Читать книгу Soulac sur Mer - Das Fanal - Jürgen Nottebaum - Страница 8

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Christine Radesky legte die Tageszeitung, den CôTE-DIEN, auf den kleinen Campingtisch im Vorzelt ihres Wohnwagens und lächelte zufrieden. Ihren Urlaub verbrachte sie schon seit vielen Jahren auf dem Camping de l’Océan. Regelmäßig nahm sie dabei abwechselnd ihre diversen Enkelkinder für eine Zeit auf, die so einen schönen Urlaub am Meer verbringen konnten. In diesem Jahr waren es die 14-jährige Mathilda und deren jüngerer Bruder Nael, die Kinder ihrer Tochter. Für zwei Wochen wurden so die Eltern einmal etwas entlastet. Und sie als Großmutter konnte nun viel Zeit mit den Kindern verbringen, die sie sonst nur selten im Jahr sah, weil man zu weit voneinander entfernt wohnte.

Ihre deutschen Freunde, ein Ehepaar mit einer netten hellen Labradorhündin, waren auch endlich auf dem Camping de l’Océan eingetroffen. Dieses Jahr viel später als üblich und wohl auch nicht für so lange wie sonst. Sei’s drum. Sie freute sich, weil sie nun endlich da waren. Warum der Aufenthalt in diesem Jahr zeitlich so anders ablief, würde sie sicher bei nächster Gelegenheit in Erfahrung bringen.

Die Ankunft der deutschen Freunde bot besten Grund für die Einladung zu einem Apéritf dînatoire, zu dem sie auch einige andere Freunde vom Campingplatz und aus l’Amélie einladen wollte.

Gérard Bréton, der pensionierte Kriminalkommissar, würde sich sicher unbändig freuen, gemeinsame Bekannte wiederzutreffen und sich genau so unbändig den leckeren Appetithäppchen zuwenden, die nun einmal zu einem echten Apéritif dînatoire gehörten. Seine Frau Babette, das ‚Cremeschnittchen‘, würde ihm zwar in nichts nachstehen, aber jeden seiner verzehrten Happen wieder einzeln nachhalten und ihm diese mit Blick auf seinen stattlichen Bauch vorwerfen.

Dazu freute Christine sich auf Valérie, die ihren Tabakwaren- und Strandartikelladen, den sie noch im Vorjahr geführt hatte, inzwischen verkauft hatte. Sie arbeitete jetzt als Leiterin des Sozialwerkes einer großen französischen Bank, die in Soulac sur Mer für ihre Angestellten und deren Familienangehörige ein großes Ferienzentrum unterhielt.

Nicht zu vergessen Joelle und Leonard aus Belgien, die zusammen mit Christine die ältesten Stammgäste des Platzes waren. Man könnte fast sagen, es sollte ein Stelldichein der Platzhirsche werden. Es gab eine Menge zu bereden. All die Dinge, die seit dem letzten Jahr passiert waren, aber auch die, die sich während des letztjährigen Urlaubes ereignet hatten, wie der spektakuläre Mordfall zum Beispiel. Für das Gelingen des Abends war es jedoch nötig, noch eine Reihe von Besorgungen zu machen.

Christine ging in den Wohnwagen und kam Sekunden später mit Stift und Papier in der Hand wieder heraus. Sie ließ sich in den Campingstuhl fallen und fingerte eine Zigarette der Packung, die griffbereit auf dem Tisch lag. Nach einem tiefen Zug blies sie genüsslich den Qualm in die Luft und blickte ihm nach, wie er sich beim Aufsteigen verwirbelte.

Der Arzt hatte ihr bei der letzten Erkrankung dringend vom Rauchen abgeraten. Drei Tage lang hatte sie sich daran gehalten. Danach hatte sie sich selbst den Kompromiss mit der E-Zigarette genehmigt. Das aber war auch nur halber Genuss. So hatte sie sich, kaum dass es ihr wieder besser ging, einen erträglichen Kompromiss zugebilligt, der ihr erlaubte, im Freien „richtig“ zu rauchen, in geschlossenen Räumen dagegen die E-Zigarette zu nutzen. Letzteres hatte den Vorteil, dass sie auch bei Einladungen oder im Restaurant inhalieren konnte. Sie fühlte sich gut dabei.

Dann sammelte sie ihre Gedanken und stellte die Einkaufsliste zusammen. Obwohl sie berücksichtigte, dass die Gäste selbstverständlich zum Gelingen des Apéro beitrugen, indem sie ihrerseits Getränke, Häppchen und Nachtisch beisteuerten, kam eine respektable Liste zusammen. Das alles alleine vom Laden in das Auto zu packen, schien ihr reichlich anstrengend. Da würden die Enkelkinder wohl mit anfassen müssen.

Wo waren die eigentlich? Christine drehte sich suchend um. Sie konnte keines der beiden entdecken. Dann fiel ihr auf, dass auch beide Fahrräder verschwunden waren.

„Sollten die etwa?“ Christine stampfte mit dem Fuß auf. Sollten die etwa doch die gut vier Kilometer nach Soulac gefahren zu sein, um sich das Festgetümmel anzuschauen? Das hatte sie extra verboten. Einmal, weil ihr das für die Kinder ohne Begleitung zu riskant erschien. Sie hatte schließlich die Verantwortung! Zum anderen aber auch, weil da in den letzten Tagen etwas vorgefallen war, was sie mit den beiden, insbesondere aber mit Nael, noch nicht aufgearbeitet hatte. Und auch Mathilda war irgendwie anders gewesen.

„Na, das wird noch ein Nachspiel haben“, schwor sie sich. „Die müssen schon eine sehr gute Entschuldigung vorbringen, sonst wird es für die beiden ziemlich ungemütlich.“

Dann griff sie nach der Liste, legte drei Einkaufsbeutel in den Kofferraum und fuhr los. Diesmal lohnte es sich, in die nächste größere Ortschaft, nach Lesparre und dort sowohl zum ‚Lidl‘ als auch zu ‚Leclerq‘ zu fahren. Außerdem konnte sie die Gelegenheit nutzen, an dem Supermarkt günstig zu tanken. Sie schaute auf die Uhr. Es war 12. 29 Uhr.

Soulac sur Mer - Das Fanal

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