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1.5 Ziele und Fragestellungen

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Im Rahmen der Betriebswirtschaftslehre ergeben sich eine ganze Reihe von unternehmerischen Zielen mit den daraus abgeleiteten finanzwirtschaftlichen Zielen und den daran anknüpfenden Fragen, die im weiteren Verlauf relevant sind.

Hinsichtlich der Zielkriterien unterscheidet man in der Literatur häufig die Kategorien

• quantifizierbare/qualitative Ziele,

• Leistungs-, Erfolgs- und Finanzziele sowie

• komplementäre, konkurrierende und indifferente Ziele.

Quantifizierbare Ziele lassen sich in Mengen oder Preisen ausdrücken. So lässt sich die geplante Absatzmenge in Stückzahlen oder Tonnagen angeben, oder aber der geplante Umsatzerlös einer Abrechnungsperiode in € oder $.

Qualitative Ziele haben zunächst einmal den Nachteil, dass sie sich aufgrund ihres Charakters nicht direkt in Geld- oder Mengengrößen ausdrücken lassen und damit schwerer zu greifen sind als die quantifizierbaren Ziele. Sie sind aber häufig nicht minder wichtig. So sind die Erlangung von Marktmacht oder aber eine möglichst hohe Kreditwürdigkeit bei den Kreditinstituten typische qualitative Ziele, die sich dann aber bei näherer Betrachtung im nächsten Schritt sehr wohl quantifizieren lassen. So führt die Marktmacht zwangsläufig im Zeitablauf zu einem entsprechenden Umsatzvolumen verbunden mit einer »akzeptablen« Gewinnmarge, während sich eine hohe Kreditwürdigkeit später in einer guten Bonität verbunden mit niedrigen Fremdkapitalzinsen widerspiegelt.

Leistungsziele leiten sich i. d. R. aus den strategischen, d. h. langfristigen, von der Unternehmensleitung vorgegebenen Zielen ab. Die Struktur des Produktionsprogramms bspw. wäre ein typisches Leistungsziel, das normalerweise langfristig geplant von der Geschäftsleitung vorgegeben wird.

Erfolgsziele knüpfen an den Leistungszielen an und werden häufig zwischen der Unternehmensführung und den operativen Einheiten des Unternehmens vereinbart. Die Planung des Umsatzvolumens (in Geldeinheiten) verbunden mit einer vorgegebenen Umsatzrentabilität (Gewinn in Relation zum Umsatzerlös) sind typische Erfolgsziele.

Finanzziele haben innerhalb der Zielkriterien häufig ein Alleinstellungsmerkmal. Innerhalb der Finanzziele werden bestimmte Vereinbarungen festgelegt, die den Fortbestand des Unternehmens sowohl kurz-, mittel- als auch langfristig sichern müssen. Die jederzeitige Zahlungsbereitschaft des Unternehmens ist ein bedeutendes finanzwirtschaftliches Ziel.

Die komplementären Ziele fördern sich in ihrem Zielerreichungsgrad gegenseitig, d. h. je höher der Zielerreichungsgrad des einen, desto höher auch der Zielerreichungsgrad des anderen Ziels. Gewinn und Dividende sind typische komplementäre Ziele, denn je höher der Gewinn einer Abrechnungsperiode, desto höher ist die mögliche Dividendenausschüttung (Gewinn/Aktie).

Problematisch sind die in der Praxis häufiger anzutreffenden konkurrierenden Zielbeziehungen. Hier wirken sich die Ziele kontraproduktiv aufeinander aus. Hohe Liquiditätsbestände und eine hohe Umsatzrentabilität sind konkurrierende Zielbeziehungen, denn je mehr liquide Mittel in den Barreserven eines Unternehmens gebunden sind, desto weniger Kapital steht zur Verfügung, um es produktiv und damit gewinnbringend arbeiten zu lassen.

Noch gravierender zeigt sich eine konkurrierende Zielbeziehung bei der Frage nach der Höhe des haftenden Eigenkapitals. Aus Sicht der Kredit gebenden Banken oder um drohende Überschuldungen zu vermeiden, sollte das Eigenkapital möglichst hoch, aus Sicht der Eigenkapitalverzinsung – mit Blick auf die so genannte Eigenkapitalrentabilität – möglichst niedrig sein. Hier offenbart sich der Zielkonflikt folglich bei einer einzigen Größe, nämlich dem Eigenkapital.


mit:

EKR = Eigenkapitalrentabilität

G = Gewinn

EK = Eigenkapital

EKQ = Eigenkapitalquote

BS = Bilanzsumme

Bei der Eigenkapitalrentabilität ist das Eigenkapital die Bezugsgröße, d. h., es steht im Nenner, bei der Eigenkapitalquote ist es die Ausgangsgröße, d. h. es steht im Zähler. Im vorliegenden Beispiel beträgt die Verzinsung des eingesetzten Eigenkapitals 10 % und ist damit, wie später noch zu zeigen sein wird, eher zu gering, während die Eigenkapitalquote mit 25 % einen annehmbaren Wert aufweist. Würde man nun, unter sonst gleichen Bedingungen, der Unternehmung 50 TEUR Eigenkapital zu Gunsten von Fremdkapital entziehen, würde zwar die Rentabilität auf 20 % ansteigen, jedoch wäre nun die Eigenkapitalquote aus Risikoaspekten heraus mit 12,5 % eher zu gering.


