingedeckt hatte, ließ ich meinen Wagen langsam durch die Straße rollen. Mit ein wenig Glück würde ich einen Parkplatz finden! Das Glück war mir natürlich nicht hold und am Ende der Straße legte ich den Rückwärtsgang ein und fuhr langsam zurück.

Plötzlich hupte es hinter mir wie wild. Schon öffnete sich die Tür eines aufgemotzten Opel Corsa und wild gestikulierend rannte ein junger Mann auf mich zu. Ich kurbelte mein Fenster ein Stück herunter, der Typ jedoch riss einfach meine Türe auf.

„Du wohl blöd, was? Das hier Eibahnstraße!“ Ich schaute ihn fragend an. Eibahnstraße? „Sie meinen Einbahnstraße?“ Das musste mir entgangen sein, die Schilder standen aber auch immer so unglücklich, da musste man sie ja übersehen ...

„Du wohl Klugscheißer, was?“ Jetzt zerrte der Kamerad an meinem Arm. Was wollte der Mann denn eigentlich? Ich löste meinen Sicherheitsgurt. „Was wollen sie? Gut, dies hier ist eine Einbahnstraße - sorry. Mein Fehler. Aber es ist ja nichts passiert, also lassen sie mich doch einfach weiterfahren!“

„Du gefährlich Autofahrer.“ Es musste sich um einen Türken handeln. An seinen Sprachkenntnissen sollte der Mann auf jeden Fall noch einmal feilen. „Ich habe mich doch schon entschuldigt. Was wollen sie mehr? Nun steigen sie schon in ihre aufgemotzte Karre!“ Ich versuchte es immerhin recht freundlich, rechnete aber nicht mit diesem aufdringlichen Zeitgenossen.

Schnaufend zerrte er mich aus dem Wagen. „Du nicht motzen!“ Dann bekam ich einen Schlag in den Magen.

Nun bin ich kein Freund von Schlägen in den Magen. Schon gar nicht, wenn mir morgens so übel ist, dass ich noch nicht einmal etwas essen kann. Ich sah den Mann drohend an. „Das reicht mein Freund. Steigen sie in ihre Kiste und gut ist!“

„Kiste? Kiste?“ Jetzt fing der Türke an, sich noch mehr aufzuregen. Dann holte er erneut aus, diesmal zielte der Schlag auf mein Gesicht. Doch jetzt reichte es mir. Einfach unschuldige Autofahrer belästigen! Instinktiv wandte ich nun mein über die Jahre erworbenes Krav Maga Kampftraining an. Ich wich einfach zur Seite. Die Faust des erbosten Türken donnerte gegen die Dachstrebe meines Fahrzeuges. Der Mann heulte kurz auf, dann wandte er sich wutschnaubend zu mir. „Jetzt deine letzte Schunde!“

Nuschelte der, oder wusste er es nicht besser? Freundlicherweise korrigierte ich ihn: „Jetzt schlägt deine letzte Stunde. So heißt es richtig. Mensch, es gibt doch jede Menge Volkshoch...“ Diesmal wich ich nicht aus, sondern stoppte die Faust des Angreifers mit einem gezielten Schlag gegen das Handgelenk. Es knackte dezent und der Türke heulte wieder auf. Ob etwas gebrochen war? Ich glaubte nicht, denn so hart war der Schlag ja nicht.

Jetzt verlegte mein Kontrahent sich aufs Treten. Kickboxen oder so. Jedenfalls das, was er dafür hielt. Konnte der Mann nicht erkennen, dass das hier zu nichts führte? Zumindest für ihn. Ich für meinen Teil sah ein, dass mir ein wenig Training mit Christine fehlte. Ich nahm mir vor, sie darauf anzusprechen. Schließlich mussten wir in Übung bleiben …

Mittlerweile wich ich vor den Fußtritten zurück. Eine lustige Ausweichübung, die den Türken aber immer wütender werden ließ. Der Mann musste doch mal müde werden! Wieder wich ich ein Stück zurück. Dann spürte ich im Rücken das Blech eines Fahrzeuges. Aus den Augenwinkeln erkannte ich, dass es sich um den getunten Corsa des Angreifers handelte. Jetzt reichte es aber mit dem Herumgehampel! Es wurde Zeit, das Ganze zu beenden.

Ich hob abwehrend die Hände: „Bitte. Es reicht. Das bringt doch nichts. Steigen sie jetzt in ihren Wagen und die Sache ist erledigt. Am Ende tut sich einer von uns beiden noch weh! Und der eine bin nicht ich“, fügte ich noch hinzu.

„Ich mach‘ dich platt, Alter!“

Na, wenigstens ein vollständiger Satz. Dann trat er mit voller Wucht zu. Ich vollführte lediglich eine kleine Drehung und wich dem Fuß aus. Klirrend zerbarst die Seitenscheibe der Fahrertür. Das verdutzte Gesicht des Türken ließ mich grinsen. Wieso demolierte der Mann jetzt seinen eigenen Wagen?

