Читать книгу Soulac sur Mer - Das Fanal - Jürgen Nottebaum - Страница 5
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ОглавлениеBernard Marens, oberster Chef aller Cheforganisatoren des Festkomitees, wollte sich gerade den Schweiß von der Stirn wischen. Der Festzug war in Bewegung und würde wohl gerade noch pünktlich am Bahnhof ankommen. Da sah er, dass die Reihenfolge noch immer nicht stimmte. Zwischen der Kapelle und den ihr folgenden Cheergirls fuhr, getrennt von den anderen Oldtimern, ein ‚Citroen 15 CV familiale‘. Am Steuer erkannte er Ben Hastings, einen gebürtigen Amerikaner, der seit Mitte der 60er Jahre in Soulac sur Mer lebte und durch nicht immer astreine Spekulationen in der Region zu beträchtlichem Vermögen gekommen war. Dabei hatte er sich nicht wenige Feinde gemacht.
So manches Projekt, das er - angeblich manchmal auch mit lokaler politischer Unterstützung – auf den Weg gebracht hatte, erwies sich im Nachhinein als eine auf nicht tragfähigem Boden errichtete Spekulation. Und jedes Mal, wenn es kritisch wurde, hatte er sich rechtzeitig und mit großem Gewinn daraus zurückgezogen. Zurück blieben Kleinanleger, die mit ihrem Schaden alleine gelassen wurden.
Marens fluchte. Ausgerechnet Hastings, der Amerikaner! In seinem so genannten Club gab es gerade einmal vier andere Oldtimerliebhaber. Einen Nordfranzosen und zwei Ausländer, die keine Ahnung von den örtlichen Geschichten hatten. Dazu ein ehemaliger Angestellter von Hastings, der für ihn viele undurchsichtige Verbindungen in der Region hergestellt hatte und im Windschatten seines Chefs ebenfalls wohlhabend geworden war.
Damit der Autokorso überhaupt etwas hermachte, hatte er, Bernard Marens persönlich, Himmel und Hölle in Bewegung setzen müssen, um Pirmin Bügel aus Pauillac dazu zu bewegen, mit einigen seiner Clubmitglieder an dem soulacaiser Großereignis teilzunehmen.
Bügel stammte ursprünglich aus der Schweiz. Dort war er viele Jahre lang als verantwortlicher Chemieingenieur in der Geschäftsleitung eines bedeutenden europäischen Chemiekonzerns tätig gewesen. Nach einem großen Chemieunfall mit gewaltiger Umweltbelastung für die Region am Oberrhein war er dort gegen eine beachtliche Abfindung aus seinem Job ausgeschieden und hatte sich als Besitzer eines großen Weingutes im Haut Médoc niedergelassen. Neben dem Wein hegte er als Sammler eine große Leidenschaft für alte Autos. So organisierte er jedes Jahr im Juli das größte Oldtimertreffen im Médoc, zu dem in der Regel bis zu 400 Besitzer alter Liebhaberfahrzeuge aus dem ganzen Land nach Pauillac anreisten. Obwohl Bügel, ein hagerer, hoch gewachsener, stets braun gebrannter und gut aussehender Mittfünfziger weithin als versnobt galt, hatte dieser schließlich eingewilligt und die Teilnahme von zehn Clubfreunden zugesagt. Ihm hatte Marens dafür extra versprechen müssen, dass Bügel den Autokorso anführen würde. Und nun das! Dieser verdammte Hastings! Er riss sein Funkgerät aus der Tasche und brüllte Anweisungen in das Mikrofon.
Die Kapelle näherte sich bereits dem Bahnhof. In der Ferne hörte man bereits das Tuten der alten Dampflok. Dumm, dass seine Ordner ihn bei dem ganzen Lärm kaum verstehen konnten.
Schließlich schien jemand ihn verstanden zu haben, denn ein Ordner sprang mit ausgebreiteten Armen vor den alten Citroen. Hastings stoppte. Die Kapelle zog weiter. Es entstand eine Lücke im Festzug. Der Ordner versuchte, die Cheergirls an dem Auto vorbeizuwinken.
Die junge Cheerleaderin verstand seine Armbewegung falsch und gab ihrer Gruppe Anweisung, auf der Stelle zu wenden und ein Spektakel für die Zuschauer am Straßenrand aufzuführen. Auf Zeichen ihrer Anführerin wendeten die Girls und zogen auf der Stelle aneinander vorbei, so dass sie jetzt in Gegenrichtung formiert waren. Dann warf sie ihren Stock in die Höhe, worauf die Gruppe sich zu einem Kreis formierte.
Schließlich trat der Ordner einen Schritt neben das Auto und ruderte mit dem linken Arm, um die Tanzgruppe an dem Auto vorbeizuleiten. Dieses Zeichen verstand der Autofahrer falsch. Er gab wieder Gas, um Anschluss an die Kapelle zu gewinnen, die inzwischen gut 100 Meter Vorsprung hatte. Dabei fuhr er mit vollem Tempo über die Bodenschwelle an der Straßenkreuzung kurz vor dem Hôtel de la Gare.
Der Zug fuhr in den Bahnhof ein. Dampf zischte, die Lok tutete ohrenbetäubend, der Knall der Explosion war fast nicht zu hören. Es war 12.29 Uhr.