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Ich arbeite in einem verspotteten Beruf

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Der trotzige Stolz eines höheren Bankangestellten, der sich seine Position hart ermobbt hat

Ich bin ein Mann in den besten Jahren und habe mich hart und mühevoll auf den Posten des Regionalleiters in einer gutfrequentierten Bank hochgemobbt. Natürlich weiß ich, dass mein Banker-Beruf, vor allem in höherer Position, in den letzten Jahren ganz kräftig in die Schmuddelecke gerutscht ist. Aber das prallt vollkommen ab an mir, so wie belanglose Wassertropfen auf einer schmierigen Ölschicht, ein Bild, das mir übrigens außerordentlich gefällt.

Als ich über ein paar Ecken von diesem Buchprojekt erfuhr, mir also zu Ohren kam, dass hier erzählt wird, was Menschen so tun und nicht lassen können, wollte ich um jeden Preis mit von der Partie sein. Vielleicht gelingt es mir, meine Branche über dieses Forum ein wenig rein zu waschen. Wenn nicht - ich habe es wenigstens versucht und werde dann auch nicht schlechter leben als vorher. Aber meine Entwicklung zeigt doch ganz deutlich, dass man mit glasklarem, pragmatischem Verstand, eisernem Willen und Zielstrebigkeit nahezu alles erreichen kann, was einem wichtig ist. Also, lesen Sie, wie ich das wurde, was ich heute bin …

Schon als kleiner Junge wusste ich, dass ich einmal Banker werden möchte. Daher bin ich seit frühester Kindheit mit Spott und Häme eng vertraut. So musste ich mir ewig dumme Sprüche anhören wie:

„Der Klaus, der Klaus, holt aus dir den letzten Pfennig raus“ oder „Hört alle her, der Klaus ist krank, will beruflich mal zur Bank.“

Das tat schon sehr weh! Aber ich war zum Glück von klein auf selbstbezogen, stur und rechthaberisch - Eigenschaften, ohne die ich in meinem Traumberuf natürlich nicht die geringste Chance gehabt hätte. Dass der Wunsch des Bankers so früh bei mir geprägt wurde, liegt vor allem an meiner Mutter. Während andere Babys putzige Spielklappern bekamen, nahm meine Mutter aus Sparsamkeitsgründen eine leere Tomatenheringsbüchse, füllte sie mit kleinen Geldstücken und verschloss sie wieder. Damit soll ich dann stundenlang geklappert haben, das Geräusch der klirrenden Münzen hat mich von Blähungen, Zahnweh und Dellwarzen abgelenkt. Bis weit in die Pubertät hinein konnte mich das Klirren einer mit Geld gefüllten Fischbüchse vor abartigen hormonellen Entgleisungen bewahren. Zu dieser Zeit hat sich wohl in meinem Charakter die tiefe Herzensbindung gegenüber Geld manifestiert.

Erste praktische Erfahrungen im Geldscheffeln sammelte ich bei meinem älteren Bruder Ralf, der im Gegensatz zu mir ziemlich verfressen, faul und geistig träge war. Ein Kinderspiel für mich, ihm mit diesen Schwächen das Taschengeld und mehr abzuluchsen. Um seine Macht als älterer Bruder zu demonstrieren, rief er einmal:

„Banker-Klaus, spann’ deine Wade, hol’ Bruder Ralf fix Schokolade!“

Er gab mir ein paar Groschen und ich musste in den nächsten Laden flitzen. Unterwegs fand ich einen demolierten Füllfederhalter und steckte ihn ein. Vor Ralf trat ich dann völlig verrotzt und verzweifelt und hielt ihm den zerdepperten Füllfederhalter vor die Nase. Dabei rief ich schluchzend:

„Bin im Laden auf den hier drauf gefallen! Wenn Mama erfährt, dass der kaputt ist … Ich muss doch sagen, dass das beim Schokoladeholen passiert ist.“

Das wollte Ralf natürlich nicht, er durfte doch die wenigen Groschen nicht verfressen. Ich machte einen auf verzweifelt und jammerte:

„Aber ich darf doch die Mama nicht anlügen.“

Da trennte sich Ralf ganz schweren Herzens von der Hälfte seiner Schokolade. Aber ich spielte natürlich weiter Theater und flennte:

„Lügen ist doch ganz böse!“

Da versprach mir Ralf (Versprechen gehalten!) einen nagelneuen Füllfederhalter. Wie er ihn besorgen würde, interessierte mich nicht die Bohne, ich wollte ihn nur haben. Und als ich spürte, dass ich bei meinem dussligen Bruder noch eins drauf setzen konnte, wisperte ich:

„Ich muss da aber ganz viel üben mit dem Schwindeln, sonst merkt die Mama das.“

Ralf gab mir dafür noch einen Groschen extra. Das war das Schlüsselerlebnis für mich. Von nun an wusste ich, dass ich aus Menschen einfach alles an Geld herausholen konnte, koste es, was es wolle!

