Читать книгу Angst im Systemwechsel - Die Psychologie der Coronazeit - Jürgen Wächter - Страница 10
Оглавление6. Psychologie der Massen
„Wenn fünfzig Millionen Menschen etwas Dummes sagen,
bleibt es trotzdem eine Dummheit.“
Anatole France, französischer Literaturnobelpreisträger (1844–1924).
„Die Leute sind gar nicht so dumm,
wie wir sie durchs Fernsehen noch machen werden.“
Hans-Joachim Kulenkampff,
Schauspieler und Fernsehmoderator (1921–1998).
Wir haben bisher die Angst bei der einzelnen Person betrachtet. Was geschieht aber, wenn diese bei großen Gruppen auftritt? Die erste bahnbrechende Forschung dazu hat der Franzose Gustave Le Bon gemacht, der 1911 seine „Psychologie der Massen“ veröffentlichte.
In der Masse verschwinden bis zu einem gewissen Grad das Ich und die persönliche Individualität der Emotionen des Einzelnen. So versucht die Massenpsychologie, die überraschende Tatsache zu erklären, dass das „Individuum unter einer bestimmten Bedingung ganz anders fühlt, denkt und handelt, als von ihm zu erwarten stand, und diese Bedingung ist die Einreihung in eine Menschenmenge, welche die Eigenschaft einer psychologischen Masse erworben hat“.146 Auf die aktuelle Situation übertrug dies der Kinder- und Jugendpsychotherapeut Dr. Hans Hopf: „Irrationale Ängste können aber auch kollektiv auftreten. Die Angst vor dem Coronavirus bewirkte Hamsterkäufe, von Nudeln, Hefe, bis hin zu Toilettenpapier.“147
Die Menschen vereinigen sich dabei zu einer eigenen Form der psychologischen Einheit. Le Bon schreibt: „Das Überraschendste an einer psychologischen Masse: welcher Art auch die einzelnen sein mögen, die sie bilden, wie ähnlich oder unähnlich ihre Lebensweise, Beschäftigungen, ihr Charakter oder ihre Intelligenz ist, durch den bloßen Umstand ihrer Umformung zur Masse besitzen sie eine Art Gemeinschaftsseele, vermöge deren sie in ganz anderer Weise fühlen, denken und handeln, als jedes von ihnen für sich fühlen, denken und handeln würde … Die psychologische Masse ist ein unbestimmtes Wesen, das aus ungleichartigen Bestandteilen besteht, die sich für einen Augenblick miteinander verbunden haben, genauso wie die Zellen des Organismus durch ihre Vereinigung ein neues Wesen mit ganz anderen Eigenschaften als denen der einzelnen Zellen bilden.“148
Le Bon sah drei Ursachen für dieses merkwürdige Phänomen: „Die erste dieser Ursachen besteht darin, dass der einzelne in der Masse schon durch die Tatsache der Menge ein Gefühl unüberwindlicher Macht erlangt, welches ihm gestattet, Trieben zu frönen, die er für sich allein notwendig gezügelt hätte. Er wird ihnen umso eher nachgeben, als durch die Namenlosigkeit und demnach auch Unverantwortlichkeit der Masse das Verantwortungsgefühl, das die einzelnen stets zurückhält, völlig verschwindet.“149 Der Einzelne geht also so in der Masse auf, dass ihm eigene Aktionen nicht mehr zugeschrieben werden können. Er ist in der Masse versteckt, ist gesichtslos. Und dies erst recht, wenn sein Gesicht auch materiell noch mit einer Maske verdeckt ist. Er ist dann kein Individuum mehr, sondern nur noch ein Teil des Ganzen, das sich selbst nicht mehr als verantwortlich für seine Taten sieht. Besonders die Zwanghafte und die Depressive Persönlichkeit können leicht in solchen Massen gefangen sein, die Histrionische nur für eine gewisse Zeit. Gefeit ist am ehesten die Schizoide Persönlichkeit.
In einer Zeit, wo fast alle Masken tragen, sind die, die von deren Sinn und Richtigkeit überzeugt sind, eine solche Masse, die sich nun frei ihren Trieben überlassen kann. Das spüren insbesondere Menschen, die aus medizinischen Gründen keine Masken tragen können und so der Masse der Regierungstreuen gegenüberstehen. Hier einige Beispiele.
