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Henriette und Klaus-Rüdiger von Schwarzbach

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"Natürlich werden wir deinem Vater unsere besten Wünsche zu dessen runden Geburtstag persönlich überbringen, das ist doch wohl selbstverständlich, mein Schatz" sagte Klaus-Rüdiger von Schwarzbach zu seiner Frau "und es sollte doch ein angemessenes Geschenk sein."

"Das wird nicht ganz so einfach werden, mein Liebling" erwiderte seine Frau "wir stecken schon wieder einmal ziemlich tief im Dispo. Vielleicht solltest du deine Besuche auf der Pferderennbahn einmal für eine Weile einstellen. Oder du trennst dich von deinem Oldtimer."

"Beides sind ungebührliche Vorschläge, Henriette. Ein von Schwarzbach fährt standesgemäß zum Rennen vor. Außerdem gehe ich davon aus, dass dein Vater nicht mehr das ewige Leben haben wird, und dann könnten wir ja eventuell mit einer finanziellen Spritze rechnen. Nun, ich will es nicht beschreien, aber bei unserem letzten Treffen erschien er mir schon etwas hinfällig. Vielleicht macht er es nicht mehr lange."

"Das sind böse Worte, Klaus-Rüdiger. Er ist mein Vater."

"Der dich zu seinem 85igsten Geburtstag vor allen gedemütigt hat. Und mich mit. Und das vergesse ich ihm nicht. Dieser alte Sack beherrscht nicht einmal die Regeln des menschlichen Anstands. Aber weil alle auf sein Vermögen scharf sind, schlucken sie alles runter und ducken sich weg. Gut, er hat uns vor 30 Jahren mal 10.000 D-Mark geschenkt. Aber so wie ich ihn kenne, war das doch eine Idee von seinem Steuerberater gewesen. Vielleicht ist das als Spende deklariert worden. Diesem raffgierigen Kerl traue ich alles Schlechte zu."

"Bedenke doch bitte, dass er in seinem Leben viel durchgemacht hat. Als halbes Kind musste er noch in den Krieg ziehen. Das hat ihn sicher traumatisiert und könnte so manche unbedachte Äußerung erklären."

"Aber dass er uns allen beim letzten Familientreffen ausgerechnet zum Essen von seinen Kriegserlebnissen erzählt hat, das war schon ein starkes Stück. Ich habe mir jedes Wort gemerkt, weil ich so schockiert gewesen bin. Ich will dir das noch einmal in Erinnerung rufen. Er hat wörtlich gesagt: "Und dann bin ich mit 16 noch zum Volkssturm geholt worden. Zusammen mit nem Schulkumpel hab ich in nem Schützengraben gestanden. Der Rudi hatte ne alte Jagdflinte, ich ne Panzerfaust und ne klapprige Pistole mit drei Schuss Munition. Da kommt so ein T 34 angefahrn. Ich peile den mit der Panzerfaust an und drücke ab. Es kracht mörderisch, das Ding bleibt stehen, fängt an zu qualmen, die Luken gehen auf, und zwei Kerle kommen aus dem Panzer raus. Die brennen und schreien wie am Spieß. Mein Kumpel will sich das Theater genauer ansehen und kuckt aus dem Schützengraben raus. Wutsch, er kriegt ne Kugel in die Rübe, und mir spritzen sein Blut und Gehirn ins Gesicht. Ich schaue mir meinen Kumpel an und dem seine Birne is zur Hälfte weg. Das Zeug in seinem Schädel sah so n bisschen aus wie der Schweinebraten dort, so von der Farbe her. Dann kuck ich mir die toten Russen an. Die sind so verschmort, wie die Kruste hier auf den Hühnerbeinen. Na ja, dann bin ich abgehauen."

"Klaus-Rüdiger, bitte. Ja, es war schlimm. Seitdem esse ich keine Hühnerbeine mehr."