Wie hoch sollte folglich das Eigenkapital sein? Eine wirklich schwer zu beantwortende Frage.10 Wiederum unproblematisch sind indifferente Zielbeziehungen, denn hierbei geht es um Ziele, die nichts miteinander zu tun haben und die sich folglich auch nicht in ihren Erreichungsgraden behindern.

Nachfolgend sind zu den einzelnen Zielkriterien einige Beispiele dargestellt.



Abb. 13: Finanzwirtschaftliche Zielkriterien

ZielkriteriumBeispiel

Was sind nun die wichtigsten unternehmerischen Ziele aus finanzwirtschaftlicher Sicht, die für das vorliegende Buch bedeutsam sind?


Abb. 14: Die wichtigsten finanzwirtschaftlichen Ziele

Die Rentabilität als erstes quantitatives Ziel ist allgemein Ausdruck des Gewinnstrebens eines Unternehmens.11 Je nach vorgegebenem Zeithorizont unterscheidet man verschiedene Rentabilitätsmaximierungsmöglichkeiten.

• Einkommensmaximierung = Maximierung der periodischen Ausschüttungen an die Anteilseigner des Unternehmens, wobei sich die Ausschüttung am Jahresergebnis orientiert.

• Endvermögensmaximierung = Maximierung des am Ende des Planungshorizontes vorhandene Vermögen (z. B. nach 10 Jahren).

Neben der Rentabilität ist die Liquidität das zweite wichtige quantitative Ziel. Liquidität kann unterschiedlich verstanden und interpretiert werden, bspw. als

• positiver Zahlungsmittelbestand,

• Eigenschaft von Vermögensgütern, in Zahlungsmittel umgewandelt werden zu können,

• Deckungsverhältnis von bestimmten Vermögensteilen zu bestimmten Schulden (Liquiditätsgrade), oder aber als

• Eigenschaft des Unternehmens, seinen Zahlungsverpflichtungen zu jedem Zeitpunkt nachkommen zu können (jederzeitige Zahlungsfähigkeit).

Die Sicherheit stellt das erste bedeutende qualitative finanzwirtschaftliche Ziel dar. Verstanden wird es hier in Form der Minimierung von

• Geschäftsrisiken (betriebswirtschaftliche Risiken) und

• aktuell besonders Zinsänderungsrisiken (volkswirtschaftliche Risiken).

Neben der Sicherheit ist die Unabhängigkeit das zweite qualitative finanzwirtschaftliche Ziel. Man findet die Unabhängigkeit in Form der

• Dispositionsfreiheit des Unternehmers und der

• finanziellen Flexibilität

vor.

Als Fazit der finanzwirtschaftlichen Ziele bleibt festzuhalten: Das finanzwirtschaftliche quantitative Hauptziel ist die Steigerung der Rentabilität. Die finanzwirtschaftliche quantitative Nebenbedingung ist die Sicherung der jederzeitigen Zahlungsbereitschaft (Liquidität) des Unternehmens. Da aus den Zielbeziehungen heraus bereits klar geworden ist, dass es sich bei diesen beiden Zielen um konkurrierende Ziele handelt, ist die Frage, wie dem in der Realität zu begegnen ist.

Allgemein kann als unternehmerische Maxime festgehalten werden, dass man die Liquidität möglichst niedrig halten sollte, um das überschüssige Geld zur Steigerung der Rentabilität investiv einsetzen zu können. Was aber bedeutet eine »möglichst niedrige Liquidität«? Genau mit dieser Fragestellung beschäftigt sich der Finanz- und Liquiditätsplan, denn in ihm werden die voraussichtlichen Ein- und Auszahlungen so aufeinander abgestimmt, dass einerseits die jederzeitige Zahlungsbereitschaft gewährleistet ist (ausreichende Liquidität als quantitative Nebenbedingung) und andererseits nicht benötigte Liquidität an den betrieblichen Prozess abgegeben werden kann, um die Rentabilität steigern zu können (quantitatives Hauptziel).