„Du tot, du tot“, schnaufte er und griff hinter seinen Rücken. Plötzlich hielt er eine Tokarev TT33 in der Hand. Gerade, als er die Waffe durchladen wollte, trafen ihn meine Handkantenschläge und schickten ihn zu Boden. Wimmernd hielt er sich seinen gebrochenen Arm. Die Waffe rutschte scheppernd ein wenig zur Seite. Mittlerweile hielt ich meinen Revolver in der einen Hand und mein Handy in der anderen. Sekunden später meldete sich die Polizei.

„Junge, Junge. Wie blöd bist du eigentlich?“, sprach ich beruhigend auf den jammernden Türken ein. Du hättest doch schon nach deinem zweiten Schlag merken müssen, dass du mir nicht gewachsen bist ...“

Die Polizei stellte eine Menge Fragen. Nachdem die Beamten aber meine Papiere überprüft hatten, insbesondere den Waffenschein und meinen Detektivausweis, und der Türke in einen Krankenwagen verfrachtet worden war, durfte auch ich gehen. Den Opel Corsa mit der zerschlagenen Seitenscheibe schoben wir an den Straßenrand. Der würde später noch abgeschleppt werden. Ich schaute auf meine Uhr. Die ganze Aktion kostete mich immerhin schon bald eine Stunde. Ein paar Schaulustige gingen jetzt wieder ihrer Wege. Ich hoffte, Densel wäre nicht dabei. Das konnte meine ganze Observierung gefährden.

Diesmal fuhr ich vorwärts und in richtiger Richtung durch die Einbahnstraße. Nachdem kein vernünftiger Parkplatz zu finden war, startete ich die zweite Runde und rollte erneut von Anfang an durch die schmale Straße. Vor einem großen Tor fand ich schließlich einen Platz. Sicher, hier durfte ich eigentlich nicht parken, aber ich plante ja auch nicht, den Wagen zu verlassen.

Keine zehn Minuten später klopfte es an der Beifahrerseite. Ich beschäftigte mich gerade damit, herauszufinden ob sich Gerd Densel noch in seiner Wohnung aufhielt. Die Wohnzimmerfenster im dritten Stock sollten zur Straße hin zeigen. Ich hoffte nur, die richtige Wohnung gefunden zu haben. Aber laut dem Klingelschild …

„Sie dürfen hier nicht parken.“ Der lange, dürre Mann hielt in der Hand einen Fotoapparat. Ein ungepflegter Vollbart versteckte sein Gesicht und sein graues, schütteres Haar war unter einer alten Baseballkappe kaum zu sehen. Der Mann, ich schätzte ihn auf um die Sechzig, bleckte die Zähne.

„Hier ist eine Einfahrt. Sie dürfen hier nicht parken.“ - „Ja, das sagten sie schon.“ - „Was?“ - „Na, dass ich hier nicht parken darf. Aber ich parke ja auch nicht. Ich stehe nur.“

Der Mann schaute mich böse an. „Hier dürfen sie auch nicht stehen.“ - „Warum nicht?“ Ich blickte immer einmal wieder zu Densels Wohnung hoch. Bewegte sich da nicht die Gardine?

„Weil hier eine Einfahrt ist.“ - „Ich fahre schon weg, wenn jemand heraus oder herein möchte“, meinte ich begütigend. Der Mann fiel mir mit seiner Beharrlichkeit auf den Wecker.

„Wenn sie nicht wegfahren, melde ich sie dem Ordnungsamt. Fotos habe ich schon!“ Er fuchtelte wild mit seiner Kamera herum. Aus den Augenwinkeln sah ich, wie sich die Gardine bei Densel bewegte. Wenigstens befand der sich in der Wohnung! „Gut, ich fahre gleich weg“, beruhigte ich den Mann, der immer noch mit seiner Kamera in der Luft herumfuchtelte.

Erneut bleckte er die Zähne. „Na, geht doch!“ Dann zog der Alte ab und ich konnte erkennen, dass er im Hauseingang neben dem Tor verschwand. Ob das der Hausbesitzer war?

Doch die Gedanken waren schnell vergessen, als sich die Gardine erneut bewegte. Wild schaukelte sie hin und her. Was machte dieser Densel da nur? Ich kramte in meinem Handschuhfach nach dem Fernglas. Vielleicht könnte ich so genauer erkennen, was sich da oben tat.

Wieder bewegte sich die Gardine. Ob Densel dahinter stand und die Straße beobachtete? Auch in der Vergrößerung war nichts zu erkennen. Aber die Bewegung blieb. In diesem Moment fiel mir siedendheiß ein, dass ich ja einen Fotoapparat zur Dokumentation der Vergehen dieses krankgeschriebenen Mitarbeiters vergessen hatte. Ich würde also heute auf jeden Fall noch im Büro vorbeifahren und mir den Apparat holen. Und im Notfall musste halt die Kamera meines Smartphones reichen. Doch, dass dieser Gerd Densel heute noch aus dem Haus käme, bezweifelte ich. Jetzt bewegte sich da oben nichts mehr.