„Ich war in einem Baumarkt und wollte einen Duschkopf kaufen. An der Kasse wieder der dumme Spruch hinsichtlich der Maske, worauf ich erklärte, diese aus medizinischen Gründen nicht tragen zu müssen. Darauf forderte mich die Kassenfrau auf, einen Einkaufwagen zu nehmen. Der Einwand, es gehe schneller, gerade abzurechnen, ließ sie nicht gelten, so ging ich artig raus, einen Einkaufswagen zu holen. Die Kassiererin war jedoch nachgelaufen und stellte sich in den Eingang und verweigerte den Zutritt zum Laden. Ich fragte sie, ob sie sich bei so einem Gehampel wohlfühle, drückte ihr den Duschkopf in die Hand und erklärte ihr, zukünftig woanders zu kaufen.“150
„Ich bin heute einkaufen. An der Kasse kam es dann. Da hat eine Frau gerade mit einem Mann geredet. Und dann wurde sie lauter, schaut mich an und sagt: ‚Wegen solchen, wie der, haben wir das Problem immer noch!‘ Dann wandte sie sich zum Kassierer und sagte: ‚Und Sie machen nix?‘ Der Kassierer fragte mich, wieso ich keine Maske aufhabe und ich antwortete ‚Ich habe ein Attest!‘ Er nickte, lächelte und scannte weiter. Die Alte wollte keine Ruhe geben. ‚Ja bestimmt so ein Fake-Attest!‘ Dann bin ich hoch. ‚Wie fühlt man sich denn, wenn man solche Züge in sich hat?‘ ;Bitte?‘ ‚Gute Frau, können Sie mich nicht einfach selbst fragen? Ich habe ein ärztliches Attest von meinem Hausarzt!‘ ‚Aber Sie sehen gar nicht krank aus!‘ ‚Sie sehen auch nicht aus wie eine Denunziantin. So kann man sich täuschen. Hitler wäre stolz auf Sie!‘ Dann kam nichts mehr.“151
„Ich war hochschwanger und hatte schon ohne Maske Probleme gehabt, Luft zu bekommen. Mein Freund und ich wollten den einen Tag in aller Ruhe einkaufen gehen, und da ich dieses Problem hatte, bin ich einfach ohne Maske in den Lebensmittelmarkt rein. Ich dachte mir: ‚Cool, niemanden interessiert es, ob ich eine Maske trage oder nicht. Hoffentlich komme ich damit bis zum Schluss durch. Aber schon im Augenwinkel hab ich gesehen, dass ein großer schlanker Mann die ganze Zeit über mich beobachtete. Da mein Freund und ich uns getrennt hatten, da jeder für sich was suchte, stand ich alleine da. Ich bin durch sämtliche Gänge geschlichen, um diesen Kerl, der mich dann noch verfolgte, abzuwimmeln. Ich wusste ja, dass irgendwas nicht stimmt. Als ich dachte, ich bin den Typen los, konzentrierte ich mich also auf meinen Einkauf, bis dieser Mann mich ansprach. ‚Setzen Sie Ihre Maske auf!‘ Ich erwiderte sofort: ‚Sehen Sie nicht, dass ich hochschwanger bin und erstrecht Probleme habe, Luft zu bekommen?! Ich setze die Maske nicht auf!‘ Der Mann wurde etwas lauter und wiederholte sich. Ich wollte ihn stehen lassen und mit meinem Einkauf weitermachen, aber dieser Mann verfolgte und drängte mich solange, bis ich zu ihm sagte: ‚Kippe ich wegen diesem Mist um und meinem ungeborenen Kind passiert etwas, werde ich diesen Laden bis auf den letzten Krümel auseinandernehmen!‘ Und musste die Maske aufsetzen. Außerdem wollte ich weiteren Stress vermeiden, allein wegen meinem Kind. Meinen Freund hab ich erst Minuten nach dem Geschehen gefunden und der Typ war verschwunden. Habe ihn auch nicht wiedergefunden. Seitdem gehe ich auch nicht mehr in diesen Laden.“152