Aus dem oben beschriebenen Zielsystem des Unternehmens leiten sich finanzwirtschaftliche Fragestellungen ab, die inhaltlich in den nächsten Kapiteln zu diskutieren sein werden:

• Wie wird das erforderliche Kapital des Unternehmens aufgebracht und wie hoch sind die daraus resultierenden Kapitalkosten?

• Mit dieser Frage beschäftigt sich das 2. Kapitel, wobei die Formen der Innen- und Außenfinanzierung bzw. der Eigen- und Fremdfinanzierung zu erläutern sind auch unter dem Aspekt, dass es möglicherweise zwischen Großunternehmen und kleinen und mittelständischen Unternehmen Unterschiede gibt.

• Welchen finanzwirtschaftlichen Erkenntniswert kann man aus dem Jahresabschluss eines Unternehmens ziehen?

• Nachdem zunächst der Jahresabschluss (Bilanz und Gewinn- und Verlustrechnung) entsprechend aufbereitet wird, sollen später Kennzahlen aus den Bereichen Investition, Finanzierung, Liquidität, Rentabilität und Erfolg hier Licht ins Dunkle bringen.

• Gibt es einen optimalen Verschuldungsgrad?

• Die Frage, ob es ein optimales Verhältnis von Fremd- zu Eigenkapital (Verschuldungsgrad) in einem Unternehmen gibt, wird im Zuge des so genannten Leverage-Effektes später in diesem Buch noch behandelt.

• Wie kann man die Bonität eines Unternehmens messen, um Rückschlüsse auf mögliche Kreditwürdigkeitsprüfungen durch die Banken zu erhalten und wie sensitiv reagieren diese Bonitätsmaße auf sich verändernde Umweltzustände?

• Mit der Scoring-Methode, der Faktorenanalyse, vor allem aber der multiplen Diskriminanzanalyse stehen geeignete Bonitätsmaße zur Verfügung, die Aufschluss über diese Fragestellung geben und die sich ebenso einer Sensitivitätsanalyse unterziehen lassen.

• Wie hoch ist das zu finanzierende Volumen, also der Kapitalbedarf, der zur Aufrechterhaltung des Betriebsprozesses notwendig ist?

Angesprochen wird hier die Gewährleistung der jederzeitigen Zahlungsbereitschaft des Unternehmens (Liquidität) und die Kongruenz zwischen Finanzierungsvolumen und Investitionsbedarf. Aufschlüsse hierzu erlangt man durch die Aufstellung von Finanz- und Liquiditätsplänen.

• Welche (finanziellen) Risiken stecken in einem Unternehmen und wie lassen sich diese darstellen?

• Mit den Instrumentarien des Risikomanagements kann man auf diese Frage Antworten erhalten und diese sehr anschaulich darstellen.

• Welche Auswirkungen haben die neuen Kreditvergaberichtlinien nach Basel III auf die Kreditbeschaffungsmöglichkeiten des Unternehmens.

• Eine Reihe quantitativer und qualitativer Faktoren bilden die Basis für ein adäquates Unternehmensrating, was auch mittels geeigneter Software dargestellt werden kann.

• Wie hoch ist der Unternehmenswert?

Eine Reihe von potentiellen Verfahren haben sich im Laufe der letzten Jahrzehnte herauskristallisiert, um den Wert eines Unternehmens bestimmen zu können. Diese orientieren sich an unterschiedlichen Größen aus Bilanz sowie Gewinn- und Verlustrechnung.

1 Vgl. hierzu Stiefl J., 2017, S. 15 f.

2 Natürlich hätte man dieses Konto auch z. B. Barmittel, Kasse oder Bank nennen können.

3 Vgl. hierzu auch das Beispiel im Anhang 7.1 »Systematik und Beispiel der Kostenrechnung«. Siehe auch Aufgabe 1.

4 Bei den Finanzierungsmodellen Außen-/Innenfinanzierung versus Eigen-/Fremdfinanzierung handelt es sich natürlich um identische Finanzierungsinstrumentarien. Es liegt lediglich eine etwas andere Betrachtungsweise vor.

5 Siehe Aufgabe 2.

6 Vgl. im weiteren Verlauf des Buches häufig auch die zweite Auflage. Siehe Stiefl J., 2008, S. 14 ff.

7 Auf diese Begrifflichkeiten und deren Unterschiede wird im weiteren Verlauf noch genau einzugehen sein.

8 Zu den unterschiedlichen finanzwirtschaftlichen Begrifflichkeiten vgl. auch Däumler K.D./Grabe J. 2013, S. 25 f.

9 Vgl. Jahrmann 2009, S. 17 ff und Wöhe/Bilstein 2013, S 1 ff.

10 Vgl. hierzu Stiefl J./v. Westerholt K. 2007, S. 136 ff.

11 Später werden die verschiedenen Rentabilitätsbegriffe sowie deren unternehmerische Bedeutung genauer betrachtet.

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