Von Zeit zu Zeit ließ ich den Motor kurz laufen, damit die Heizung nicht ganz abkühlte. Jetzt strömte wieder warme Luft in den Innenraum und es wurde beinahe richtig gemütlich. Ich öffnete meine Jacke. Ja, so ließ es sich aushalten! Plötzlich klopfte es wieder an das Beifahrerfenster. Blieben einem denn hier nicht einmal ein paar Minuten Ruhe! Der aufdringliche Kerl von vorhin stand wieder da und fuchtelte erneut mit seiner dämlichen Kamera herum. Ob er mir die leihen würde, falls ich Densel hinterher musste? Ich glaubte eher nicht …

„Ich denke, sie wollten wegfahren!“ Das hochrote Gesicht sprach Bände. Langsam kurbelte ich das Fenster ein Stück herunter. „Was ist denn?“ Ich musste mich schließlich auf meine Aufgabe konzentrieren und konnte nicht jedem Spinner meine Zeit opfern.

„Sie wollten doch wegfahren“, beharrte der Nerver.

„So, wollte ich das? Warum kümmern sie sich nicht um ihren eigenen Krempel? Sind sie so etwas wie der Dorfsheriff hier oder eher der Dorftrottel?“

Der Mann drückte wie wild auf seiner Kamera herum. „Jetzt zeig‘ ich sie an, jetzt zeig‘ ich sie an“, brüllte er immer wieder. Ich grinste. Dann kam mir eine Idee. Langsam schob ich meine Jacke ein wenig zur Seite, so dass mein Schulterholster mit dem 36er zum Vorschein kam. „Sie behindern mich bei der Arbeit. Wenn sie nicht sofort verschwinden, wird das Konsequenzen haben!“

Der Mann blickte entsetzt auf meine Waffe. Dann wollte er die Kamera hochnehmen, rutschte aber mit zittrigen Fingern vom Gerät. Scheppernd fiel der Apparat zu Boden. Bevor ich das Fenster wieder hochkurbelte, zog ich meinen Smith & Wesson ein wenig hervor. Böse, mit einem grimmigen Gesicht, schaute ich den selbsternannten Polizisten an.

Sekunden später war der Mann wieder in seinem Haus verschwunden.

Es dauerte keine fünf Minuten, dann klopfte es wieder an meine Seitenscheibe. Diesmal handelte es sich allerdings nicht um den Blockwart von eben, sondern um einen grimmig dreinschauenden Polizisten, dessen Kollege mit gezogener Waffe ein paar Meter weiter entfernt stand. Seufzend öffnete ich das Fenster.

„Aussteigen. Und die Hände immer so, dass ich sie sehen kann!“

Langsam verließ ich den Wagen. „Worum geht es denn, meine Herren“, versuchte ich zu erfahren, was die Polizisten nun wieder von mir wollten. Aber die Frage erübrigte sich, denn jetzt zog der Polizist mir meine Waffe aus dem Halfter und hielt sie seinem Kollegen triumphierend hin. „Ein Revolver. Gut, dass wir sofort gekommen sind!“

„Das kann ich erklären“, setzte ich die Beamten in Kenntnis. „Ich besitze einen Waffenschein und ich bin beruflich hier tätig. Ich observiere einen Verdächtigen. Wenn sie mir erlauben, dann ziehe ich jetzt meine Papiere aus der Jackentasche.“

Der Polizist nickte großzügig.

Weitere zehn Minuten später durfte ich meine Papiere und die Waffe wieder an mich nehmen. Die Beamten warnten mich eindringlich davor, so offensichtlich mit meinem Revolver herumzufuchteln und alte Leute zu erschrecken, was ich schließlich auch hoch und heilig versprach. Endlich zogen sie ab. Erneut nahm ich die Beobachtung der Wohnung auf. Jetzt bewegte sich die Gardine wieder. War das nicht ein schwarzer Fleck? Ich nahm mein Fernglas zur Hand. Langsam wanderte mein Blick an der Fassade hoch, bis ich das entsprechende Fenster fand. Die Gardine schaukelte lustig hin und her und durch das Fernglas konnte ich auch die Ursache dafür ausmachen: Eine kleine schwarze Katze kletterte an dem Stoff nach oben.

Der Aufpasser ließ sich zum Glück nicht mehr blicken. Es schien so, als wenn ihn die Aktion der Polizisten enttäuscht hätte. Keine Verhaftung meiner Person ... Ich blickte auf meine Uhr. Wenn dieser Gerd Densel nicht bald irgendwelche Aktivitäten zeigte, dann war dieser Tag vorbei. Und für mich verloren. Ein nächster Blick zum Fenster hoch, zeigte mir, dass jetzt ein Teil der Gardine fehlte. Die kleine Katze musste ganze Arbeit geleistet haben.