„Bei uns in der Firma wurde im Mai angeordnet, dass wir außerhalb des direkten Arbeitsplatzes in den Gebäuden diese Unterdrückungsmasken tragen sollten. Ich holte mir darauf ein Attest und nach der ersten Ansprache legte ich es meinem Abteilungsleiter vor. Der schrie mich richtig an. Wenn er was anordne, hätte ich zu gehorchen. Ich machte ihn auf die Rechtslage aufmerksam und nachdem er sich informiert hatte, sagte er nichts mehr. Ich dachte, damit sei alles erledigt. Aber nee. Plötzlich gingen alle möglichen Schikanen los. Irgendetwas hätte ich falsch gemacht, was nicht stimmte. Mein Verhältnis zu den Kolleginnen sei spannungsreich, was auch nicht stimmte. Eines Morgens zitierte mich der Abteilungsleiter zu sich und verlangte, dass ich mein „rechtradikales Abzeichen“ am Auto zu entfernen habe; so etwas dulde man auf dem Firmenparkplatz nicht. Ich überlegte, ob mir jemand einen Streich gespielt und etwas unbemerkt auf meinen Wagen geklebt hatte. Niemals war ich rechts oder radikal gewesen. Wir gingen dann zum Auto und der Abteilungsleiter zeigte auf einen Aufkleber mit einem Thorhammer. Den habe ich tatsächlich am Wagen, da ich nicht christlich bin, sondern an die germanischen Götter glaube. Ich erklärte ihm, dass das ein religiöses Zeichen ist. ‚So was benutzen aber auch Rechtsradikale.‘ ‚Rechtsradikale gehen auch in den Supermarkt, wenn Sie dort sind, trotzdem sind Sie deshalb noch kein Rechtsradikaler‘, konterte ich. Schließlich akzeptierte er mein Glaubensbekenntnis. Aber die Schikanen gingen weiter. Haarsträubende Dinge wurden gesucht. Im September erhielt ich dann die Erklärung, dass mein zum Jahresende auslaufender Vertrag nicht verlängert würde; es seien fachliche Gründe dafür entscheidend, nicht die Maskenbefreiung, hieß es offiziell. Jeder im Betrieb wusste, dass es wegen der Maskenablehnung war. Seitdem trägt hier jeder widerstandslos eine Maske, ich war also das Exempel, das statuiert wurde, um alle zu disziplinieren. Ab Januar bin ich arbeitslos, aber meine Würde habe ich behalten.“153
In der Masse kann der Einzelne jede Schweinerei begehen. Er selbst tut es ja nicht, er ist kein verantwortliches Individuum mehr. Die Verantwortung liegt bei der Masse, der er nur gehorcht. Klar, dass hinterher alle sagen konnten, sie hätten in der Nazizeit nicht mitgemacht. Dazu brauchte es jedoch keines Abzeichens und keiner Parteimitgliedschaft. Ein schrecklicher Charakter reicht, um sich in einer Masse ausleben zu können. Doch dadurch machen sie sich erst recht zum Helfershelfer von Unterdrückung und Boshaftigkeit.
Der zweite Grund ist für Le Bon, dass in der Masse sehr schnell Gefühle und Handlungen von der Masse auf die Einzelnen überspringen. „In der Masse ist jedes Gefühl, jede Handlung übertragbar, und zwar in so hohem Grade, dass der einzelne sehr leicht seine persönlichen Wünsche den Gesamtwünschen opfert. Diese Fähigkeit ist seiner Natur durchaus entgegengesetzt, und nur als Bestandteil einer Masse ist der Mensch dazu fähig.“154 „In der Masse sind wir keine Erwachsene.“155 Springt eine Aggressivität gegen Maskenverweigerer, Impfgegner oder wahllos ausgesuchte andere in die Masse, wird diese schnell übernommen und zur Gruppenaggressivität. Das ist der Grund, warum in so vielen Läden diese Menschen ausgegrenzt und diskriminiert werden.
