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Mosers Mühen

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Nun, wie ist’s denn gewesen beim Bockbieranstich, fragt Moser. Nicht schlecht, nicht schlecht, aber ganz schön heftig, ganz schön deftig, sagt Kenzmann.

Du, verstehst, ich hob’s net a so mit dem Bock, verstehst, sagt Moser. Moser nimmt einen Schluck Weizen. Naa, mit dem Bock, des homma net a so.

Moser fährt den rechten Zeigefinger aus und schiebt mit dem schon länger nicht mehr geschnittenen Fingernagel die Brille zurück auf den breiten Nasensattel.

Du, mir kenna uns ja, sagt Moser, des wär’ nix. Wenn mir Bock trinken tät’n, naa. Auf ei’m Bein steh’n ma net, logo, und wir mög’n uns ja auch, deshalb wer’n des fünfzehn, fünfzehn Bock.

Moser nimmt einen Schluck aus dem Weizenbierglas. Der Willi Winkler, sagt Kenzmann, von dem weiß ich, daß der mit Bockbier aufgezogen wurde. Der wurde mit Bockbier aufgezogen, so, wie Friedrich II. mit Biersuppe aufgezogen wurde.

Ach, wirft Moser ein und greift zum Bierglas. Ja, mit Bier, sagt Kenzmann. Oder mit einer Suppe aus Bier. Ich weiß nicht, ob Willi Winkler Biersuppe bekam, aber Friedrich II. bekam Biersuppe. »Unsere Väter hatten nur das Bier, und das ist das Getränk, das für unser Klima paßt«, hat der Friedrich gesagt.

Das ist richtig, sagt Moser und stellt das Bierglas vorsichtig auf den Bierfilz.

Der Willi Winkler wurde mit Bockbier aufgezogen, sagt Kenzmann, und zwar nicht einfach mit irgendeinem Bock, sondern mit dem Operator! Kenzmann hebt die Stimme. Mit dem Operator wurde der ernährt, von Kindesbeinen an!

Scho’ recht, sagt Moser.

Der Operator, sagt Kenzmann, ist ein Doppelbock. Man muß sich das mal vorstellen! Mit Doppelbockbier aufzuwachsen, ja mit Doppelbockbier aufgezogen und in die Welt geschickt zu werden, das ist doch schon mal was!

Moser schaut Kenzmann an. Der ist aus Odelzhausen, sagt Kenzmann, Spitzenklasse. Der Operator.

Hör mal, sagt Moser, ich war in Regensburg und hob’ Palmator getrunken. In Regensburg, verstehst. Einen Palmator nach dem anderen. Der Palmator, der ging nur so rein. Ich wußt’ ja gar nicht, was ein Palmator alles kann. Fünf Palmator war’n des, fünf über ’n Jordan, ich sag’s. Du, meine Freundin, du, ich hob’ die, ich hob’, na, ich hob’ von der Bockbierverbot bekommen. Hinterher.

Aber der Palmator hat doch nur eineinhalb Prozent mehr als so ein Weizen, sagt Kenzmann. Das kann doch nicht so schwer sein mit dem Bock.

Du, sagt Moser, ich trink’ locker meine acht, neun Weizen, aber beim Bock, naa. Vier über ’n Jordan. Wenn du, hör zu, zwei Bock trinkst, sind des alkoholprozentig approximativ zweieinhalb Weizen. Es sind aber, Mosers Stimme klettert in die Höhe, mehr als zweieinhalb Weizen! Da is’ was anderes drin im Bock. Im Bock is’ was im Busch, hehe.

Moser lacht und greift zum Weizen.

Hör, des is’ schwierig mit dem Bock, beginnt Moser wieder. Wenn ich mal so vierkommaneun annehme beim Weizen und sechsvier beim Bock, dann dürften zwei oder sechs Bock kei’ Problem sein. Aber, Moser hebt den rechten Zeigefinger, zwei Bock sind mehr als zwei Bock! Im Bock is’ ein Mehr an irgendwas! Es is’ unfaßbar. Unfaßbar ist des mit dem Bock!

Moser hält inne. Also, sagt er jetzt und nimmt noch rasch einen Schluck, im Bock ist ein anderer Alkohol. Da ist jedenfalls ein irgendwie etwas Anderes im Bock als im Weizen. Oder, sagen wir, auch im Hellen. Jedenfalls ist im Bock ein anderer Alkohol. Du trinkst dieses Bockbier und hast mehr Alkohol drin, als im Bockbier drin is’. Arithmetisch is’ des unmöglich, ich sag’s dir, unmöglich, imponderabel is’ des! Aber es ist so!