Und dann sah ich ihn: Gerd Densel. Aber nicht wie der Mann das Haus verließ, sondern wie er heimkam. Ich fluchte. Irgendwann, als ich abgelenkt gewesen war, musste er wohl aus dem Haus gegangen sein. War er arbeiten gewesen? Schwarz? Ich würde ihn schlecht fragen können. Damit hieß das, ein weiterer Tag Observation. Morgen in aller Frühe würde ich bereitstehen.

Nach einer weiteren halben Stunde gab ich es auf. Allmählich wurde es dunkel und Gerd Densel schien jetzt in seiner Wohnung bleiben zu wollen. Die Gardine hing wieder vor dem Fenster und an dem bunten Lichterspiel konnte ich erkennen, dass der Fernseher lief. Ich startete meinen Wagen und rollte zurück auf die Straße. Im Rückspiegel sah ich noch, wie der selbsternannte Wachmann mit der Faust hinter mir her drohte.

Am nächsten Morgen stand ich schon sehr früh wieder in der Königstraße. Diesmal erwischte ich sogar einen regulären Parkplatz, von dem aus ich die Wohnung Densels bestens beobachten konnte. Ich war gut versorgt: Jede Menge belegte Brötchen, eine Thermoskanne mit Kaffee, einige kleine Flaschen mit Säften und eine große leere Flasche, falls mich ein gewisses Bedürfnis überkommen sollte. Irgendwo müssten der Kaffee und die Säfte ja schließlich wieder hin. Der Aufpasser war auch schon unterwegs. Diesmal aber hielt er ein Handy anstatt der Kamera in der Hand. Die musste beim Fall gestern wohl kaputt gegangen sein.

Träge beobachtete ich, wie die Leute aus ihren Häusern traten und zur Arbeit gingen oder fuhren. Gerd Densel war nicht dabei. Um was für einen Nebenjob handelte es sich eigentlich? Ich ärgerte mich, dass mir dieser Fliesen Eggbert nicht mehr erzählt hatte.

Vorsichtig überprüfte ich die Kamera. Natürlich befand sich gestern so spät niemand mehr im Büro und es war wirklich Glück, dass ich das gute Stück endlich doch noch fand. Eine Kamera mit starkem Zoom. Damit könnte ich Densel in jeder Situation fotografieren. Hoffentlich bekäme ich heute eine Gelegenheit dazu!

Die Leute verliefen sich und es wurde wieder ruhiger in der Straße. Als ich erneut zu Densels Wohnung herauf blickte, erkannte ich, dass bei ihm wieder der Fernseher laufen musste. Nun, dann war der Mann wenigstens zu Hause. Hoffentlich.

Nach meinem dritten Brötchen sah ich ihn. Ein Blick auf die Uhr, dann notierte ich die genaue Zeit. Zehn Uhr zweiunddreißig. Heute würde ich ihn nicht verlieren. Densel steuerte auf ein Fahrzeug, das am Straßenrand parkte, zu. Offensichtlich handelte es sich um seinen Wagen. Ich schoss ein paar Fotos. Die Sporttasche in seiner Hand verführte mich zu wilden Spekulationen. Befand sich der Mann auf dem Weg zum Sport? Das wäre natürlich eine der besten Lösungen: Krank geschrieben und dann auch noch Sport treiben … Vielleicht sogar als Tennis- oder Skilehrer. Ich malte mir die wildesten Sachen aus. Schwimmlehrer vielleicht. Fluglehrer … Würde ich selbst noch einen Flugschein machen müssen, um Densel zu observieren?

‚Über den Wolken, da muss die Freiheit wohl ...‘

Fast verpasste ich, wie Densel abfuhr. In einigem Abstand folgte ich ihm und notierte während der Fahrt mühsam das Kennzeichen und den Wagentyp. Die Route führte uns quer durch Mönchengladbach. Nach einiger Zeit bog der Mann schließlich Richtung Korschenbroich ab.

Endlich parkte der Fliesenleger sein Fahrzeug vor einer protzigen Villa. Hier standen genügend Parkplätze zur Verfügung, so dass ich ohne Mühe in einigem Abstand zu Densels Wagen halten konnte. Vorsichtshalber ließ ich den Motor noch laufen. Nicht dass der Kerl doch noch abhaute, diese Schwarzarbeiter waren ja mit allen Wassern gewaschen … Aber Densel verließ seinen Wagen, in der Hand die große Tasche. Fleißig schoss ich ein paar Fotos. Mir war klar, dass das jetzt noch nicht wirklich einen Beweis darstellte, aber was wollte der kranke Fliesenleger hier in der Villa?

Die Antwort gab ich mir selbst, denn sie lag ja auf der Hand: Der Mann wollte Fliesen verlegen. In der Tasche befand sich vermutlich seine Arbeitskleidung. Ich beobachtet, wie Densel durch das offene Gartentor verschwand. Es schien ja fast so, als wenn er sich hier bestens auskennen würde.

Jetzt, da ich sicher war, dass Densel in das Haus ging, stellte ich den Motor ab. Wieder notierte ich Uhrzeit und Ort.