Eine Dame erlebte Folgendes in einem Einkaufsmarkt: „Ich hatte meinen Einkauf erledigt und stand an der Kasse. Da kam eine Kassiererin zur anderen und meinte: ‚Du glaubst es nicht, schon wieder jemand, der mit dem Anwalt droht, nachdem ich ihn auf die Maskenpflicht aufmerksam gemacht habe. Es laufen nur Spinner umher!‘ Die andere rollte nur mit den Augen. Ich hab mir nur gedacht, dass die Verkäuferinnen selbst keine Maske tragen und schon vor Corona rumliefen wie sieben Tage Regenwetter. Ich wollte dieser Frau noch verbal eine drücken, habe es dann doch gelassen und gehe definitiv nicht mehr in den Laden. War ein großer Fehler.“156
„Ich war mit Maske in einem Baumarkt, kaufte aber nichts und wollte hinausgehen. Ich musste an der Warteschlange an der Kasse vorbei, wie man das so mit dem üblichen ‚Darf ich mal vorbei‘ so macht. Plötzlich stellte ein Mann seinen Wagen quer, sodass ich nicht weiterkam, und schrie mich an ‚Abstand halten!‘ Solche Frechheiten sind mir früher nicht geschehen.“
„Gestern in einem Laden. Ich beim Betreten gehe zwei Meter rückwärts … Bodenmarkierung übersehen. Oje. Da blafft die Verkäuferin: ‚Sie müssen Ihre Maske aufsetzen.‘
Ich: ‚Ich habe eine Befreiung.‘
Sie: ‚Sie brauchen einen Korb.‘
Ich: ‚Ich brauche keinen Korb.‘
Sie: ‚Das ist wegen der Anzahl.‘
Ich: ‚Ja, ja, das ist besonders wichtig in einem total leeren Laden.‘
Sie: ‚Ich mache nur meine Arbeit.‘
Ich: ‚Ja, das machen wir alle.‘
Sie zu der einzigen anderen Kundin im Laden: ‚Die sterben hoffentlich alle.‘
Ich: ‚Ich habe das gehört.‘
Sie: ‚Ja stimmt doch aber auch‘.“157
Der dritte Grund ist die Suggestibilität. „Wir wissen heute, dass ein Mensch suggestiv stark beeinflusst werden kann. „Sorgfältige Beobachtungen scheinen nun zu beweisen, dass ein einzelner, der lange Zeit im Schoße einer wirkenden Masse eingebettet war, sich alsbald… in einem besonderen Zustand befindet, der sich sehr der Verzauberung nähert, die den Hypnotisierten unter dem Einfluss des Hypnotiseurs überkommt … Ungefähr in diesem Zustand befindet sich der einzelne als Glied einer Masse … Unter dem Einfluss einer Suggestion wird er sich mit unwiderstehlichem Ungestüm auf gewisse Taten werfen. Und dies Ungestüm ist in den Massen noch unwiderstehlicher als bei den Hypnotisierten, weil die für alle Einzelnen gleiche Suggestion durch Gegenseitigkeit wächst. Die einzelnen in einer Masse, die eine hinreichend starke Persönlichkeit haben, um dem Einfluss zu widerstehen, sind in zu geringer Anzahl vorhanden.“158
Bei Corona haben wir es mit der größten Massensuggestion der Weltgeschichte zu tun. Der Begriff der Suggestion wird heute meist in der Hypnosetherapie verwendet, doch Suggestionen sind ein Phänomen, das uns täglich begegnet. Suggestionen sind eine manipulative Beeinflussung, die so vorgenommen wird, dass der Betreffende diese Manipulation gar nicht bemerkt. Dabei können sowohl Gedanken, Empfindungen oder Denkweisen so in das Unterbewusstsein geschleust werden, dass der Betroffene denkt, sie kämen von ihm selber.159 Man unterscheidet zwischen direkten Suggestionen (z. B. wenn ein Arzt sagt: „Gehen Sie spazieren, dann wird ihr Schnupfen besser!“) und indirekten Suggestionen (z. B. in der Werbung, wenn zu einem Produkt wunderschöne Urlaubsbilder mit harmonischer Musik gesendet werden, sodass sich positive Emotionen und Gedanken auf das Produkt übertragen). Geschickt angewendete Suggestion kann es ermöglichen, dass Leute Dinge tun, die gar nicht von ihnen ausgehen und sie dabei diese Fremdsteuerung gar nicht bemerken. Und das gelingt besonders über häufiges Wiederholen in den Medien. Massen werden damit in eine Richtung gelenkt.160
In der Masse kann sich also aufgrund der drei von Le Bon genannten Gründe die Individualität mit allen erworbenen geistigen Errungenschaften verlieren. Für ihn steigt der Mensch „allein durch die Tatsache, Glied einer Masse zu sein,… mehrere Stufen von der Leiter der Kultur hinab. Als einzelner war er vielleicht ein gebildetes Individuum, in der Masse ist er ein Triebwesen, also ein Barbar.“161 Siegmund Freud bezieht sich auf den Briten McDougall, der hinsichtlich der Massen sagte: „Die geringeren Intelligenzen ziehen die größeren auf ihr Niveau herab. Die letzteren werden in ihrer Betätigung gehemmt, weil die Steigerung der Affektivität überhaupt ungünstige Bedingungen für korrekte geistige Arbeit schafft, ferner weil die Einzelnen durch die Masse eingeschüchtert sind.“162 Genau das erleben wir in der Coronazeit.