Dass ich schon in ganz jungen Jahren in der Lage war, ein undurchsichtiges Netzwerk filigranster Geldbeschaffungsmaßnahmen zu spinnen, zeigt einer meiner größten Fischzüge, bei dem mir meine erste Freundin Beate nützte.

Bea, damals 14 wie ich, war ein leidenschaftlicher Fan des Schnulzensängers Ronny Peck, der im Schützenhaus des Nachbarortes einen Auftritt hatte. Bea aber durfte nicht hin, es war zu teuer und sie zu jung. Ich spürte sofort, dass da was für mich zu holen ist. Ich nahm das Bastelzeug, einen Schlafsack und meine geliebte Waldmeisterlimonade und verschanzte mich einen ganzen Tag im Wald. Dort fertigte ich ein Herz an und klebte ein Bild von Ronny Peck darauf, das ich in einer billigen Illustrierten aus dem Müll gefischt hatte. Auf das Gebastelte schrieb ich:

„Für die süße Bea von ihrem Ronny Peck. Ich singe auch weiter für dich!“

Das hatte natürlich seinen Preis, denn in der Nacht war es sehr kalt im Wald und meine Eltern mussten den erfolglosen Polizeieinsatz auf der Suche nach mir selbst bezahlen. Dafür verpassten sie mir Stubenarrest. Dass ich mich verlaufen hatte, wollten sie und sollten sie mir auch nicht glauben. Bea erzählte ich, dass ich einen halben Tag unterwegs war bis in den Nachbarort, dort lange nach dem Autogramm angestanden hätte und den weiten Weg nach Hause wieder allein zu Fuß zurück gegangen sei. Meine letzten zehn Kröten wären für den Eintritt und ein bisschen Essen und Trinken im Schützenhaus drauf gegangen, aber das sei sie mir wert.

Bea stibitzte ihrer Mutter sofort einen Zehner und gab ihn mir, voll unter Rührung stehend. Natürlich merkte ihre Mutter den Klau und Bea beichtete, was ich angeblich für sie getan hätte. Ich hatte sie vorher ermuntert, ihrer Mutter gegenüber unbedingt ehrlich zu sein, da man sich sonst ganz schnell in ein Netz von Lügen verstricken würde. Bea also hörte auf mich und als ihre Mutter alles erfuhr, erzählte sie es meiner Mutter. Mein Plan ging voll auf! Der Stubenarrest wurde sofort aufgehoben und meine ansonsten immer extrem sparsame Mutter gab mir auch einen Zehner. Sie war schwerstens beeindruckt, weil sie mich mit 14 das erste Mal selbstlos erlebte, wie sie naiver Weise glaubte.

Das war der absolute Hammer! Ein paar billige Lügen, einen kalten Arsch in der Nacht und dafür 20 fette Mäuse! Die Lunte war gelegt, ab jetzt gab es kein Zurück mehr. Mein ganzes Tun und Denken war von nun an nur auf eins gerichtet: Wie hole ich mir so viel Geld wie möglich von den Leuten und gebe ihnen dabei noch das Gefühl, sie seien mir auf ewig etwas schuldig.

Die Jahre bis zu meiner Bankerausbildung waren dann auch kontinuierlich beruflich orientiert. Meine Stationen im Schnelldurchlauf: Schul-Schatzmeister der 1a, b und c mit sehr hohen Zinsgewinnen (verspätete Einzahlungen in die Klassenkasse kosteten extra!), erster Sieger der kommunalen Monopolymeisterschaften als 9-Jähriger (ohne Altersbegrenzung, da spielten auch ganz besessene Senioren mit, die ich dann später, als sie hochbetagt waren, als zahlungskräftige Kunden für mich akquirierte), Gründung eines Tauschklubs im Altenpflegeheim „Feierabend“ mit 15, Besuch eines Zauberlehrgangs in der Sparte „Geld und Wertgegenstände einfach weg“ und ein Jahr später, 17-jährig, die Herausgabe meines ersten, in sicherer Versform verfassten Lyrikbandes „Ich und das Geld – ich kauf’ mir die Welt!“, der leider öffentlich verkannt und ignoriert wurde.

