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Zweiter Anlauf zum E-Auto-Kauf

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Frank Krause hatte den Schock aufgrund seines Besuches im Autohaus bei Auwi mittlerweile überwunden. Dazu hatte vor allem sein sensationeller Erfolg der Darstellung des Führers Adolf Hitler am hauptstädtischen Theater beigetragen. Immer, wenn viel Prominenz im Theater saß, lief Krause zur Höchstform auf. Er hatte sich so tief mit der Rolle identifiziert (weil er wusste, wenn er Hitler so gab, wie von der Staatsführung erwünscht, könnte er noch weiter in der Riege der Staatsschauspieler aufsteigen), dass er sich öfter einmal prüfend an den Sack faste, ob darin noch zwei Eier wären. Gerüchte besagten, dass Hitler 1916 bei der Schlacht an der Somme einen Hoden eingebüßt hätte. Das war zwar nur ein Detail, aber für Krause als Künstler keineswegs vernachlässigbar. Er wollte den Diktator in allen Facetten darstellen. Anhand des fehlenden Hoden wollte er die innerliche Zerrissenheit von Hitler zeigen, der vermutlich durch das verlorengegangene Ei Minderwertigkeitskomplexe entwickelt, und deswegen einen Weltkrieg vom Zaun gebrochen hatte. Auf der anderen Seite gab der Führer ja gern den großen Zampano, dem keiner das Wasser reichen konnte. Krause hatte viele Stunden damit verbracht darüber nachzudenken, wie er sich denn fühlen würde, wenn in seinem Sack die Hälfte des Inhalts fehlen würde. Mental höchstwahrscheinlich nicht gut, anatomisch vermutlich nicht groß anders. Jedenfalls war er zu dem Entschluss gekommen, die Rolle des Führers als ein ständig an sich selbst zweifelndem und mit dem Schicksal hadernden Menschen anzulegen. Die ganze perfide Bösartigkeit Hitlers wollte er mit einem deutlichen darstellerischen Fingerzeig klarmachen: in Phasen der Unsicherheit, des Stresses, der Verzweiflung, würde er sich mit der rechten Hand immer wieder ans Gemächt fassen und am Sack kratzen. Krause hatte einen Sinn für Symbolik. Eine nach unten gerichtete rechte Hand, die den Sack immer wieder abtastete (um das Verlusterlebnis kompensieren zu können), würde eine innerliche Kapitulation bedeuten, da der hochgerissene rechte Arm ja eigentlich dem Hitlergruß vorbehalten war. So wie noch nie, hatte sich Krause in eine Rolle hineinbegeben, nein: er war auf der Bühne der dämonische Hitler selbst.

Als er zur Premierenvorstellung gefahren war hatte er im Autoradio einen Beitrag eines gewissen "Hubert Heil" gehört, der ganz offensichtlich eventuell nicht ganz arbeitsfähige Menschen in eine Beschäftigung zwingen wollte. Krause war ja in politischen Dingen sehr vorsichtig, aber dieser "Hubert Heil" war scheinbar nicht weit weg von der Anwendung von Methoden, die zu Hitlers Zeiten üblich gewesen waren. Das konnte er nicht gutheißen. Entsprechend kämpferisch war er in den Auftritt gegangen und die Vorstellung war seine bisherige Sternstunde am Theater gewesen. Dass er in der letzten Szene statt "Heil Hitler" "Heil Hubert" gerufen hatte, war nicht aufgefallen, weil der Schlussapplaus alles zugedeckt hatte.

Nach diesem Triumph konnte er wählerisch sein.

Aber er wollte eben auch sein Engagement für das Klima in die Öffentlichkeit tragen.

Er sprach mit seiner Frau Gisela, ob sie ihn nicht zu einem Autohaus begleiten könnte.

"Wenn ich dir helfen kann, warum nicht" hatte sie gesagt.