Die Masse wird fast ausschließlich vom Unbewussten geleitet. Sie ist übermäßig beeinflussbar. „So muss die Masse, die stets an den Grenzen des Unbewussten umherirrt, allen Einflüssen unterworfen ist, von der Heftigkeit ihrer Gefühle erregt wird, welche allen Wesen eigen ist, die sich nicht auf die Vernunft berufen können, alles kritischen Geistes bar, von einer übermäßigen Leichtgläubigkeit sein. Sie denkt in Bildern, und das hervorgerufene Bild löst eine Folge anderer Bilder aus, ohne jeden logischen Zusammenhang mit dem ersten. Diesen Zustand verstehen wir leicht, wenn wir bedenken, welche sonderbaren Vorstellungsreihen zuweilen ein Erlebnis in uns hervorruft. Die Vernunft beweist die Zusammenhanglosigkeit dieser Bilder, aber die Masse beachtet Vernunft nicht und vermengt die Zusätze ihrer entstellenden Phantasie mit dem Ereignis. Die Masse ist unfähig, das Persönliche von dem Sachlichen zu unterscheiden. Sie nimmt die Bilder, die in ihrem Bewusstsein auftauchen und sehr oft nur eine entfernte Ähnlichkeit mit der beobachteten Tatsache haben, für Wirklichkeit.“163 „Welche Ideen den Massen auch suggeriert werden mögen, zur Wirkung können sie nur kommen, wenn sie in sehr einfacher Form aufzunehmen sind.“164
Es ist faszinierend zu sehen, wie dies während der Coronoia zutrifft. Unzusammenhängende Informationen, Bilder und Falschmeldungen werden für einen einzigartigen Angst- und Panikzustand eingesetzt, obwohl bei rationaler Betrachtung keine überdurchschnittliche Gefahr vorhanden ist. Vernunft spielt nicht nur keine Rolle, sondern die Betroffenen wollen auch gar keine rationale Analyse des Geschehens. Einer in totale Virenpanik geratenen Freundin versuchte ich lediglich die amtlichen Zahlen zu zeigen. Sie weigerte sich, überhaupt diese zur Kenntnis zu nehmen und darüber nachzudenken. Sie lief dann mit den Worten weg: „Aber ich höre doch Nachrichten. So viele Tote, so viele Tote“. Da lässt sich mit Verstand nicht rankommen. Und das wird nicht enden, bevor diese Menschen völlig auf die Nase gefallen sind, oder – hoffentlich – es schaffen, einen inneren Wachstumsschritt zu vollziehen. „Regierungen lieben Krisen, denn wenn die Menschen Angst haben, sind sie eher bereit, Freiheiten gegen das Versprechen aufzugeben, die Regierung werde sich um sie kümmern.“165 „Seit Ende Februar 2020 haben sie nun die Gewissheit, dass sie breite Massen mit der Herstellung von Angst jederzeit unter Kontrolle haben, sie psychologisch perfekt steuern und in lemminghaftes Panik-Verhalten versetzen können. Die Autoritätshörigkeit der Massen ist beklemmend, ebenso ihre angstgesteuerte Bereitschaft, auf alle bürgerlichen Freiheiten zu verzichten.166 Der ehemalige Leiter eines bayerischen Gesundheitsamtes, Friedrich Pürner, stellte fest: „Aufgabe der Politik wäre es: Ängste nehmen, nicht Panik schüren. Das Gegenteil ist der Fall: Wir haben eine Panikstimmung.“167
