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Lisa – eine Zicke

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Ich kann mich noch gut daran erinnern, als vor fast 2 Jahren meine Schwester Lisa geboren wurde. Mein älterer Bruder Ben war über diese Tatsache wenig glücklich. „Noch so eine Zicke! Hilfe! - Ich wandere aus“, waren seine ersten Worte, als mein Vater uns diese freudige Nachricht am Telefon mitteilte. Damals war Ben jedoch erst 14, also zu jung zum Auswandern.


Meine Eltern, Mom Simone und Dad Robin, waren jedoch glücklich. Sie sagten allen, die es hören wollten, dass Lisa ein Wunschkind sei. Demnach war ich vermutlich keins und Ben auch nicht.

Zur Geburt erhielten Mom und Dad viele Karten mit frommen Wünschen für das Kind: „beste Gesundheit“, „Erfolg im Leben“, „eine glückliche Kindheit“ und weitere ziemlich einfallslos Sprüche. An einen jedoch kann ich mich besonders gut erinnern, weil er mein häusliches Leben in den letzten 2 Jahren ziemlich verändert hat: Von wegen Glück!


Das Zimmer von Lisa lag direkt neben meinem. Die Nächte, in denen Lisa nicht schlafen wollte, waren in der Tat ziemlich kurz, nicht nur für Mom, sondern auch für mich. Oft musste ich babysitten. Das bedeutete: keine Freizeit – keine Freunde!

Von 3150 Gramm Glück habe ich an solchen Tagen nichts gespürt.

Heute wollten Mom und Dad zu Schwesigers fahren, weil ein wichtiges Fußballspiel im Fernsehen zu sehen war und weil – so meinte Dad - eine richtige Stadionatmosphäre nur mit Freunden und Bekannten aufkäme, wenn man schon keine Karte für das Stadion selbst bekommen hatte. Das bedeutete für mich: Na logo! – Babysitting!

Ben hatte sich schleunigst vom Acker gemacht mit dem Hinweis, dass er noch für eine Englischarbeit üben müsse und das zu Hause nicht tun könne, wegen Lisa.



Bevor ich mit Lisa das erste Mal allein war, hatte ich mir im Internet vorsorglich solche Links aufgerufen wie „Der Babysitter komm!“ oder „Wie sitte ich richtig!“ oder „Alles, was ein professioneller Babysitter wissen muss!“.

Da fand ich dann folgende hilfreiche Informationen: „Selbstbewusstes Auftreten des Babysitters ist sehr wichtig, um bei den Kindern respektiert zu werden. Kinder versuchen am Anfang immer, Sie auszutricksen und rumzukriegen!

Klare Regeln helfen Ihnen weiter!“

Alles klar, Lisa? - Mom ist nicht da, heute bestimme ich die Regeln!!!

Regel 1: Lerne endlich, mit dem Toilettentöpfchen allein zurechtzukommen! - Du bist schon ein großes Mädchen.

Regel 2: Es wird nicht geweint, denn Weinen ist Erpressung!

Regel 3: Was im Fernsehen geguckt wird, bestimme ich!“

Ich fand, 3 Regeln mussten für heute reichen.


Dad hatte für den Fall, dass ich babysitten musste, immer ein paar selbst gebrannte DVDs parat, mit denen ich klein Lisa unterhalten konnte. Ich schaute im DVD-Bord nach, was ich selbst noch nicht gesehen hatte. Ich konnte jetzt wählen zwischen „Coco, der neugierige Affe“, „Biene Maja, Teil 6“ und „Bibi Blocksberg, Teil 9“.

Auf so viel Kinderkram hatte ich aber heute keine Lust. Ich schaltete also auf das Fernsehprogramm um und entdeckte einen Film mit dem bezeichnenden Titel „Küsse unterm Regenbogen“. Scheinbar hatte ich mit dem Liebesfilm aber nicht Lisas Geschmack getroffen.

„Coco, will Coco, will Coco!“, begann sie zu schreien. Ich dachte sofort an Regel 3: „Ich bestimme, was geguckt wird“!


Da kenne ich kein Pardon, man kann sich ja schließlich von Kleinkindern nicht alles gefallen lassen. Und geweint wird gemäß Regel 2 auch nicht. Regel 1 kam gar nicht mehr zur Anwendung, weil Lisa plötzlich versuchte, mir die Fernbedienung aus der Hand zu reißen.

Ich wehrte mich, jeder von uns hatte jetzt eine Hälfte der Fernbedienung in der Hand, an der er zog, hin und her, bis Lisa plötzlich losließ, nach hinten auf den Tisch prallte und dabei Mom´s Vase von der Tischplatte stieß.

Super, Lisa! - Wie bringen wir das jetzt Mom bei? – Ausgerechnet die Glasvase, die Dad ihr zu ihrem letzten Geburtstag geschenkt hatte, hatte jetzt einen langen Sprung am Halsstück.


Ich überlegte kurz, was zu tun ist. Sollte ich Mom von unserem Missgeschick erzählen? Dann müsste ich auch zugeben, dass ich als Babysitter versagt hatte. Wie kam ich aus dieser Nummer wieder unbeschadet heraus?

Dann fiel mir siedendheiß ein, dass ich zu Beginn des Schuljahres Ölmalstifte bekommen hatte, weil wir damit in der Schule Teller bemalen wollten. Vielleicht hielt die Farbe auch auf Glas.


Ein Probestrich brachte mich zu der Erkenntnis, dass ich mit Lisas Hilfe das Problem lösen konnte. Ich schaltete den DVD-Player ein, legte die DVD von „Coco“ ein, suchte eine Stelle, an der sich Coco mittels einer Liane durch den Urwald schwang und stoppte an dieser Stelle den Player.

„So Lisa, jetzt zeichne Coco auf die Vase und den Urwald mit seinen Bäumen und Vögeln dazu“, befahl ich Lisa, die immer noch schreiend neben dem Tisch stand. Allein die Liane, an der Coco gerade hing, zeichnete ich vor, sie verdeckte in schwarzer Farbe genau den Sprung im Glas.

„Lisa, nimm viele bunte Stifte, dann freut sich Mom!“

Ich konnte mit dem Talent meiner Schwester zufrieden sein, sie hatte sich wirklich große Mühe gegeben, grüne Bäume und einen Affen zu zeichnen. Der sah zwar eher aus wie Nashorn auf Futtersuche, aber er füllte schon fast die Hälfte der Vasenoberfläche. Den Rest machten drei Vögel aus, die Pferdeäpfeln nicht unähnlich sahen, die aber dafür den Ansatz von Flügeln zeigten.

Mom und Dad waren jedenfalls am nächsten Tag ganz begeistert von Lisas Kunstwerk. „Schau mal, Robin, aus unserer Lisa wird mal eine exzellente Malerin. Ich bin so stolz auf sie!“


Mom war völlig aus dem Häuschen und auch Dad konnte seinen Stolz nicht wirklich verbergen.

Auch ich war stolz, aber auf mich, weil ich dank Lisa eine Erkenntnis gewonnen hatte, die mir bis gestern Abend noch unbekannt war:




Emily Kleins Katastrophenjahre

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