Читать книгу Die Poesie des Biers - Jürgen Roth - Страница 45
Der oder das Radler – akzeptabel?
ОглавлениеGewiß nicht. Beides nicht. Unter keinen Umständen. Das ist klar.
Diese symptomatischen Symptome unserer am Gesundheitswahn krankenden Zivilisation, das Radler und der Radler, sind zugleich ihre beinahe schlimmsten Flüche, sie ordnen sich direkt hinter dem Atom, al-Qaida, Austern und der Arschbombe ein.
Gründlich zu preisen wären im Grunde alle Fahrraddiebe der Welt, insbesondere die in Frankfurt am Main augenblicklich äußerst agil agierenden, denn sie säubern unser Straßenbild zumindest lokal und temporär von arroganten, bewegungsfetischistischen Elementen mit nußschalenartigen Kopfbedeckungen, an die Gott bei der Schöpfung nicht gedacht hatte und über deren unheilbare geistige Verwirrung später wenigstens Flann O’Briens Roman Der dritte Polizist (1940) ordentlich Auskunft gab, indem er an Hand des Fahrrads über die unheilvolle »Atomtheorie« aufklärte.
Keiner näheren Erörterung bedarf der Radler in Gestalt des Sportlers, zu dem wir zudem den Paraphänotyp des sogenannten Radkuriers zählen müssen, der sich in ohnehin unzumutbaren Städten wie Münster und München (ergänze: Frankfurt, Freiburg, Frankenthal et cetera) zu einem Massenärgernis ohnegleichen entwickelt hat. Mastbullen in synthetischen Wurstpellen (Radlerhosen) bringen jeden Verkehr zum Erliegen und verhelfen einer furchterregenden Alltagskleidungsästhetik zum Durchbruch, vor der wir nur die Augen verschließen können. »Der Radsport soll abgeschafft werden«, forderte deshalb der Radphilosoph Michael Rudolf (Das Fahrradbuch, Leipzig 2003) im Juli 2005 in der taz.
Auch gegen das Radler erhob er ebenda die Stimme, denn das Radler ist sehr übel und untrinkbar. Das entsetzliche Mischgetränk wurde im Sommer 1922 vom Wirt der Kugler Alm, dem ehemaligen Gleisarbeiter Franz Xaver Kugler, erfunden. Noch heute zieht das in Rede stehende Etablissement in Oberhaching nahe München-Süd Tausende von Radlern an, die nach nichts anderem trachten, als ihrem frevlerischen Tun durch den Verzehr einer »Radlermaß« (Bier mit Zitronenlimo) die Krone aufzusetzen.
Für seine Innovation gehörte Kugler post mortem aufs Rad geflochten. Die Frankfurter Henninger-Bräu, die 1994 anläßlich der dreiunddreißigsten Auflage des Radrennens »Rund um den Henninger-Turm« das erste industriell gefertigte Radler auf den Markt kippte, ist hernach verdientermaßen in die Klauen des Konkurrenten Binding gefallen. Im Verbund mit anderen professionellen Schändern des Biergedankens überschwemmt man seither allerdings die Welt mit einer apokalyptischen Zahl von Bräumixturen, allesamt Abkömmlinge des »verkotzten« (Ror Wolf) Radlers: Alsterwasser, Diesel, Moorwasser, Neger, Dreckiges, Schweinebier, Panasch, Wurstwasser sowie, unter Beigabe von Weißbier, Bananenweizen und Russ’.
Kurzum: Könnte man gegen die und gegen das Radler nicht die Bundeswehr einsetzen? Verfassungskonform wäre das sicher. Andernfalls sei landesweit ein Gesetz zum Nichtradlerschutz einzubringen. Radlerfreie Kneipen sind überfällig, zum Erhalt der geistigen Volksgesundheit.