„Da die Masse das, was sie für Wahrheit oder Irrtum hält, keinen Zweifel setzt, andererseits ein klares Bewusstsein ihrer Kraft besitzt, so ist sie ebenso eigenmächtig wie unduldsam. Der einzelne kann Widerspruch und Auseinandersetzung anerkennen, die Masse duldet sie niemals. In den öffentlichen Versammlungen wird der leiseste Widerspruch eines Redners sofort mit Wutgeschrei und groben Schmähungen beantwortet, und wenn der Redner beharrlich ist, folgen leicht Tätlichkeiten, und der Redner wird hinausgeworfen.“168 Ein Herr aus Rheinland-Pfalz schilderte so einen wahren Horrortag. Erst ging er in eine Apotheke und wurde sofort angemahnt, eine Maske zu tragen. Auf seine Erklärung, er trage aus medizinischen Gründen keine Maske, kam sofort die rabiate Aufforderung, ein Attest vorzuzeigen. „Die stand da, wie ein Rottweiler!“ Gerade wollte eine andere Beschäftigte ihn hinter einer Plexiglasscheibe bedienen, tauchte der Apotheker auf und forderte ihn zum Verlassen der Apotheke auf, wobei er sich auf das Hausrecht berief. Der Kunde erklärte, er dürfe das nicht, da er nur ein eingeschränktes Hausrecht habe. Doch das interessierte den Ladeninhaber nicht. So ging der Kunde in ein benachbartes Lottogeschäft, wo er erneut auf die Maskenpflicht hingewiesen wurde. Sein Hinweis „Sie tragen ja auch keine Maske!“ wurde beantwortet mit „Ich stehe ja hinter einer Plexiglasscheibe!“ „Ich auch!“, antwortete der Kunde und brachte die Dame damit so in Verwirrung, dass sie den Lottoschein abrechnete. Nach so viel Theater betrat er nun eine andere Apotheke, wo das gleiche Szenario ablief. Dort erklärte er dem Apotheker: „Deswegen bin ich hier. Ich möchte eine Maske mit Beipackzettel, wo draufsteht, wie ich sie richtig anlege!“ „So etwas haben wir nicht. Nur 50er-Packungen, aber alle ohne Beipackzettel.“ Schmunzelnd verabschiedete sich der Herr, um beim Hereingehen in eine Tankstelle von hinten angebrüllt zu werden: „Maske!“. „Da stand ein zwei Meter großer Muskelmann.“ Wagemutig entgegnete er: „Hast du nicht alle Latten am Zaun, mich so zu erschrecken?“ Die Kassiererin lächelte vergnügt über diese Szene. Dann fuhr ein Streifenwagen vor und ein Polizist betrat ohne Maske den Tankstellenladen. Totenstill. Doch der Herr ging selbstbewusst auf den Zweimetermann zu und sagte: „Na, jetzt biste ganz leise, was?“ Dieser guckte ganz verdutzt und der Polizist lächelte ebenso vergnügt wie die Kassiererin.169
Ein anderer Herr erlebte Folgendes: „Langsam frage ich mich wirklich, was in unserer Gesellschaft falsch läuft. Eben im Zug von Düsseldorf nach Heilbronn. Geschrei. Zwei Männer stehen im Großraumwagen auf. ‚Ziehen Sie die Maske auf!‘ ‚Ich hab ein Attest!‘ Eine Frau Mitte 50 bleibt ruhig sitzen. ‚Ziehen Sie gefälligst die Maske auf!‘ ‚Ich habe ein Attest.‘ Ich habe mich umgedreht und den beiden deutlich gemacht, dass jemand mit Attest die Maske nicht im Zug aufsetzen muss – von der Bahn so genehmigt. ‚Zeigen Sie mir das Attest!