Grinsend dachte ich an Birgit und ihre Worte: ‚Bis Mittwoch, wenn du nicht gänzlich unfähig für diesen Job bist …‘ Die Dame würde sich wundern. Mittwoch und noch nicht einmal Mittag! Nun, das wollte ich ihr auf jeden Fall aufs Butterbrot schmieren. Jonathan Lärpers und unfähig für solch einen Job. Dass ich nicht lache!

Jetzt fehlten allerdings noch die entscheidenden Beweise. Schließlich konnte Densel ja in der Villa alles Mögliche anstellen. Ich musste ihn beim Arbeiten erwischen. So lautete meine Mission.

Die Kamera schussbereit schlich ich durch das kleine Gartentor. Protzig lag die Villa vor mir, an der rechten Seite eine riesige Doppelgarage. Ein Kiesweg führte von der Straße durch ein größeres zweiflügeliges Tor vor den Eingang und direkt in die Garagen, von denen eine offenstand. Gebückt schlich ich hinter Büschen näher zum Haus und der offenen Garage. Die war komplett leer, nicht einmal ein Fahrrad oder Gartengeräte standen darin.

Alles blieb ruhig, als ich rasch über die freie Kiesfläche lief und mich im Schatten des Anbaus versteckte. Es war ja wirklich sehr leichtsinnig hier alles so offen zu lassen … Ich sah mich um. Irgendwie musste ich an ein Fenster des Hauses herankommen. Möglichst eines, hinter dem dieser Densel seine Fliesen verlegte.

An der hinteren Wand der Garage befand sich eine kleine Tür. Vermutlich führte sie zum Garten hin. Leise drückte ich die Klinke herunter. Und wirklich: Die Tür war nicht verschlossen. Heute schien mein Glückstag zu sein. Noch einmal überprüfte ich die Kamera. Dann streckte ich den Arm aus und schoss ein Foto von mir selbst. Jonathan Lärpers auf erfolgreicher Spurensuche. Schade, dass ich alleine war, sonst hätte man ja vielleicht eine kleine Fotoserie zusammenstellen können. Ich nahm mir vor, diese Idee einmal mit Chrissi zu besprechen.

Gebückt schlich ich jetzt durch die Tür. Und natürlich behielt ich recht: Ein riesiger Garten lag vor mir. Vielleicht arbeitete Gerd Densel ja auch als Gärtner hier. Solch ein Garten brauchte schließlich seine Pflege.

Ich schlich weiter. Nein, im Garten arbeitete niemand. Dafür drang jetzt lautes Lachen aus dem Haus. Das hörte sich in meinen Ohren an, wie eine Gruppe Frauen beim Kegeln. Ob sich hier in der Villa auch eine Kegelbahn befand? Man müsste mit den Kollegen einmal einen gemütlichen Kegelabend planen. Immerhin war es schon eine ganze Weile her, dass ich diesem Sport nachging. Ich verwarf den Gedanken und konzentrierte mich ganz auf meine Aufgabe. Jetzt nur nicht ablenken lassen. So wenige Meter vor meinem Ziel!

Das Lachen drang aus einem Raum, dessen riesige Fensterwand mit einer Schiebetür zum Garten zeigte. Leider hing vor dem Fenster von innen ein dichter Vorhang. Wie gerne hätte ich einen Blick hineingeworfen. Ob es sich bei diesem Raum um das Wohnzimmer handelte? Bestimmt. Vielleicht verlegte Densel hier ja seine Fliesen. Nebenberuflich und zum Schaden seines Arbeitgebers. Sicherheitshalber machte ich ein Foto der Fensterfront. Dann noch eines von einer wunderschönen Blume in einem Kübel, der aussah wie ein Kelch. Schön.

Aber was nun? Ich musste Densel finden. Das würde mir aber nur gelingen, wenn ich in das Haus hineinkam. Bis jetzt standen ja alle Türen offen, also konnte eigentlich niemand von einem ‚Einbruch‘ sprechen. Ich schaute mich um. Hier gab es keine weitere Möglichkeit, in das Haus zu gelangen. Nur dieses Fenster mit der Schiebetür. Vorsichtig versuchte ich sie zu öffnen. Verschlossen! Soviel zu meinem Glückstag. Ja, Freud und Leid lagen oftmals dicht beieinander.

Dann fiel mein Blick auf den Balkon. Der lag etwas seitlich über dem Fenster. An der Wand darunter befand sich ein Rankgitter, über das rote und gelbe Rosen hinauf in das obere Stockwerk wuchsen. Schnell schoss ich noch ein Bild dieser prächtigen Blumen, dann machte ich mich an den Aufstieg. Die paar Meter Kletterei bedeuteten für mich doch kein Problem, schließlich trainierte ich ja regelmäßig. Lediglich die Dornen dieser Sch...rosen zerkratzten mir die Hände.

Schwungvoll setzte ich schließlich über das Balkongeländer. Eine offenstehende Tür lud mich ein, den dahinterliegenden Raum zu betreten. Ein Schlafzimmer. Das große Bett noch ungemacht. Ich überlegte, erneut ein Foto zu schießen, ließ es dann aber. Das war meiner Sache bestimmt nicht dienlich. Ob Densel hier oben irgendwo seiner Arbeit nachging? Kachelte der Mann etwa das Bad?