Nach dem Desaster bei Auwi hatte er sich nochmals über andere Anbieter informiert, und war doch bei V-R fündig geworden. Was diese Leute versprachen, war sensationell. Ein klein bisschen Skepsis hatte er doch, er konnte sich noch an diese Abgasgeschichte erinnern. Aber eventuell hatten die Typen etwas aus dieser Katastrophe gelernt.

"Natürlich stehen wir bei Volks-Rasen für höchste Transparenz" hatte der Verkäufer erklärt "unsere Unternehmenskommunikation ist offen und ehrlich, wir wollen ja den Customer mit ins Boot holen."

"Den was" fragte Frank Krause verwirrt "warum mit ins Boot, ich will ein Elektroauto kaufen und keine Yacht."

"Nun, das war sinnbildlich gemeint. Sich aufs Meer zu wagen hat immer mit Abenteuer und Entdeckerdrang zu tun und kann gefährlich werden, fordert also den ganzen Mann heraus. Da muss man sich bewähren, Mut zeigen, vorangehen, darf nicht zaghaft sein. So wie wir bei Volks-Rasen, die die Hochtechnologie in unserer Branche vorantreiben."

"Jetzt hören Sie mir mal zu junger Mann" schaltete sich Gisela Krause ein "ihre machohafte Werbeprosa können Sie stecken lassen. Durch ihre Sprüche diskriminieren Sie eine enorm große Bevölkerungsgruppe. Wissen Sie, wen ich damit meine?"

"Die Afrikaner?"

"Wieso die Neger" wunderte sich Frank Krause, überlegte einen Moment und sagte dann:

"Doch, Sie haben recht. Afrika platzt doch aus allen Nähten, weil die dort wie die Karnickel schnackseln. Wenn die alle hierher kommen ist endgültig Schicht im Schacht. Ich hab mal gehört, dass die jetzt 1,3 Milliarden sind. Und es werden jede Woche hunderttausend mehr. Wir hier sind so n bisschen mehr als 80 Millionen. Und Strom haben die vielleicht auch nicht so viel. Und solche Stromtankstellen."

"Ladestationen."

"Ach ja, stimmt. Kann ich auch noch Benzin tanken?"

"Nur mit einem Hybriden."

"Was für ein Ding?"

"Ein Hybrid, der fährt mit Treibstoff oder wechselweise mit Batteriestrom."

"Aber ich will ein Elektroauto kaufen. Ich komm jetzt ganz durcheinander" sagte Krause.

"Sie haben meine Frage noch nicht beantwortet" wandte sich Gisela Krause an den Verkäufer.

"Aber Ihr Gatte hat mir doch meine Vermutung bestätigt."

"Ja, klar. Kerle halten immer zusammen, oder? Sie denken wohl gar nicht an uns Frauen? Die sind Ihren Auffassung nach wohl immer noch zu blöd, um ein Auto einparken zu können?"

"Keineswegs, keineswegs" versicherte der Verkäufer "wir bei Volks-Rasen legen größten Wert auf ein gesundes Verhältnis von Männern und Frauen auf allen Ebenen des Unternehmens. Und wir sind ganz groß in der Diversity."

"In der was" fragte Frank Krause erneut verwundert.

"In der Diversity. Wir beschäftigen Homosexuelle, Queere, Transgender, alle Geschlechter, wir sind bunt."

"Moment mal" sagte Krause "ich habe Kinder und Enkel und bin kein Jungspund mehr. Was ist ein "Queerer"?"

"Nun, um es kurz zu sagen, dass sind Personen, die sich nicht ganz klar sind, ob sie Mann oder Frau sind."

"Wie bitte? Warum ist das denen nicht klar? Wenn die mal ihre Hosen oder Röcke runterziehen müssten die doch eigentlich genau sehen können, ob sie einen Pullermann oder eine Muschi haben."

"Das soll wohl nicht ganz so einfach sein."

"Da stimmt doch was nicht" regte sich Krause auf "Sie beschäftigen hier also Personen, denen nicht klar ist, ob sie Männlein oder Weiblein sind?"