‘ Die Frau verweigerte, sie würde das Attest nur dem Bahnmitarbeiter zeigen. Zur Schlichtung schlug ich vor, dass der Schaffner sich das Attest anschaut und dann sollte es gut sein. Schon lief der 2. Mann wie von einer Tarantel gestochen mit wütendem Schritt zum Schaffner und kam nach fünf Minuten wieder. Mit Schaffner. Der schaute sich kurz das Attest an und ging wieder. Beide Männer wieder wütend. Verlangten jetzt das Ticket von der Frau zu sehen und ob sie hier überhaupt sitzen dürfe (1. Klasse). Sie solle sich doch bloß wegsetzen. Die Frau ignorierte die Anfrage und ich habe den Herrn mal gefragt, was ihn das anging und ob wir neuerdings Stasi-Methoden anwenden. Die beiden Männer murmelten noch irgendwas und gaben dann erst mal Ruhe. Als die Frau dann ausstieg, stand sie im Gang neben dem Sitz des Mannes, der voller Panik aufsprang und sich zehn Meter entfernt hinstellte, bis die Frau ausgestiegen war. Herzlichen Dank, liebe Medien, liebe Politiker, liebe Corona-Panikmacher. Ihr habt es geschafft, dass sich Leute auf quasi offener Straße anfeinden. Dabei war es vollkommen egal, dass zwei erwachsene Männer um die 50 sich vor einer wehrlosen Frau aufplustern wie ein Gockel vor der Henne. Die Frau saß allein in ihrem Zugabteil mit genügend Abstand von allen anderen und hatte keine Maske auf, weil dies ärztlich verordnet war. Ich hätte mich nicht gewundert, wenn hier jemand handgreiflich geworden wäre. Aber wahrscheinlich hatte man Angst vor der Ansteckung, wenn man sie anfasst … und traurig – es waren genug Menschen im Zug und niemand hat auch nur einen Mucks gemacht. Armes Deutschland.“170
Bedenkt man, dass die Mehrzahl der Menschen der Depressiven und Zwanghaften Persönlichkeit angehört, ist es verständlich, dass deren beider Kernaspekte sich besonders in der Masse ergänzen und verstärken. Auf den zwangshaften Aspekt wies Le Bon hin: „Nicht das Freiheitsbedürfnis, sondern der Diensteifer herrscht stets in der Massenseele. Ihr Drang, zu gehorchen, ist so groß, dass sie sich jedem, der sich zu ihrem Herrn erklärt, instinktiv unterordnen.“171 Und Siegmund Freud ergänzte den depressiven Aspekt: „Es ist unverkennbar etwas wie ein Zwang dabei wirksam, es den anderen gleichzutun, im Einklang mit den vielen zu bleiben.“172
Seit dem Zeitalter der Aufklärung herrschte die Idee, dass durch ein gutes Bildungssystem nun ein Zeitalter der Vernunft und der Rationalität eingesetzt habe. Die Einführung der Schulpflicht, der Ausbau der Universitäten unter Wilhelm von Humboldt, die Rückdrängung der Kirchen aus dem Staat und die Verbreitung des wissenschaftlichen und technischen Verständnisses schienen der richtige Weg zu sein. Immerhin entstanden so ein starkes Bürgertum, ein enormer wissenschaftlicher Fortschritt und grandiose technische Erfindungen; dies erzeugte Wirtschaftswachstum und zunehmenden Wohlstand für breite Bevölkerungskreise. Was lag näher als zu vermuten, dass dieser neue Bildungsstand nicht nur im Einzelnen, sondern auch in der Gesellschaft insgesamt angekommen war. Doch 1935 schrieb der Soziologe Willi Schlamm enttäuscht: „In Wahrheit ist eine Epoche vorbei, in der es den Anschein hatte, als ließen sich Massen der Gesellschaft von der Vernunft und von der Einsicht in ihre Lebenslage zum Aufstieg aus eigener Kraft lenken. In Wahrheit ist es mit der gesellschaftsformenden Funktion der Masse vorbei. Sie erweist sich als total formbar, knetbar, bewusstlos und fähig zur Anpassung an jegliche Macht, an jegliche Niedertracht. Sie hat keinen geschichtlichen Auftrag. Im 20. Jahrhundert, im Jahrhundert der Tanks und des Radios, ist dieser Auftrag unzustellbar, ist die Masse aus dem gesellschaftlichen Formungsprozess ausgeschaltet worden.