Vom Wohnzimmer her drang erneut Lachen herauf. Na, das musste ja eine illustre Gesellschaft sein! Schon morgens so fröhlich. Leise durchquerte ich den Schlafraum. Dann landete ich in einem längeren Flur mit mehreren Türen. Wenn Densel hier oben war, dann hinter einer von ihnen.

Ich zögerte nicht lange und wandte mich dem nächstgelegenen Raum links von mir zu. Abgeschlossen. Sollte ich die Türe aufbrechen? Was, wenn man Densel eingeschlossen hatte, damit der ungestört arbeiten könnte? Vermutlich eher nicht. Auch ein Fliesenleger ließ sich nicht einfach wegschließen. Also weiter. Beim nächsten Raum handelte es sich um das Badezimmer. Ein Badezimmer von der Größe meines Wohnzimmers. Aber leer, also ohne Anwesenheit eines Herrn Densel.

Ich durchschlich Zimmer für Zimmer und musste schließlich doch feststellen, dass sich auf dieser Etage kein Fliesenleger Gerd Densel befand. Also vermutlich im Erdgeschoss. Wo auch sonst, denn über mehr als diese zwei Etagen verfügte das Haus ja nicht. Oder vielleicht im Keller? Auch eine Möglichkeit. Ich beschloss, erst einmal das Erdgeschoss zu durchsuchen. Natürlich hieß es, äußerste Vorsicht walten zu lassen. Schließlich wollte ich da unten niemandem begegnen. Nur ein paar Fotos vom fleißigen Densel schießen …

Der nächste Raum neben der Treppe war die Küche und leer. An einer überdimensionalen Spüle stapelte sich ungewaschenes Geschirr. Hier musste aber einmal dringend eine Reinigung stattfinden. Eine ordentliche Küche sah schließlich anders aus! Nach einem weiteren, kurzen Blick, wandte ich mich dem Wohnzimmer zu. Von dort klang ständig Frauengelächter zu mir herüber. Auch das machte mich neugierig. Was ging da eigentlich vor?

Die Türe zum Wohnzimmer lehnte nur leicht am Rahmen. Lautlos zog ich sie ein Stück weiter auf. Von hier aus ließ sich der gesamte Raum gut überblicken. In schummriges Licht getaucht, erkannte ich einige Frauen auf einem Sofa sitzend. Weitere machten es sich auf Sesseln bequem. Auf einem niedrigen Wohnzimmertisch standen mehrere Sektflaschen, daneben Gläser. Einige der Damen nippten an ihrem Glas. Jedenfalls dann, wenn sie nicht lachten. Alle blickten gemeinsam in eine Richtung. Langsam drehte ich den Kopf.

Und dann bemerkte auch ich ihn: Gerd Densel in all seiner Pracht und Schaffensfreude. Ich konnte den Mann nur von hinten sehen, aber das reichte mir. Densel trug eine weiße Schürze und wischte gerade den Boden mit einem Aufnehmer. Leider trug der Fliesenleger lediglich diese Schürze und war ansonsten nackt. Durch die Wischbewegung reckte er den Damen - und auch mir - in einem stetigen Rhythmus seinen Allerwertesten entgegen.

Beim ersten Bild, das ich schoss, musste ich mich noch überwinden. Dann aber gewann mein Humor Oberhand. Selbstverständlich würde ich die Fotos Chrissi und Birgit zeigen. Gerd Densel, der gestandene Fliesenleger hier in einer Korschenbroicher Villa als Nacktputzer!

Ganz, ganz mühsam schaffte ich es, ein lautes Lachen zu unterdrücken.

Eine weitere Fotoserie knipste ich, als Densel sich tänzelnd umdrehte und den Aufnehmer in einem Eimer Wasser auswusch. Dabei verrutschte die Schürze ein wenig und seine Männlichkeit lugte frech hervor. Die Frauen kreischten und lachten. Einige klatschten sogar.

Ich fummelte an der Kamera. Die musste doch auch eine Videofunktion haben! Wie viel lustiger wäre es, Chrissi und Birgit ein Filmchen über das hier vorzuführen.

Ich kam aber nicht dazu, die Aufnahmefunktion zu aktivieren, denn in diesem Moment erhielt ich einen Schlag auf den Kopf. Nicht zu feste, aber doch fest genug. Erneut traf mich der Gegenstand. Ich drehte mich vorsichtig herum. Aha, ein Regenschirm. Diesmal schaffte ich es, den Schlag abzuwehren. Scheppernd traf der Schirm meine Kamera.