"Nein, bei uns nicht."

"Da bin ich ja erst mal beruhigt. Aber ich möchte Ihnen jetzt mal was sagen. Ich bin Schauspieler und gebe viele Rollen in historischen Stücken. Kennen Sie mich, und was wissen Sie über "King Lear"?"

"Ähm, leider kenne ich Sie nicht. "King Lear" klingt nach einem Rollenspiel. Ich habe eins, da bewegt man am PC verschiedene Charaktere wie Ritter, Paladine, Zauberer und Barbaren rundenbasiert auf Hexfeldern. Man muss seine Gegner besiegen, dann steigt man auf. Das Spiel heißt "King's Bounty"."

"Ich weiß nicht, was das mit "King Lear" zu tun haben sollte, da gibt es keine Zauberer. Es ist ein sogenanntes Doppeldrama von Shakespeare. Schon mal gehört von dem Kerl? Passen Sie jetzt mal auf."

Frank Krause warf sich in Pose und deklamierte:

"Ein wunderbares Hintertürchen für den Hurenbock Mensch, seine geißbockgeile Veranlagung einem Stern anzulasten!"

"Na, was sagen Sie dazu" fragte er den Verkäufer "noch eine Kostprobe?"

"Einem Stern" fragte der Verkäufer "meinen Sie etwa die Konkurrenz? Die Autos mit dem Stern?"

"Keine Ahnung was Sie damit sagen wollen, soll ich fortsetzen?"

Der Verkäufer nickte nur stumm.

Frank Krause kam langsam in Wallung.

Seine kräftige Bassstimme dröhnte durch das Autohaus.

"Widernatürlicher, verabscheuungswerter, viehischer Schuft!"

Eine Minute später kam ein Mann zu den Krauses und dem Verkäufer.

"Einen schönen guten Tag bei Volks-Rasen, mein Name ist Detlef Geh, ich bin der Niederlassungsleiter. Kann ich irgendwie behilflich sein? Gibt es etwa Probleme, Herr Schneider?"

"Nein, nein, Herr .., ähm .."

"Krause, Frank Krause, Staatsschauspieler."

"Ich bin hocherfreut, Herr Krause, Sie hier bei uns bei Volks-Rasen begrüßen zu dürfen. Eine große Ehre für uns."

"Jetzt reicht es mir aber langsam" wurde Gisela Krause laut "ich bin wohl Luft für Sie, weil ich eine Frau bin? Das ist eine Unverschämtheit, eine Diskriminierung! Wie war Ihr Name? Gay? Wie schwul?"

"Nein, Geh, wie Gehen."

"Sind Sie verheiratet, Herr Geh?"

"Ich weiß nicht, was das mit einem Verkaufsgespräch zu tun haben könnte, ob ich nun verheiratet bin oder nicht."

"Also?"

"Ich bin nicht verheiratet."

"Aha, aha."

"Wie meinen Sie das, dieses Aha?"

"Nun, ich denke mir da meinen Teil" erwiderte Gisela Krause anzüglich "und Ihr Gestus und Habitus lässt mich da einiges vermuten."

