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Auf Hemdknopfhöhe

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Wenn Michael Jackson der »Bierpapst« ist – welcher Titel aber presseoffiziell ebenfalls dem Kollegen Michael Rudolf sowie meiner Wenigkeit verliehen wurde –, dann darf man Conrad Seidl, den seit Jahren von Österreich aus etwa über Hopfen und Malz (Wien 1995) und Unser Bier (Wien 1996) skribierenden Standard-Journalisten, eventuell zum Bierkardinal küren, also zum erlauchten Assistenten des apostolischen Bierstuhlinhabers.

Allein, Seidl, dessen Nachname sich mitnichten der Anleihe bei einer bayerischen Bierglasgröße verdankt, strebt offenbar ein Schisma an. Er betreibt die Website www.bierpapst.cc, und in der überarbeiteten Neuausgabe seines dreihundert Seiten starken Bier-Katechismus (Wien 2005) legt er unumwunden fest: »›Bierpapst‹ ist auch eine geschützte Marke – es darf keine anderen Bierpäpste neben Conrad Seidl geben.« Doch völlig neben der Kappe ist auch Conrad Seidl, seines unheiligen Zeichens Experte für »personal branding« (www.bierpapst.cc) und Autor des »Buches« Die Marke ICH, nicht immer, weshalb er zwei »andere Bier-Gurus und Bier-Jäger« toleriert, u. a. Herrn Jackson.

Fachlich, das sei zudem ohne Umschweife konzediert, können Seidl wenige das Bier reichen. Sein Bier-Katechismus handelt in 591 Texthappen souverän vielerlei gängige und im Volksbewußtsein dennoch nach wie vor nicht hinreichend präsente Fragen biergeschichtlicher und -typologischer, ökonomischer, brautechnischer und trinkpragmatischer Art ab, so daß sich das Vademekum den Untertitel Was Sie schon immer über Bier wissen wollten redlich verdient hat.

Daß in den USA daran gearbeitet wird, aus Rückständen, die bei der Bierproduktion anfallen, Papier herzustellen, wußten noch nicht mal wir. Und daß »unter den bedeutenden Biermarken der Welt« mittlerweile »keine einzige deutsche« mehr ist, muß keineswegs ausschließlich am grassierenden Raubrittertum der globalen Biermultis liegen, sondern könnte gleichfalls der vielbeschworenen Qualität hiesiger Premiumbräus geschuldet sein.

»Qualität«, stellt Seidl im Kapitel »Bierqualität kritisch hinterfragt« klar, bedeute »zunächst eigentlich nur ›Beschaffenheit‹«. Um einen nahezu Hegelschen Satz von Uli Stielike, dem ehemaligen Brauknecht des Ex-Fußballnationaltrainers Erich Ribbeck, geringfügig zu variieren: »Das Problem des deutschen Biers ist der Mangel an Quantität der Qualität.«

Die schönste Ausführung in Seidls lebensertüchtigendem Lehrbuch entnehmen wir derweil der Abteilung »Zum Wohle!«: »Wenn man das erstemal in einer Runde das Glas oder den Bierkrug hebt, so winkelt man den rechten Arm so an, daß der Oberarm in Schulterhöhe waagrecht gehalten wird und der Unterarm das Trinkgefäß etwa vor dem zweiten Hemdknopf hält. Nun wartet man, bis alle ihr Glas gehoben haben, dann wird, wenn die Runde nicht zu groß dafür ist, gemeinsam angestoßen und gleichzeitig [sic!] zum Trinken angesetzt. Nach dem Trinken wird das Biergefäß wieder in Höhe des zweiten Hemdknopfes vor der Brust gehalten und gewartet, bis alle mit dem ersten Schluck fertig sind. Erst dann darf das Glas oder der Krug abgestellt werden.«

Auswendig lernen und beim nächsten Kneipenbesuch ausdruckstänzerisch umsetzen, Linkshänder und Pulloverträger inklusive!

Die Poesie des Biers

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