„Hilfe, Hilfe.“ Eine dickliche Frau versuchte weiter auf mich einzuschlagen. In der einen Hand hielt sie den Schirm, in der anderen eine Flasche Sekt. „Überfall, Hilfe, Hilfe.“

Schützend hob ich erneut meine Arme, als eine ganze Kaskade von Schlägen auf mich hernieder prasselte. Jetzt wurde es aber höchste Zeit, die Flucht zu ergreifen. Im Wohnzimmer erhob sich ebenfalls ein Tumult. Davon bekam ich aber nicht mehr viel mit, denn jetzt stürmte ich an der Frau vorbei und wieder hinauf in den ersten Stock. Hier kannte ich mich schließlich aus.

Dem Lärm nach, der unten erklang, waren jetzt alle Damen auf der Jagd nach mir. Schon erklangen die ersten Schritte auf der Treppe.

Es dauerte nur Sekunden, dann durchquerte ich das Schlafzimmer und befand mich schon wieder auf dem Balkon. Rasch über die Brüstung und am Rankgitter wieder nach unten! Leider löste sich das Gitter aus der Wand, als gerade die Hälfte des Weges abwärts hinter mir lag. Mit einem Krachen und Knirschen landete ich auf dem Rücken. Gut, dass sich hier weicher Rasen befand und keine Steinterrasse. Von oben begruben mich die Rosen. Auf Rosen gebettet …

„Er haut ab!“ Einige Frauen standen auf dem Balkon und schrien wild durcheinander. Ich rappelte mich auf. Jetzt spürte ich auch, wie Dornen mir das Gesicht zerkratzten.

„Ruft die Polizei! Und hinterher, den kriegen wir noch!“

Ich eilte in Richtung Garage. Als ich am Balkon vorbeikam, traf mich der Regenschirm am Kopf. Doch das konnte einen Jonathan Lärpers nicht aufhalten! Keuchend rannte ich schließlich durch den Vorgarten und zu meinem Auto. Bloß weg hier! Wenn die Frauen auch noch die Polizei riefen - gar nicht auszudenken. Mit quietschenden Reifen schoss ich aus der Parklücke.

„Wie siehst du denn aus?“ Birgit klang nicht besorgt, eher belustigt. „Das ist doch keine ansteckende Krankheit, oder?“ - „Rosen“, antwortete ich kurz angebunden.

„Rosen? Hat die Sorte deiner Angebeteten nicht gefallen?“ Birgit lachte. Die konnte aber auch so dämlich sein!

Der Fotoapparat war hin. Der eine Schlag mit dem Regenschirm traf die wertvolle Kamera am Objektiv und zerstörte die Linsen. Das Gehäuse der Kamera selbst zeigte einen kleinen Riss. Ich hoffte nur, dass die Speicherkarte in Ordnung war. Aber das Glück zeigte sich mir gewogen. Klaglos akzeptierte mein Laptop die kleine Karte. Nach und nach lud ich alle Bilder auf das Gerät. Nun, da würde sich Fliesen - Eggbert ja freuen. Hier waren die notwendigen Beweise. Densel konnte sich schon einmal nach einem neuen Job umsehen. Als Birgit an meinem Büro vorbeiging, in der Hand einen Becher Kaffee, winkte ich sie zu mir herein.

„Das ist mein Kaffee, Johni. Wenn du einen haben willst, musst du dich selber bemühen!“ - „Nein, nein. Komm, schau einmal, was ich fotografiert habe.“

Birgit trat hinter mich. Ich drückte eine Taste am Laptop. Das Bild, das ich in der Garage aufgenommen hatte, erschien.

„Wunderschön, Johni. Ein Selfie. Dafür störst du mich in meiner Pause?“ Birgit wollte schon wieder gehen.

„Moment, Moment. Das war das falsche Bild.“ Hastig klickte ich mich durch die Fotos, bis zu den Aufnahmen mit Densel. Densel von hinten, Densel tänzelnd, Densel beim Auswringen des Aufnehmers. Grinsend schaute ich zu Birgit hoch.

Die sah mich aus großen Augen an, zuckte mit den Schultern und meinte nur: „Aha. Ja und? Ein Nacktputzer. Was ist denn da jetzt Besonderes dran?“ Kopfschüttelnd ließ sie mich allein. „Und dafür stört der Depp mich in meiner Pause“, hörte ich sie beim Hinausgehen noch schimpfen.

Womit konnte man die Dame denn noch schocken, wenn schon nicht mehr mit einem nackten, putzenden Mann?

Meinen Auftritt bei Fliesen - Eggbert plante ich ganz genau. Schließlich würde ich ihm die Erkenntnisse meiner harten Arbeit präsentieren. Das musste schon angemessen und professionell geschehen. Ob Birgit mir für morgen Vormittag einen Termin bei ihm machen würde? Vermutlich nicht, also rief ich den Mann selber an.

Pünktlich um elf Uhr am nächsten Vormittag stand ich vor dem kleinen Fliesenfachgeschäft. Die Beweisbilder befanden sich gut vorbereitet auf meinem Laptop. Alle unwichtigen Aufnahmen entfernte ich, indem ich sie in ein anderes Verzeichnis verschob. Aber ich löschte sie noch nicht, falls Eggbert doch Interesse daran haben sollte. Besonders die eine Aufnahme, die mich selbst bei den Ermittlungen zeigte, schien mir doch sehr gelungen und dokumentierte schließlich meinen Einsatz.

