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Gisela und Frank Krause

"Und ob ich darauf freue, mit dem alten Schwerenöter wieder mal einen zu trinken" erklärte Frank Krause seiner Frau "bei so einer Feier kann man doch schöne Studien treiben. Alle haben Schiss vor dem Alten und scheißen sich fast ein, dass er sie wieder mal Maß nehmen könnte. Dann haben aber alle aber wenig später mächtig einen in der Krone und werden plötzlich ganz mutig. Das ist dann der Augenblick, wo sich alle irgendwie gegenseitig angehen und vorwerfen, was sie doch für fiese Schweine sind. Und der Pascha beobachtet das alles und schießt dann noch zusätzlich seine Giftpfeile ab. Mal ist der dran, dann jener. Ob eigenes Kind, Schwiegersohn, Enkel oder Urenkel, alle kriegen ihr Fett weg, quer durch die verschiedenen Familien. Zum Schluss weiß dann keiner mehr was so alles an Anschuldigungen ausgesprochen worden ist, was stimmt, und was nur Gerüchte sind. Dann hat der Alte wieder genau das erreicht was er wollte: alle sind total verunsichert und sich spinnefeind. So kann man doch gut einen geschlossenen Widerstand verhindern."

"Warum sollte es einen geschlossenen Widerstand gegen meinen Vater geben müssen" fragte Gisela Krause "nun gut, er ist nicht der Feinste in seinen Umgangsformen, er ist manchmal jähzornig, aber er hat auch schon öfter geholfen. Allerdings hat er ein Herz aus Stein, und wenn er hilft tut er das nur zum eigenen Vorteil und holt sich alles dreifach wieder zurück. Aber keiner hat die Traute gegen ihn aufzubegehren."

"Ja, zum Beispiel diesem arroganten Schnösel von Schwarzbach, diesem Möchtegern-Adligen, diesem arbeitsscheuen Subjekt, dem hat er geholfen. Der hat mir beim letzten Mal erzählt, dass dein Vater ihm einen Kredit mit 8 Prozent Zinsen gegeben hat. Du kriegst heute einen Kredit fast umsonst. Aber Monsieur von Schwarzbach ist wohl so pleite, dass ihm keine Bank mehr was leiht. Deine Schwester tut mir leid."

"Wir haben sie damals alle gewarnt, aber sie hat ja nicht auf uns gehört. Aber sie ist schon ein bisschen geistig minderbemittelt. Ich meine das nicht böse, aber es ist leider die Wahrheit. Die hat ja schon in der Schule nichts auf die Reihe gekriegt. Und das Aussehen! Gut, da kann sie nichts dafür, aber sag mir mal als Mann, wie wird denn der Adlige damals einen hochgekriegt haben? Das ist doch bei mir etwas anders, oder, du geiler Bock?"

"Warte ab, du elende Nutte, wenn wir mit diesem Gespräch fertig sind, vögele ich dich so durch, wie du es lange nicht mehr erlebt hast. Ja, bei dir kriege ich immer noch einen zuverlässig hoch. Der Sport hält dich jung, alle schätzen dich mindestens 15 Jahre jünger. Und du fickst immer noch wie eine läufige Hündin. Aber erst mal zurück zu unserem Casanova. Ist doch vollkommen klar, der hat immer eine gute Balance zwischen dem Alkohol und dem Trieb finden müssen. Genug, dass er den Anblick vergisst und draufrutschen kann, aber nicht zu viel, damit er noch einen hochkriegt. So einfach ist das."

Gisela Krause war die schönste der Bockelmüller Töchter gewesen, noch schöner als ihre Schwester Renate. Alles an ihr hatte gestimmt: der Körperbau, das schöne Gesicht, die langen vollen Haare, ihre Stimme. Dazu war sie noch klug, aber in ihrem Auftreten sehr feminin. Ihre Lebensfreude strahlte auf andere aus und ihr Optimismus gab ihr Kraft. Den hatte sie auch benötigt, als ihr Sohn Bernd vor nun schon 20 Jahren bei einem Motorradunfall im Alter von 23 Jahren ums Leben gekommen war. Ihr Vater hatte ihr in dürren Worten schriftlich sein Beileid ausgesprochen und geschrieben, dass es bei dieser mittlerweile weitverbreiteten Raserei eines Tages dazu kommen musste. Wenigstens war er mit seinem mürrischsten Gesichtsausdruck auf der Beerdigung erschienen. Vielleicht hatte ihn einmal in seinem Leben so etwas wie ein schlechtes Gewissen geplagt, denn er hatte Bernds Witwe 20.000 DM überwiesen. Vorsorglich hatte Bockelmüller aber auf die Überweisung "Familienhilfe, ohne Eingestehen eines Rechtsgrundes" geschrieben, was viele Spekulationen angeheizt hatte, dass einer seiner LKW der Unfallverursacher gewesen sein könnte, denn am Unfallort war angeblich nur der verunglückte Bernd Krause aufgefunden worden. Aber wie üblich, wenn Bockelmüller im Spiel war, hatte sich nichts gegen ihn ergeben.