"Ich als Charakterschauspieler muss meiner Frau beipflichten" schaltete sich Frank Krause wieder in das Gespräch ein "und meine langjährige Erfahrung sagt mir, dass bei Ihnen einiges im Argen zu liegen scheint. Eine tragende Rolle als Mann würden Sie von mir niemals bekommen. Schauen Sie sich doch einmal selbst an. Sie stehen da wie ein Schluck Wasser in der Kurve. Sie haben Null Körperspannung. Außerdem sind Ihre Arm- Handbewegungen seltsam weich, gar nicht kraftvoll. So wie fließend, als wollten Sie die Luft liebkosen. In Ihrem Gesicht sehe ich Rückstände einer Creme. Sie verwenden ein feminines Parfüm. Und Ihre Sprache entlarvt Sie dann endgültig. Wissen Sie, ich bin ein sehr wandlungsfähiger Schauspieler. Und etliche meiner Kolleginnen und Kollegen am Theater oder beim Ballett haben sich vor kurzen erst öffentlich geoutet, dass sie eben andersrum sind. 185 Leute. Das ist nur die Spitze des Eisbergs! Der von mir geschätzte Udo Mutthes hat in "Der Untergang" den Reichspropagandaminister Dr. Joseph Goebbels gespielt. Wenn das der Goebbels gewusst hätte! Ein Schwuler stellt ihn dar! Der hätte sich doch nie wieder eingekriegt! Ich habe solche Probleme ja nicht, deswegen ist mir die Rolle des Führers Adolf Hitler auch regelrecht auf den Leib geschrieben. Sogar die Staatsführung hat mir heftig applaudiert. Und das will schon was heißen! Herr Gay, stehen Sie zu Ihrer Veranlagung! Es ist keine Schande, und in den Knast müssen Sie deswegen auch nicht mehr. Aber Reisen in muslimisch dominierte Länder sollten Sie tunlichst unterlassen. Wobei, von diesen Leuten haben wir mittlerweile ja auch mehr als genug bei uns. Also, knutschen Sie nicht in der Öffentlichkeit mit ihrem Kerlchen rum, das könnte böse Folgen haben. Können wir jetzt wieder über so ein Elektroauto reden?"

Detlef Geh hatte sich wieder etwas gesammelt und wollte Krause das momentan am besten verkaufte Fahrzeug vorstellen, da ergriff Gisela Krause noch einmal das Wort.

"Bevor wir dazu kommen habe ich eine abschließende Frage an Sie, Herr Geh. Wie viele Frauen arbeiten hier?"

"Ähm, ähm, keine."

"Auch nicht an der Rezeption?"

"Nein. Leider konnten wir keine geeignete Kandidatin finden."

"Seien Sie doch mal endlich ehrlich, Sie wollten sie gar nicht finden!"

"Nein, das stimmt nicht. Ich habe die Bewerbungsgespräche persönlich als Niederlassungsleiter geführt."

"Jetzt wundert mich gar nichts mehr. Gerade Sie als Homosexueller führen Bewerbungsgespräche mit Frauen. Klar, dass die Weiber da keine Chance hatten. Diese blöden Tussis könnten ja die schwüle warme Atmosphäre in Ihrem Männerladen hier stören. Und Sie erzählen uns was über Diversity! Sie, Herr Schneider, wie sieht es denn bei Ihnen aus?"

"Wie meinen Sie das?"

"Na ich möchte gern wissen ob Sie verheiratet sind. Aber ich kann mir die Frage sicher gleich selbst beantworten: nämlich natürlich nicht."

"Das stimmt. Ich bin gerade mal 26, da hab ich doch wohl noch Zeit genug, eine Frau zu finden."

"Mein lieber Herr Schneider" meldete sich Frank Krause wieder zu Wort "die Messen sind doch schon längst gesungen. Der Mensch wird in seiner Kindheit geprägt. Vor allem durch sein Wohnmilieu. Der große Heiner Muller hat mal von "Fickzellen mit Fernheizung" gesprochen. Er meinte damit die Plattenbausiedlungen im Osten. Wo sind Sie aufgewachsen?"

"Hier, in unserer Stadt."

"Und in welchem Stadtteil?"

"Ähm, in der Westvorstadt."

"Das hatte ich befürchtet" sagte Gisela Krause "die Hartz-IV-Hochburg, Drogen- und Kriminalitätsschwerpunkt, heruntergekommene Gebäude, Perspektivlosigkeit. Und Sie wohnen noch immer dort?"

"Ja, leider. Es ist verdammt schwer, hier in der Gegend bezahlbaren Wohnraum zu finden. Und so doll verdiene ich hier auch nicht."