"Ich will dir eins sagen, Henriette, dein Vater ist nicht traumatisiert, er ist ein Perverser. Da kommt auch seine Lust her, andere vor allen anderen Gästen zur Sau zu machen. Der sollte mal von einem Gehirnklempner untersucht werden."

Klaus-Rüdiger von Schwarzbach war eigentlich schon immer chronisch pleite. Vermutlich lag das auch an seiner Herkunft, denn er war elternlos aufgewachsen. Man hatte ihn als frischgeborenes Baby vor einem Krankenhaus einfach in einem Körbchen abgestellt und seinem Schicksal überlassen. Zu seinem Namen war er gekommen, weil er in dem katholischen Waisenhaus "Am Schwarzbach" aufgewachsen war. Die herzensguten Nonnen hatte den Jungen ins Herz geschlossen, und ihm seinen dem damaligen Zeitgeist entsprechenden Namen gegeben. Im Heim hatte man ihm eine gute Bildung angedeihen lassen. Er hatte sich nach dem Abitur für ein Studium der Germanistik mit der Spezialisierung auf die altdeutsche Sprache entschieden. Schwarzbach liebte es, über die so zwischen den Jahren 750 und 1050 gepflegte Sprachform zu sinnieren. Er war dann in einem Institut untergekommen, in welchem weiter daran geforscht wurde, ob man dieses oder jenes Wort mit "ae" oder "ä" oder statt "ss" mit "sz" schreiben sollte. Die Diskussionen darüber hielt er für hochstehenden wissenschaftlichen Meinungsaustausch. Leider wurde seine Tätigkeit ziemlich mies vergütet, was eigentlich nicht zu seinen Ansprüchen an eine angemessene Lebensführung als Akademiker passte. Schwarzbach kannte einen vermutlich sehr wahren Spruch: Wer nichts erheiratet oder ererbt, bleibt arm, bis er sterbt. Erben konnte er von seinen Eltern nichts, weil er keine hatte. Jedenfalls war nicht bekannt, wer seine Eltern waren. Also musste er sich auf dem Heiratsmarkt umsehen. Er hatte durch seine Ausbildung einen sehr umfassenden Wortschatz erworben, besaß angenehme Umgangsformen, und sah gut aus. Obwohl er kein Logiker war, verfügte er doch über eine gewisse Bauernschläue, und legte sich einen Plan zurecht. Er musste ein Elternhaus finden, welches gut situiert war, so dass er mit finanzieller Unterstützung rechnen konnte. Die Firma "Anton Bockelmüller Bau GmbH" schien ein geeigneter Kandidat zu sein, denn deren Fahrzeuge und Arbeiter sowie die Firmentafeln sah er sehr oft in der Gegend. Er fand auch heraus, dass der Inhaber vier Töchter hatte, die damals allesamt noch unverheiratet waren. Da er immer knapp bei Kasse war, verfügte Schwarzbach nur über ein Fahrrad, aber das hinderte ihn nicht, damit den Umkreis des Wassergrundstück dieses Bockelmüller zu erkunden. Die gesamte Familie schien im Sommer ab Samstag bis Sonntagabend dort zu wohnen. Zum Grundstück gehörte ein Bootssteg, und dort lag ein motorgetriebenes Kajütboot. Daneben war von der Firma Bockelmüller selbst ein etwa drei Meter breites Stück Sandstrand von gut 10 Meter Länge vor der Uferböschung angelegt worden. Wie das hatte genehmigt werden können war Schwarzbach ein Rätsel, aber offensichtlich verfügte dieser Bockelmüller über beste Kontakte zur Politik und den Behörden.