Frank Krause war eine schillernde Persönlichkeit. Er war eine Mischung aus Arnold Schwarzenegger, Martin Heidegger und Götz George. Seine körperliche Ausstrahlung war raumgreifend, seine Stimme dröhnte im Bass, und er konnte aus dem Stehgreif heraus philosophische Exkurse absondern. All das, und auch sein ausdrucksstarkes Gesicht, hatten ihn für die Schauspielerei prädestiniert. Er war ohne Mühe zum Studium angenommen worden und hatte im ersten Semester seine vordringliche Aufgabe darin gesehen, sich erst einmal durch das annehmbare weibliche Material durchzuvögeln. Seine speziellen Talente in dieser Hinsicht waren auch einer Sprachausbilderin aufgefallen und es lag nahe, dass Krause bei einer Sprachlehrerin, die auch über Zungenstellungen beim Sprechen unterrichtete, vor allem seine besonderen Fähigkeiten im Cunnilingus geschickt einsetzte. Nachdem er der Leckerei allerdings überdrüssig geworden war, wanderte er zu einer Tanzpädagogin weiter. Diese Frau verblüffte ihn mit ihrer enormen Beweglichkeit, und er lernte ganz neue, eigentlich für von ihm beim Beischlaf für unmöglich gehaltene Stellungen kennen. Die dritte im Bunde war eine Gesangslehrerin, die ihn durch ihre Atemübungen beeindruckte, denn sie konnte ganz hervorragend blasen. Er hatte sich nie ganz von einer der Frauen getrennt, sondern musste damals einen Kalender führen, um bei seinen Verpflichtungen nicht durcheinander zu kommen. Er verließ die Ausbildungsstätte mit besten Noten und ganz hervorragenden Empfehlungen der Lehrerschaft.

Er blieb seiner Strategie treu und machte sich am Theater seines ersten Arrangements an die Intendantin heran. Die etwa 50jährige Frau war schon ziemlich leichtfertig mit ihren körperlichen Ressourcen umgegangen, denn sie rauchte wie ein Schlot, und hing (das war allen am Theater beschäftigten Personen bekannt) an der Flasche. Krause näherte sich dieser nach Mülleimer und Schnaps Destille stinkenden Gestalt nur a tergo, und hatte vor dem Akt auch immer einen großen Schluck genommen. So kam er gut rein und auch wieder raus, und dann schnell weg. Seine Bemühungen wurden honoriert, er bekam erste größere Rollen. Da er sich jetzt erst einmal ziemlich ausgelaugt fühlte, konzentrierte er sich auf seine eigentliche Arbeit und wurde schnell zum Star der Bühne. Sein natürliches Talent brachte ihn schnell voran, und auch das Fernsehen wurde auf ihn aufmerksam. Er konnte mittlerweile auswählen, wo er ein Engagement annahm. In dieser Phase traf er nach einer Vorstellung auf Gisela Bockelmüller. Im Ergebnis seiner bisherigen Erfahrungen sah er sofort, dass ihm hier ein ausgesprochen heißer Besen vor die Flinte gelaufen war. Krause hatte sich die Hörner abgestoßen, wollte etwas zur Ruhe kommen und sich vor allem seiner Karriere widmen.

Gisela Bockelmüller machte ihm aber einen Strich durch die Rechnung und trieb ihn mit ihren sexuellen Spielchen immer wieder auf die Palme, so dass er gar nicht mehr anders konnte, als sie zu heiraten. Seine Überlegung war die gewesen, dass dann in der Ehe in dieser Hinsicht Alltag und Gewöhnung einziehen würde, und er dann mit einem Mal pro Woche davonkommen könnte. Er hatte sich verrechnet, und auch nach der Geburt von Bernd und Gabi ging es munter weiter. Es gab Zeiten, da flüchtete er regelrecht zu einem auswärtigen Engagement. War er wieder zu Hause, überfiel ihn eine Furie, die ihn aussaugte. Aber mit der Zeit lernte er, sich gesünder zu ernähren und bewusster zu leben, und trieb sogar etwas Sport. Ihr Sexualleben war erfüllend, und ihr übriges Zusammensein auch. Frank Krause würde sich selbst als einen glücklichen Ehemann bezeichnen, wenn da nicht ständig im Hintergrund die böse Fratze seines Schwiegervaters drohen würde. Schon bei seinem ersten Treffen mit der Sippe im Anwesen des Patriarchen war er mit einige der Anwesenden aneinandergeraten, weil man ihm aus seiner Sicht als landesweit bekannten Mimen zu wenig Aufmerksamkeit und Respekt entgegengebracht hatte. Der alte Bockelmüller hatte dem dann doch recht lautstarken Treiben grinsend zugesehen und dann sein Fazit gezogen.