"Dann müssen Sie eben mal den Finger aus dem Arsch nehmen, Schneider, und nicht bloß den ganzen Tag hier so faul herumsitzen" fuhr Detlef Geh den Verkäufer an "es liegt an Ihnen ganz allein, wieviel Sie hier verdienen!"

"Jetzt verlassen Sie aber den Boden des Anstands junger Mann" sagte Gisela Krause "Sie können doch Ihren Mitarbeiter nicht so vor den Kunden herabwürdigen! Und dazu noch in so einem nicht misszuverstehenden Duktus. Eigentlich möchte ich sofort gehen, aber mein Mann möchte unbedingt so ein Elektroauto kaufen."

"Nun, ich als Staatsschauspieler mit meiner langjährigen Bühnenerfahrung weiß ganz genau, dass wir nicht nur im Theater eine Rolle spielen, sondern auch im wirklichen Leben. Sie, Gay, stehen sicher wegen den extremen Umsatzerwartungen von Volks-Rasen unter hohem Druck, und Sie, Schneider, wollen endlich sozial aufsteigen. Wir wollen Ihnen durch einen Kauf dabei helfen."

"Danke, danke" erwiderte Detlef Geh "Sie können sich gar nicht vorstellen, was die mir aus der Zentrale für Zahlen vorgeben. Da könnte ich mir den Arsch bis zur Halskrause aufreißen, es ist nicht machbar. Und dann soll ich die auch noch an der Pupe lecken, damit ich nicht gleich rausfliege! Ich bin doch kein perverser Feinschmecker! Mit mir nicht!"

"Gut" meinte Gisela Krause "zeigen Sie uns jetzt mal so ein Fahrzeug."

Der Volks-Rasen idiot 1 (intelligent drive in old technology) war von den Designern sehr ansprechend gezeichnet worden. Die Front war durch die ausgesprochen aggressiv blickenden Voll-LED-Scheinwerfer charakterisiert, die Seitenlinie stieg bis zur C-Säule dynamisch an (eine Tornadolinie war angedeutet worden), das Heck hob sich wohltuend vom Einheitsbrei ab, weil es extrem schmale Leuchteinheiten auswies, und die Mehrfarblackierung schuf spannende Kontraste. Krause wurde gebeten, auf dem Fahrersitz Platz zu nehmen. Der Porsche 911-Fahrer war von seinem Wagen höchste Verarbeitungsqualität und eine erlesene Materialanmutung gewohnt. Jetzt blickte er auf eine triste Hartplastiklandschaft. Vor ihm war ein winziges elektronisches Display angeordnet. Alles in dem Fahrzeug wirkte billig, und selbst der Zusammenbau schien noch nicht auf dem Stand der Dinge zu sein, überall klafften Lücken an den Passstellen.

"Etwas rustikal würde ich sagen" war sein Kommentar.

Detlef Geh hatte zu Schneider gesagt:

"Übernehmen Sie mal, ich möchte Ihnen den Verkaufserfolg nicht streitig machen und Ihren Wegzug aus der Westvorstadt unterstützen."

Frank Krause war ausgestiegen und hatte Schneider befragt.

"Wie weit komme ich denn mit einer Ladung?"

"So um die 380 Kilometer. Das ist aber abhängig von Ihrem Fahrstil. Volks-Rasen empfiehlt eine maximale Geschwindigkeit von 120 Km/h."

"Wie bitte?"

"120 Km/h. Damit kommen sie am weitesten. Ich muss Ihnen aber ehrlicherweise sagen, dass sich die Reichweite noch weiter reduziert, wenn Sie weitere Verbraucher wie die Klimaanlage oder die Heizung in Betrieb nehmen. Dann sind eventuell so um die 280 Kilometer drin."

"Das heißt, ich muss mir so nach 250 Kilometern eine Stromtankstelle suchen."

"Ja, eine Ladestation."

"Und wie lange dauert das dort."