Die kleine Glocke an der Tür bimmelte lustig und in dem Moment, als ich überlegte sie noch einmal anschlagen zu lassen, indem ich die Tür öffnete und schloss, trat Eggbert persönlich in den Laden.

„Herr Lärpers. Kommen sie herein, kommen sie herein. Lassen sie uns in mein Büro gehen ...“

Ich folgte dem Mann quer durch das Wohnzimmer. Diesmal ließ sich seine Frau nicht blicken. Aber vielleicht war die ja auch nicht zu Hause.

Ich klopfte auf meinen Laptop. „Lieber Herr Eggbert“, so hatte ich es geübt, „die Detektei Argus, in meiner Person Jonathan Lärpers, leistete für sie ganze Arbeit. So wie wir immer gänzlich zur Zufriedenheit unserer Kunden das Beste geben. Ich muss nicht extra beto...“

„Nun quatschen sie nicht so geschwollen daher“, unterbrach mich Eggbert. „Geben sie mir einfach die Rechnung … Und sagen sie mal: Sind sie krank oder so? Sie haben so viele Flecken im Gesicht. Das wird doch wohl nicht ansteckend sein?“

Ich schüttelte den Kopf: „Kleiner Arbeitsunfall. Aber was ist mit den Ergebnissen meiner Ermittlung, Herr Eggbert? Wollen sie denn gar nicht wissen, was ich herausgefunden habe?“

Eggbert schüttelte den Kopf. „Das ist jetzt nicht mehr notwendig. Gerd Densel war gestern Nachmittag bei mir und hat alles gestanden. Er brauchte dringend Geld für seine kranke Mutter und da kam ihm diese Schnapsidee. Es wird nicht wieder vorkommen. Und die Zeit, die er durch seine angebliche Krankheit verloren hat, wird er nacharbeiten. Außerdem kann er bei mir Überstunden machen und so etwas mehr Geld verdienen. Schließlich haben wir genug Aufträge. Sehen sie, Lärpers, Gerd Densel ist eine wirklich gute Fachkraft. Es täte mir leid, so einen Mann zu verlieren. Finden sie mal einen guten Fliesenleger!“

Ich nickte. Ja, gute Fliesenleger waren bestimmt schwer zu finden.

„Die Rechnung müssen sie aber trotzdem bezahlen“, beharrte ich, doch der Mann winkte lediglich ab. „Ja, das ist mir klar. Ich muss sie nur bitten, die Bilder zu vernichten und niemandem zu zeigen. Wir wollen die Privatsphäre meines Mitarbeiters ja nicht verletzen.“

Was blieb mir nun Anderes übrig? Gut, Birgit reagierte nicht so, wie ich es mir vorgestellt hatte, aber was war mit Chrissi? Und Jennifer? Den beiden wollte ich auf jeden Fall ja noch die Bilder zeigen. Musste ich sie nun wirklich löschen? Na, wenigstens blieben mir noch die Aufnahmen der Blumen und mein Selbstbildnis in der Garage.

Eggbert sah mich streng an und er schien zu wissen, was in meinen Gedanken vorging.

„Herr Lärpers. Mir ist bekannt, dass sie in dem Haus waren und entsprechende Fotos machten. Densel war sehr, sehr betrübt deswegen. Der Junge konnte seine Tränen kaum noch zurückhalten. Wenn wir die Situation richtig bedenken, dann haben sie das Haus doch widerrechtlich betreten, habe ich recht?“

Ich nickte langsam. Natürlich hatte er Recht! Aber musste ich das jetzt hier auch noch zugeben?

„Also, geben sie mir die Rechnung, löschen sie die Fotos und wir vergessen die ganze Angelegenheit. Was mit Densel ist, bleibt eine Sache zwischen meinem Mitarbeiter und mir!“

Ich nickte erneut. Der Kunde war schließlich König! „Gut, Herr Eggbert. Ich werde die Fotos löschen und die Rechnung bekommen sie mit der Post. Zwar hat meine Sekretärin die Bilder schon gesehen - das ließ sich ja nicht vermeiden - aber ich werde sie zur Verschwiegenheit verdonnern.“

Eggbert hielt mir seine Hand hin. „Dann ist die Sache hiermit erledigt. Danke für ihre Mühe, Herr Lärpers! Sollte ich noch einmal Bedarf haben, dann wende ich mich gerne wieder an sie.“

In meinem Wagen sitzend, löschte ich den Ordner mit Densels Nacktputzaufnahmen. Nun gut, Schwamm drüber. Ein Blick auf die Uhr zeigte mir, dass ich meine - trotz der unvorhersehbaren Entwicklung - erfolgreichen Ermittlungen durchaus mit einem Mittagessen in meinem Lieblings - Steakrestaurant ‚Chez Duedo‘ krönen sollte. Seufzend ließ ich den Motor an.

Undercover - Auftrag

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