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Boom, bumm, batsch

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Daß Menschen beiderlei Geschlechts Sport treiben, ganz gleich, welchen – bon, soll ja das Übelste nicht sein. Daß manche mit dem Sport ihren Lebensunterhalt bestreiten oder zu bestreiten versuchen, auch das ist weder beklagens- noch tadelnswert, sondern schlicht eine Option in der zur Gänze kapitalisierten Welt. Allein, was halten wir davon, daß beispielsweise der DFB auf seiner Website prophezeit, während der Frauenfußball-WM werde »eine ganze Nation« hinter den deutschen Damen stehen, wie ein Mann am Ende gar? Ist da nicht der durch die Gier nach noch mehr Geld genährte Wunsch der Vater des platten Gedankens, das Publikum in solch heißgeliebte Stadien wie jene in Augsburg, Dresden, Sinsheim und Leverkusen zu locken? Oder ist’s, im Gegenteil, lediglich Ausdruck eines Gratisgesinnungsträgertums, das die eher mühsam und verkrampft erzeugte mediale Aufmerksamkeit gegenüber dem Frauenfußball mit gesellschaftlicher Anerkennung oder Emanzipation verwechselt?

Kann sich noch jemand daran erinnern, daß anläßlich der Bekanntgabe der WM-Spielorte am 30. September 2008 in Berlin die sogenannte Top-Elf für 2011 präsentiert wurde, um die Promotion irgendwie anzuleiern? Eine symbolische Mannschaft u. a. mit Maria Furtwängler, Franziska van Almsick und Nena? Sowie ausgerechnet mit der Sportskanone Angela Merkel als »Teamchefin«? Hat diese Quatschtruppe irgend etwas bewirkt oder angeschoben oder angestoßen?

Vermögen wir ernst zu nehmen, was die deutsche Nationaltrainerin Silvia Neid vor kurzem gegenüber den Ruhr Nachrichten geäußert hat? Glaubt sie selber, »daß die Entwicklung so bombastisch ist«? »Vieles wird jetzt hochgepusht«, fuhr Neid fort, »und ich bin überzeugt, es wird einiges hängenbleiben. Der Frauenfußball ist gewachsen, die Nationalmannschaft ist voll anerkannt, die Stadien sind bei Länderspielen voll.« Das kann man, anders als im Fall der Männer, auch anders sehen, und gerne verraten wir an dieser Stelle, daß wir ein paar ehemalige Nationalspielerinnen kennen, die im kleinen Kreis offen zugeben, sich niemals ein Frauenfußballspiel anzuschauen und ausschließlich der Herrenvariante zu frönen.

»Aus dem Schatten der Männer zu treten wird schwer, wenn nicht unmöglich«, heißt es in der Zeit – und weiter: »Die WM-Botschafterin Renate Lingor warnt vor dem Turnier in Deutschland: ›Bloß kein Schnellschuß.‹ Bloß nicht überlaufen lassen von produzierten Barbie-Puppen, Werbeangeboten und Fernsehübertragungen. Im Laufe von fünf bis zehn Jahren sollen die Zuschauerzahlen der Frauenbundesliga Schritt für Schritt gesteigert werden. Die Vereine sollen professionellere Strukturen erhalten.«

Deutliche Worte fand Turbine Potsdams Trainer Bernd Schröder im kicker, in der taz und im Spiegel. Nicht nur, daß bei weitem nicht alle Bundesligaspielerinnen vom Sport leben können und die Liga auch auf Grund des erbärmlichen Zuschauerzuspruchs nach wie vor alimentiert werden muß, Schröder glaubt darüber hinaus »nicht an den großen Boom«, hält den Frauenfußball für »ausgereizt«, und vor der WM, an der neben drei, vier Titelaspiranten mehr als zehn Versuchsfußballteams teilnehmen, graust es ihn regelrecht.

Zum Pokalfinale im März in Köln kamen weniger Zuschauer als vergangenes Jahr, das Champions-League-Endspiel im Mai in London verfolgten gerade mal 10.000 Menschen vor Ort. Mochte sich ARD-Reporter Bernd Schmelzer in Köln angesichts des auf der Tribüne präsidierenden WM-Schirmherrn Christian Wulff unmittelbar nach einem wüsten Foul auch zu dem Edelsatz hinreißen lassen: »Er hat sich als großer Fan des Frauenfußballs geoutet«, so treffen wir unvermindert auf eine große Zahl von Menschen, die behaupten, Frauenfußball sei so interessant wie Blaubeeren zählen und habe mit dem Kampf um den Ball so viel zu tun wie dreimal pro Woche Kaviar mit Hartz IV.

Von einer »Spielphilosophie«, die Schmelzer in den Reihen der Potsdamerinnen ausgemacht hatte, wäre vermutlich auch unter einem in der Nanotechnologie eingesetzten Mikroskop nichts zu gewahren gewesen. Derart argumentieren nicht wenige der wenigen, die in Sportbars und Kneipen gelegentlich ein Match zwischen Damen begutachten. Ihre ostentative Gleichgültigkeit korrespondiert mit seltenen, stereotypen Äußerungen: einem abgehackten »Ooo«, einem kurz angetäuschten »Uuu« und einem butterweichen Zweifachklatschen. Dann folgt: »Ach, was guck’ ich mir so was an.«

Wir wollen niemandem zu nahe treten, aber wer – wie Bernd Schmelzer – in spielerische Trägheit, mitunter Unbeholfenheit Erregung hineinkünstelt, nimmt die Realität nicht wahr und exekutiert nur mehr die Gesetze einer um des Profits und der Mobilisierung willen hysterisierten und nahezu vollständig verdummten Medienindustrie.

»Das ist Kinderfußball«, sagt jetzt einer. Die vier Frauen in der Kneipe interessiert das Pokalfinale nicht die griechische Bohne. Und Sia, die hübsche Bedienung, meint: »Fußball ist ein Sport für Männer. Guckt euch die an! Das sind keine Frauen.«

Müssen wir noch den Spiegel bemühen, um von einem »herbeigeredeten Boom« zu sprechen? Nein, der angebliche Frauenfußballboom fällt so rasch wieder um wie in manchen Familien der Watschenbaum. Boom, bumm, batsch.

Nur noch Fußball!

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