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Karnevalskirche

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Weh euch, die ihr schon früh am Morgen

hinter dem Bier her seid.

Jes 5,11

Bevor ich vergangenen Sonntag nach dem Frühschoppen die Schankstube der Baunacher Brauerei Sippel verließ, um dem sich ankündigenden fränkischen Faschingsumzugsgelärme und den fanatisch alkoholisierten Festbürgern zu entkommen, ließ ich das Würzburger katholische Sonntagsblatt mitgehen, Ausgabe 4/2002 der »Kirchenzeitung der Diözese Würzburg«; und im friedfertiger gesinnten Nachbarort, in Reckendorf, stieß ich beim rotbraunen Schroll Lager auf die Überschrift »Und Gott lacht mit, weil er euch liebt«.

Gott lacht? War das nicht ein besonders moderner Blödsinn, ein häretischer Quatsch, eine sündhafte Fehllehre?

Seit der Scholastik ist ausgemacht, daß Gott, das allmächtige und vollkommene Wesen, keinen Grund zum Lachen haben kann und demzufolge nicht mal gickert. Gott lacht nie, Gott schweigt, schaut und schläft. Gott lacht? Ha! Daß ich nicht lache. Dem Lachen eigne etwas »Lichtfeindliches«, etwas luziferisch Böses, äußerte Baudelaire (Vom Wesen des Lachens). Ihm dämmerte gar, »das Lachen sei Anzeichen von Schwäche«, von Glaubensferne, scheppernde Kunde von der Ankunft des Fürsten der nahenden Finsternis. Und jetzt, mitten in den frühlingsfunkelnden östlichen Haßbergen, zwischen Bamberg und Haßfurt, dem Domizil des erbitterten Kirchenkritikers Karlheinz Deschner, empfing ich via Sonntagsblatt aus Priestermunde die sonntägliche Frohbotschaft, »daß das Lachen zur Natur des Menschen gehört. Und es ist eine Botschaft, daß hinter allem das unendliche Lachen des Schöpfers steht.«

Nun mag das Lachen laut Freud »die sozialste aller auf Lustgewinn zielenden seelischen Leistungen sein« oder zur Kompensation des Triebverzichts dienen; daß indes Gott den lieben langen Tag und bis in alle Hegelsche Unendlichkeit nichts anderes tut, als zu gakkern und herumzuwiehern, konnte nur ein schlechter Scherz sein. Allein, das Sonntagsblatt, ich traute meinen Augen kaum, feierte nicht bloß den, was es alles gibt, kürzlich stattgehabten »sechsten ökumenischen Wortgottesdienst der Karnevalisten« in der Würzburger Augustinerkirche (wäre’s wenigstens der Münchner Augustinerkeller gewesen), sondern führte zudem aus: »Außerdem hat Fasching einen christlichen Hintergrund, es steckt ein tiefer Sinn dahinter.«

Es ist wohl eher der, so Michail Bachtin, plane weltliche Unsinn der Maskerade und der diffus erotischen Exaltation; was Pater Adalbert Müller faschingsenerviert nicht daran hinderte, folgenden Predigtwitz zu reißen: »Herr Pater, ich habe Ihre Predigt gehört, sagte mir jemand. Meine letzte? fragte ich. Hoffentlich, war die Antwort.«

Zum Schießen, fürwahr. »Der Witz gefiel den Mitgliedern der mehr als zwanzig Faschingsgesellschaften«, erläuterte das Sonntagsblatt und fuhr fort: »Der Prior selbst kann lachen«, ja, dito »dem evangelischen Pfarrer Peter Laudi […] machte der Gottesdienst Spaß«, einen Heidenspaß.

Welch gottverlassenes, kurios katastrophales Treiben. »Ihr Narren seid ein frommer Haufen, ihr seid fröhlich, frei und flott. Es geht euch gar nicht um das Saufen, im Grunde geht es euch um Gott«, schäkerte Laudi. »Am Ende gab’s Applaus«, und »dann zogen Pfarrer, Prinzenpaar und Faschingsnarren zur Musik des Spielmannszuges der Ranzengarde ins Bürgerspital – feiern!«

Offenbar goes heute weiß Gott anything. »Der Witz«, heißt es bei Jean Paul ahnungsvoll, »ist der verkleidete Priester, der jedes Paar traut«, die klerikale Pappnase, die die Karnevalsschafe humorökumenisch eint und »zu Frohheit und Scherz« (Witzprofessor Kuno Fischer) animiert.

Angesichts solch trostloser Umtriebe las ich doch lieber und wahrlich vergnügter in der BamS von ebendiesem 3. Februar, daß die Karnevalsmaske Marke »Edmund Stoiber« der H. Krautwurst GmbH bei 19,25 Euro Erstehungskosten immerhin auch das giftigste sämtlicher handelsüblicher Gummigesichter ist und es während einer »Ausgasungsmessung« auf »21 flüchtige organische Verbindungen« brachte – Verbindungen, die verträglicher, quasi organischer sein dürften als diejenigen zwischen Karneval und Kirche, zwischen beinharter Komik und verweichlichtem Katholizismus, jenseits der Wirklichkeitswelt des Bieres.

Die Poesie des Biers

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