Читать книгу Fußball! Vorfälle von 1996-2007 - Jürgen Roth - Страница 31
Fernsehradio
ОглавлениеIch schätze Tom Bayer, die honorig-sonore Fußballradiostimme des WDR, sehr, und ich hab’ Tom Bayer sogar mal kennengelernt. Er hatte zusammen mit Günther Koch die Bundesligapartie Bayern – Dortmund in voller Länge übertragen, und hinterher beim Bier plauderte er so charmant und fachlich brillant wie via Äther.
Ich bin also positiv voreingenommen gegenüber Tom Bayer, und deshalb ist um so bedauerlicher, was er derzeit als Premiere-Reporter bietet. Bayer tönt gewohnt freundlich und spielt die natürlichen Stärken seiner Stimme aus, aber so gewinnend der Klang, so mißlich die Gesamtanlage seiner Reportagen. Bayer beherrscht die Kunst der Radiodramaturgie aufs trefflichste, den situationsbedingt schlagartigen Wechsel zwischen Schilderung, Abschweifung, Stakkato und Crescendo, doch leider vergißt er, daß er gerade einem anderen Medium dient.
Günther Koch arbeitet nicht fürs Fernsehen. Er weiß, er sähe schlecht aus, er würde zu ausführlich, zu breit daherreden. Tom Bayer redet pausenlos, pausenlos zu breit, zu ausführlich daher. Die Dimensionen eines Werner Hansch erreicht er nicht, trotzdem tut das weh, denn er hätte es nicht nötig, jeden Kurzpaß, jeden Flankenwechsel, jede Körperdrehung, jedes Replay zu kommentieren. »Aber jetzt schauen wir erst mal hin, was Allbäck macht«, fordert er uns auf, und das müßte nicht sein.
Bayer braucht eigentlich kein Vorbild. Ausnahmsweise nehme er sich bitte eins – am eher wortkargen Premiere-Kollegen Wolf-Christoph Fuß. Radio machen im Fernsehen ist Formel-1-Fahren auf der Kartbahn.