"Ein richtiger Mann muss eine richtige Arbeit leisten können. Auf dem Bau zum Beispiel. In einem Blaumann. Wer auf einer Bühne in rosa Klamotten wie eine Schwuchtel herumspaziert, den kann man nicht ernst nehmen."

Das brüllende Gelächter hatte Krause zutiefst getroffen, und er hatte für diese Demütigung Rache geschworen. Gerade seine Rolle des Papst Pius VVI. im "Der Stellvertreter" von Hochhuth hatte in der Kritik Begeisterungsstürme ausgelöst, weil Krause das sensible Thema Kirche und Holocaust darstellerisch so genial bewältigt hätte, wie keiner je vor ihm.

"Ihr unwissenden Ignoranten" hatte er in den aufgeheizten Raum gerufen "das Schicksal der Juden interessiert euch wohl gar nicht? Ihr hättet nach dem Krieg sicher auch gesagt, dass ihr von all den Verbrechen nichts gewusst habt. Immer schön die Augen zumachen, ihr satten Spießbürger!"

Damit hatte er alles noch zu seinen Lasten verschlimmert, denn er war ausgebuht, und dann von allen geschnitten worden. Keiner sprach mit ihm, nur die hässliche Frau des Adligen versuchte ihn zu trösten. Er war zu diesem Zeitpunkt schon einigermaßen angetrunken und hatte Henriette von Schwarzbach nur angeblafft:

"Zieh Leine, du hässlicher Kasten!"

Bei den nächsten Veranstaltungen hatte er seine intellektuellen Ansprüche an das Publikum der Sippe deutlich heruntergeschraubt und sich volksnah gegeben. Das war besser angekommen, und er versuchte herauszubekommen, wer mit dem alten Bockelmüller auch noch eine Rechnung offen hatte. Es schienen einige zu sein. Aber so richtig bekam er nicht heraus, was so wirklich bei den einzelnen Leuten abgelaufen war. Alle waren aber offensichtlich darauf erpicht, in der Gunst von Bockelmüller möglichst weit oben zu stehen. Der Fall war klar, es könnte viel Geld lachen. Im Straßenverkehr der Region waren die Firmenfahrzeuge sehr präsent, an jeder zweiten Baustelle stand eine Tafel von Bockelmüller. Er versuchte sich an Baumann ranzumachen, der ja in der gleichen Branche tätig war.

"Da ist schon einiges an Kapital vorhanden" sagte der "du kannst dich im Bundesanzeiger informieren, dort müsste er seine Bilanz veröffentlichen. Aber daraus siehst ja nur, wie die Firma dasteht, nicht was er privat auf der Kante hat. Aber er ist Alleingeschäftsinhaber und damit gehört ihm auch die Firma. Mit ihrem Vermögen, und mit ihren Schulden. Kuck mal, so ein Muldenkipper kostet vielleicht im Schnitt, ich sage bewusst im Schnitt, sagen wir mal 80.000 Euro. Wenn er acht davon hat, hat er schon 640.000 Euro im Anlagevermögen. Sicher, die Fahrzeuge werden abgeschrieben, weil sie verschleißen und an Wert verlieren. Aber es geht doch nur mal um eine Größenordnung. Der hat auf seinem Firmengelände bestimmt an die 50 Maschinen stehen. Und das sind keine alten Kisten. Und was der so an Gewinn rausholt weiß ich nicht, es wird ordentlich sein. Sagen wir mal, der hat eine Umsatzrendite von 3 Prozent. Das bedeutet, dass er bei 100 Euro Umsatz 3 Euro Gewinn macht. Ich weiß wirklich nicht wie viel der an Umsatz hat, aber das dürften einige Millionen sein. Rechne mal mit 10 Millionen. Was kommt da raus?"

"3.000?"

"Man merkt, dass du nicht rechnen kannst. 300.000! Und bei 20 oder 30 Millionen Umsatz sind das dann 600.000 oder 900.000. Eventuell jedes Jahr, und das seit vielen Jahren. Du kannst alle möglichen Zahlenkombinationen verwenden, aber du weißt eben nicht, wie es wirklich aussieht. Ich sage dir, der hat wie Dagobert Duck einen geheimen Geldspeicher und geht zum Frühsport dort baden."

In diesem Moment hatte sich Krause gesagt, dass er zwar nicht zum Killer geboren wäre, aber vielleicht zum Erpresser. Sein schauspielerisches Talent könnte ihm eventuell helfen, irgendeine Schwachstelle im Leben des alten Bockelmüller zu finden. Jetzt musste er noch geeignete Ansatzpunkte finden.

Der 90. Geburtstag - Eine rabenschwarze Kriminalkomödie

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