“173 Zur gleichen Zeit, also vor dem Hintergrund des sich ausbreitenden Irrsinns der nationalsozialistischen Ideologie, formulierte der Psychoanalytiker Wilhelm Reich in seinem Werk „Massenpsychologie des Faschismus“: „Die Menschenmassen sind infolge jahrtausendealter sozialer und erzieherischer Verunstaltung biologisch versteift und freiheitsunfähig geworden; sie sind nicht imstande, das friedliche Zusammenleben einzurichten … Die Diktatoren haben durch die Bank ihre Macht auf der gesellschaftlichen Verantwortungslosigkeit der Menschenmassen aufgebaut.“174
All dies bestätigt Le Bon. Mag der Einzelne noch so gebildet und gelehrt sein, ist sein Inneres noch auf der Stufe der Angst im Sinne der Riemannschen Grundformen, so ist die Gefahr groß, dass er einer Meinung der Massen verfällt und auf deren Niveau hinabsinkt. Die Stufe der Ich-Stärke ist in der Masse noch nicht erreicht worden. Da fragt man sich, was muss eigentlich noch geschehen, bis die Masse endlich einmal aus ihrer Ich-Schwäche aufwacht? Offensichtlich waren die Erfahrungen aus der DDR- und NS-Diktatur und ihrer beider Scheitern noch nicht lehrreich genug. Nun findet mit Corona schon wieder so eine Massenpsychose statt. Auch das wird vergehen. Aber lernen die Menschen wieder nichts daraus? Oder gäbe es Methoden, dass nicht nur einzelne Menschen ihre eigene Reife finden, sondern auch größere Massen nicht mehr verführbar werden? Wir gehen darauf in Kapitel 10 näher ein.
146 FREUD 2020: 9.
147 HOPF 2020.
148 BON 2019: 32–33.
149 BON 2019: 35.
150 Mdl. Mitteilung von Klaus Asbach, Betzdorf, vom 02.09.2020.
151 Mitteilung von Josef Rieger, Heilbronn.
152 Mitteilung von Sophie S., Bad Salzungen.
153 Mitteilung von Manuela G.
154 BON 2019: 36.
155 KLEIN 2020.
156 Mitteilung von Sophie S., Bad Salzungen.
157 Mitteilung von Juliane S.
158 BON 2019: 36-37.
159 Vgl. KOSSAK 2013: 86–104; RICKLIN 2018; SCHWEGLER 2015: 53–57, WOELM 2019: 41–47.
160 ‚Der kompetente Hypnoseausbilder und Hypnotherapeut Elmar Woelm hat sehr schön die drei Suggestionsgesetze zusammengefasst, die ein erfolgreiches Suggerieren ermöglichen: „1. Gesetz der konzentrierten Aufmerksamkeit. Wiederholte konzentrierte Aufmerksamkeit auf eine Idee, auf ein Ziel hat die Tendenz sich zu erfüllen. 2. Gesetz des umgekehrten Effekts. Nicht direkt an den Willen des Klienten appellieren 3. Gesetz des dominierenden Einflusses. Ein starkes emotionales Erleben ersetzt oder siegt über ein schwächeres“ (WOELM 2018).
161 BON 2019: 38
162 FREUD 2020: 25; MCDOUGALL 1920.
163 BON 2019: 44-45.
164 BON 2019: 63.
165 MIES 2020a: 17.
166 MIES 2020a: 17.
167 KATTENBECK 2020.
168 BON 2019: 56.
169 Mdl. Mitteilung von Klaus Asbach, Betzdorf, vom 02.09.2020.
170 Mitteilung von Josef Rieger, Heilbronn.
171 BON 2019: 114.
172 FREUD 2020: 24.
173 REICH 2020: 200.
174 REICH 2020: 283.