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Moral, Moneten, Menschen und Millionen

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Franz Beckenbauer

Trotz elegantester Gewandung und optimaler Shampoonierung des Resthaupthaares, trotz einer zeitweilig schonungslos schaumigen Diplomatendiktion und eines Weltmanngebarens, das sich der »Welt-Präsident« (Bild) zwecks Ausübung unüberschaubar dubioser werblicher und sonstiger Fernseh- und Elitefunktionärstätigkeiten zugelegt hat bzw. von seinem frühen Förderer Robert Schwan hat antrainieren lassen, kann der gottgleich verehrte Heilsbringer allzuoft nicht verbergen, ein Giesinger Bangert geblieben zu sein, dem die Standards des zivilisierten Umgangs ein Buch mit sieben Siegeln sind. Rabiater durfte noch keine deutsche Fußballspitzenkraft herumkrakeelen. Spieler, die eine Partie – das soll im Sport vorkommen – verlieren, beschimpft Beckenbauer als Penner, ein andermal brüllt er sie vor der versammelten Presse zusammen. Oder der Unfehlbare verhöhnt die Kollegen des Bundesligaausschusses, sie dienten einer Institution, die was sei? Ein »Lachsack«.

Das ist nicht lustig, das ist traurig. Franz Beckenbauer ist eine tieftraurige, taktlose Erscheinung, ein skrupelloser Durchstecher, der bereits den eigenen Vater verachtete, weil der eine Moral besaß. »Mein Vater war ein sozial denkender Mensch«, erzählte der Filius herablassend und wuchs zum größten Asozialen des Fußballs heran. Selbst gegen seinen Entdecker, das großherzige Trainergenie Tschik Cajkovski, trat er nach: »Im Gegensatz zu unserem Bundestrainer habe ich ihn viel weinen sehen.« Bah.

Weltmeisterschaft

Eine Weltmeisterschaft schafft. Für vier Wochen den Verstand ab. Die Nerven. Die Leber. Einen Stimmungsmix aus Hingabe, habitueller Idiotie, fachsimpelnder Akribie und leidenschaftlicher Leidensfähigkeit. Und ist das Beste, was die Menschheit je ersonnen hat.

Abseits

Wer meint, es sei witzig zu erklären, daß es sinn- und witzlos sei, einer Frau zu erklären, was Abseits ist, der ist kein Witzbold, sondern ein halber Unhold, der es ohnehin nicht besser zu erklären weiß als die Frau, die es ihm dann endlich mal richtig erklärt, damit er nicht immer vor der Glotze, voll mit diversen Klaren, herumkeift, das sei »ein klares Abseits« gewesen, obwohl jede Frau glasklar gesehen hat, daß es nie und nimmer Abseits war.

Tante Käthe

In Zeiten der Debatten über »Homoehe« und »Geschlechterrollen« muß sich ein gestandener Kerl wie der Bundestrainer »Tante Käthe« rufen lassen. Früher trugen Fußballhelden z. B. den Schmucknamen »Bomber der Nation«. Wir beantragen die Umbenennung Rudi Völlers in »Onkel Emmarich« oder wenigstens »Der Mann ohne Mütze«.

Kirch-Millionen

»Es sind nicht allein die Zahlen, die eine Firma ausmachen, es sind vielmehr die Menschen«, steckte Dr. Leo Kirch Anfang April 2002 seinen Ex-Angestellten in einem »Abschiedsbrief« – und lief nicht rot an. Vielmehr pries der Unterfranke, bevor die Bildschirme schwarz wurden, das nicht länger allzu »werthaltige« Ramsch-TV posthum: »Es ging mir nicht darum, ein mächtiges, sondern – für Auge und Ohr – ein vertikal integriertes Medienunternehmen zu schaffen.« Was das bedeuten sollte, wußte er wahrscheinlich selber nicht, und deshalb krönte Kirch die Bankrottbilanz mit dem visionär sinnentleerten Satz: »Dabei haben inhaltliche Gesichtspunkte, wie ich sie immer im Blick hatte, die führende Rolle gespielt.«

Ohne Führung stehen Tausende Kirch-Menschen jetzt dumm da. Klüger wär’s gewesen, unter DFB-Boß Prof. Mayer-Vorfelder zu rackern, der es stets vorbildlich fertigbringt, »einen tiefen Schluck aus der Pulle öffentlicher Gelder zu nehmen« (M. Ringel) und hinterher stocknüchtern zu schnurren: »Ich habe ein gutes Gewissen.« Erst kommt das Trinken, dann das schlichte Katergewissen.

Fußball! Vorfälle von 1996-2007

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