"Das kommt auf die Kapazität der Ladesäulen an. Und ob die überhaupt funktionieren. Und ob Sie sich mit der Handy-App dort anmelden können. Das klappt meistens nicht. In der Praxis sind ja noch viele andere Autos da, die gerade laden. Da müssen Sie eben erst mal warten, und dann können Sie laden. Das kann schon ein paar Stündchen dauern."

"Das meinen Sie jetzt nicht ernst" erregte sich Frank Krause "was mache ich denn in der Wartezeit?"

"Gehen Sie einen Kaffee trinken."

"Ein paar Stunden Kaffee trinken? Wie schnell ist denn das Ding überhaupt, und wie teuer?"

"Der idiot 1 erreicht maximal 160 Km/h und kostest in der besten Ausstattung 58.000 Euro. Der Staat zahlt Ihnen aber eine Prämie von so zirka 9.000 Euro, wenn Sie ein E-Fahrzeug erwerben."

"Das ist ein Trugschluss junger Mann" erwiderte Gisela Krause "der Staat hat gar kein Geld. Er kassiert die Bürger und die Unternehmen ab und tut dann so, als ob er irgendwie wirtschaften würde. Die meisten Idioten glauben auch noch diesen Geschichten. Wir kaufen also so ein zusammengeschustertes Ding und müssen dafür 58.000 Euro auf den Tisch legen. Dazu zahlen wir uns über unsere Steuern selbst noch 9.000 Euro zurück. Glauben Sie denn ernsthaft, dass wir den Arsch offen haben?"

"Schatz, bitte" sagte Frank Krause "diese bedrückende Aura hier bringt uns alle irgendwie durcheinander. Da kann man ja wirklich noch zum Homophoben werden. Sagen Sie mal Herr Schneider, würden Sie selbst so ein Auto kaufen? Also, wenn sie das Geld dafür hätten?"

Schneider sah sich prüfend um.

"Nein" sagte er dann flüsternd "das ist alles ein großer Beschiss. Wir werden mit Reklamationen überschüttet, die Qualität stimmt nicht, die Reichweite ist ein Witz, Mängel über Mängel. Lassen Sie lieber die Finger lieber davon."

"Gar nicht unsympathisch dieser Schneider" sagte Frank Krause, als sie im Porsche wieder nach Hause fuhren "dem wünsche ich den Ausbruch aus der Westvorstadt. Vielleicht finden wir doch noch einen anderen Anbieter."

Das Autoradio dudelte.

"Und nach unserem längeren Werbeblock folgt dann ein Interview mit Hubert Heil zum Thema: Für die Umsetzung der Elektromobilität brauchen wir qualifizierte Arbeitskräfte. Aber erst einmal für Sie: Werbung."

"Dieser Typ ist mir schon mal untergekommen" sagte Krause zu seiner Frau "der scheint ja recht präsent zu sein. Kennst du den?"

"Nein. Ich wundere mich allerdings, dass man eine Person mit so einem Namen in der Öffentlichkeit auftreten lässt. Du weißt doch selbst aus deinen Vorbereitungen der Hitler-Rolle, wie negativ dieser Begriff "Heil" beladen ist."

"Das stimmt wohl. Aber er hat doch einen historischen Kontext. Über "Heil Caesar" regt sich doch auch keine Sau auf. Na klar, der Hitler ist ein Verbrecher gewesen. Aber die Deutschen haben doch fast alle mitgemacht. Ich traue mich ja mittlerweile kaum, über die heutigen Verhältnisse zu reden. Es läuft doch erkennbar vieles schief, und alle ziehen den Schwanz ein. Wer was dagegen sagt, ist ein Nazi. So ein Blödsinn. Nur weil man Dinge in Frage stellt, muss man doch nicht unrecht haben."

"Ja Frank, ich gebe dir recht. Aber wollen wir uns unsere letzten Jahre noch mit Protest versauen? Sicher nicht. Was ist denn nun mit einem Elektroauto?"

"Weiß nicht, ich informiere mich noch weiter."

Der 90. Geburtstag - Eine rabenschwarze Kriminalkomödie

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