Schwarzbach drückte sich unauffällig im angrenzenden Gelände herum, und konnte so einige Blicke auf die vier Töchter erhaschen. Eine hob sich von den anderen drei ab, denn sie war nicht so groß und schlank wie die anderen jungen Frauen, sondern, er suchte nach einem passenden Begriff, denn er war ja Sprachwissenschaftler. So wie er es auch drehte oder wendete, ein Wort beschrieb die Gestalt der Frau gut: ein Kasten. Schwarzbach empfand das nicht als abwertend, denn das Mädchen war etwa ein Meter und fünfundfünfzig groß, und in der Breite zwar nicht so ausladend, aber doch schon ordentlich bestückt. Soweit wie er es erkennen konnte, hatte sie eine ordentliche Oberweite und ein hübsches Gesicht. Äußerlichkeiten spielten für ihn als Schöngeist eine untergeordnete Rolle, es kam ihm auf den geistigen Austausch an. Er konnte natürlich noch nicht einschätzen was die junge Frau zu bieten hatte, aber er beschloss fürs Erste, sich diese eventuell in vieler Hinsicht sprichwörtlich fette Beute zu angeln. Von Schwarzbach war zu dieser Zeit, 1976, 24 Jahre alt, Henriette Bockelmüller 20. Die junge Frau war offensichtlich nicht mit allzu vielen intellektuellen Gaben gesegnet, weswegen sie wohl als Verkäuferin in einem Modeladen arbeitete.

Er kreuzte dort auf und gab vor, ein neues Hemd zu suchen. An diesem Tag hatte er noch 12 Mark im Portemonnaie und wartete auf sein Gehalt, es waren aber noch vier Tage bis dahin. Henriette Bockelmüller beriet ihn, und er konnte sie näher beäugen. Sie war tatsächlich recht hübsch und sehr angenehm im Auftreten. Außerdem roch sie sehr gut. Schwarzbach nahm Witterung wie ein scharfer Jagdhund auf und war sich sicher, dass er nun auf der richtigen Fährte war. Er salbaderte die junge Frau schwindlig und lud sie für die kommende Woche (da würde sein Konto wieder etwas gefüllt sein) in ein Kaffee ein. Sie fanden sich ganz sympathisch. Obwohl Schwarzbach feststellte, dass ihr Horizont nur vom Kuchenbacken bis zu Damenunterwäsche reichte war er entschlossen, jetzt Nägel mit Köpfen zu machen. Was sollte er mit einer bildhübschen und hochgebildeten Frau anfangen, da bestünde immer die Gefahr, dass er ihr zu wenig bieten könnte. Hier hätte er ein Objekt, welches er nach seinem Willen formen könnte. Er ließ sich nach einer Weile zum Vorstellungsgespräch bei Henriettes Eltern und Schwestern einladen. Voller Spannung trat er dort an und brillierte mit seiner Redekunst und seinem Charme. Die Frauen hatte er sofort auf seine Seite gezogen, nur der ihn verächtlich ansehende Anton Bockelmüller schien nicht beeindruckt gewesen zu sein. Dieser grimmige Patron war aber offensichtlich von der Damenriege so bearbeitet worden, dass Schwarzbach dann gnädig aufgenommen wurde. Er ließ noch eine Schamfrist von zwei Wochen vergehen, dann bat er um die Hand von Henriette. Bald darauf fand die Hochzeit statt, und Schwarzbach rechnete mit einer üppigen Mitgift. Er hatte sich total verkalkuliert. Eigentlich hätte der ständig missgelaunte Bauunternehmer doch mehr als froh sein müssen, dass er ihm seine schwervermittelbare Tochter abgenommen hatte. Sie bekamen ein Kaffeeservice im Wert von 128,83 Mark, denn der Kassenzettel lag noch bei.

Schwarzbachs Plan einer recht sorgenfreien Zukunft war vollkommen in die Hose gegangen. Jetzt konnte er nur das Beste daraus machen. Henriette war tatsächlich sehr liebevoll und fürsorglich und gerade einmal neun Monate nach der Hochzeit kam schon Hans zur Welt, und zwei Jahre später Claudia. Henriettes Mutter steckte ihnen ab und zu mal einen Hunderter zu, aber finanziell kam die neue Familie nie auf einen grünen Zweig. Es sah so aus, als ob es immer dabei bleiben sollte.

Der 90. Geburtstag - Eine rabenschwarze Kriminalkomödie

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