Kenzmann sagt nichts, und Moser sagt, der Alkohol im Bock sei immensurabel. Du saufst halt nicht, erklärt Moser, ein’ Schnaps mit 18 Prozent, sondern mit 80 Prozent. Mir sann auf vierneun geeicht, verstehst, und deshalb haut die Rechnung net hin. Nie haut die hin.

Moser haut wie zur Bestätigung seiner Rechnung mit der rechten Hand auf den Tisch und ruft: Superfalle Bock! Er ordert ein neues Weizen und sagt, gern würde er Bockbier trinken können, sehr gern. Aber mir ham a Problem drauf: Mir spei’n drauf. Des is’ subito klar. Des is’ der integrierte Schnapsfaktor im Bock.

Vielleicht gebe es da so gewisse Alkoholfamilien, sagt Kenzmann, Verträglichkeitsverhältnisse zwischen Getränken und Trinkenden. Der eine könne, der andere nicht. Der eine könne das und das, der andere das und das aber nicht. Auch zwischen Bier und bestimmten Schnäpsen gebe es ja Unverträglichkeiten, ganz furchtbare Interferenzen.

Sicher, sagt Moser, Bier und Whiskey geht, im Prinzip, Bier und Klare, des geht nicht.

Aber das sei doch Usus, sagt Kenzmann, zum Bier einen Klaren zu trinken. So sei das doch gewöhnlich.

Das sei ja die Sauerei, fährt Moser auf, daß das mit diesem Drecksschnaps, mit diesen Sauschnäpsen einfach so hingenommen und gemacht werde! Manche Sachen, sicher, die kann man halt wegbuchsen, ohne weiteres, zehn, elf Weizen, kein Problem, aber Tequila, hör mir auf mit Tequila! Das seh’ ich doch, was aus dem Tequila folgt! Mitten hinein in die Gifthölle marschieren die, Moser zeigt zum Tresen, rein in den Schnapssumpf reiten die, schreit Moser jetzt, jeden Abend!

Nein, Tequila würd’ ich ablehnen, sagt Moser nach einem frischen Schluck Weizen. Wodka ja. Aber Wodka hob’ ich Jahre net mehr getrunken. Ich hob’ Wodkaräusche gehaaaabt, Moser zieht die Stimme in die Länge und mit dem rechten Arm einen weiten Halbkreis, des kannst dir net vorstell’n. Wodka, sag’ ich heut’, Wodka – nur ein’. Und den mit Verstand.

Schnaps mit Verstand? fragt Kenzmann.

Du kriegst ein’ Wodka, sagt Moser, und du sagst: Das ist ein Wodka. Und das war ein Wodka.

Kenzmann winkt nach einem Weizen und fragt: Welchen Schnaps kann man denn dann überhaupt zum Bier trinken?

Keinen! brüllt Moser, er brüllt tatsächlich, warum brüllt er bloß? Hör zu! brüllt er, ja, er höre ja zu, sagt Kenzmann, hör zu, sagt Moser, der Hugo, mein Freund, der Hugo braucht den Schnaps, der braucht den so, und der braucht den zum Bier, der braucht den, weil er, weißt, weil er Depri hat. Der ruft mich an und sagt: Laß uns ein’ trinken, aber der meint nicht Bier. Der meint: Schnaps trinken.

Moser dreht den Kopf zur Seite. Mühsam greift er unter den Tisch und hebt seine Zigaretten auf. Aber ich möcht’ nich’ in diese Bratzkigemeinde, sagt Moser jetzt ruhig, weißt, der Hugo is’ mei’ Freund, aber ich möcht’ net. Bratzkischnapski. Aber der Hugo, der is’ mei’ Freund, und dann sitzma da, und dann is’ der Hugo wieder klug zu seiner Umwelt und sagt: Schau dir die Scheißumwelt da draußen wieder an. Und trinkt seinen Schnaps. Und diese Klugheit verdankt der Hugo dem Schnaps. Irgendwie.

Ich hob’ dem Hugo gestern g’sagt, sagt Moser nach einer kurzen Pause und einem Zug von der Zigarette: Hugo, hör zu, da führ’n wir uns jetz’ halt ein paar Weizen rein. Schnaps, Hugo, Schnaps, schön und gut, aber so geht’s nicht! So geht es natürlich nicht! Das ist pejorativ, Hugo. Das ist äußerst pejorativ, Hugo, hob’ ich dem Hugo g’sagt, aber Weizen, sag’ ich, Weizen geht. Ein Weizen geht noch. Eins geht immer.

Ja, sagt Kenzmann und schiebt seinen Stuhl nach hinten, ich muß jetzt los, leider.

Ja, geh ruhig, sagt Moser und winkt der Bedienung.

Die Poesie des Biers

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