Das Bankstudium selbst war mir das reinste Vergnügen. Ich schrieb ab, schleimte mich bei reichen Studenten und Lehrkräften ein, spielte leistungsstarke Konkurrenten gegeneinander aus und ließ mir schon damals die Gesichtszüge heimlich so liften, dass das in der Branche übliche Dauergrinsen chirurgisch festgezurrt wurde. Meine neidischen Mitstudenten missgönnten mir natürlich das klassische Bankergesicht mit Sätzen wie:

„Was grinst du denn so blöd“ oder „Ist dieses Nervenleiden erblich?“

Aber letzten Endes zählte nur Leistung und im Geldscheffeln konnte mir keiner so schnell etwas vormachen. Außerdem mobilisierte ich durch Visualisierung all meine körpereigenen Reserven. So stellte ich mir vor, wie ich als Eiche von meinen Kommilitonen, den Ameisen, vollgepinkelt wurde und mir stattdessen immer noch größere Eicheln wuchsen. Solche Bilder bauten mich ungeheuer auf. Und so ist meine berufliche Laufbahn in der Bank logischerweise eine Kette voller finanzieller Erfolge. Die Spezialstärke von mir: Langfristige Immobilienfonds, bei denen ich besonders gern betagte Senioren partizipieren lasse. Die Fonds laufen ab 25 Jahre und wenn ich dann meinen 80-jährigen Kunden sage, dass ich sie nicht älter als 49 geschätzt hätte, was ja wohl auch am biologischen Alter liegen müsse, greifen die Senioren doch meist sehr beherzt zu. Neulich hatte ich zwar mal Stress mit der Tochter einer solch hochbetagten Dame, aber da ging ich wie üblich als satter Sieger aus dem Konflikt. Die Tochter meinte, ich habe ihrer Mutter unauffällig und absichtlich das Hörgerät aus dem Ohr gezogen, damit sie nicht hinter meine fiesen Machenschaften käme. Natürlich eine glatte Lüge! Ich half ihrer Mutter sogar noch, das heruntergefallene Hörgerät wieder im Ohr zu befestigen. Mag sein, dass ich mich dabei nicht sehr geschickt angestellt habe, aber akustische Wiederbelebung der Kommunikationsfähigkeit unserer Kunden war noch nie meine Stärke.

Einer Kundengruppe allerdings trete ich nicht ganz so aufgeschlossen gegenüber wie den lieben Senioren. Das sind die Studenten, weil sie alles für umsonst haben wollen - Kontoführung, das freundliche „Guten Tag“ am Bankschalter, den Zugang zu ihrem Geld - dafür aber nichts bei uns anlegen. Wenn sie dann noch so tun, als würden sie was verstehen von meinem Geschäft, mir vielleicht noch das Gefühl geben, ich würde sie abzocken wollen, da kann ich schon mal meine guten Sitten vergessen und lauthals abkotzen. Aber das kriege ich immer besser in den Griff, außerdem sieht es die Bankzentrale gar nicht mal so ungern, wenn wir mit den Bankschmarotzern etwas rüder umgehen und sie dann zur Konkurrenz laufen.

Sollen die doch denen das Konto für umsonst an den Hals werfen!

Dass ich beruflich sehr erfolgreich bin, zeige ich, ohne zu protzen. Ich wohne in einem schicken Einfamilienhaus auf großem Grundstück mit wundervollem Baumbestand. Es gehörte einmal einem Kunden unserer Bank, der es bereits in dritter Generation besaß. Leider hat er sich mit dem Sanierungskredit aus unserem Haus ein wenig übernommen - 150.000 Euro Kredit! Hätte er sich aber auch nicht so einfach von mir aufschwatzen lassen müssen. Er war wirklich sehr tüchtig, guter Job, nebenher noch am Haus malocht, drei Kinder, taffe Frau – eigentlich alles bestens. Doch dann fehlten ihm noch 2.322,11 Euro für die Bezahlung der letzten Handwerkerrechnung. Da mussten wir dann wohl oder übel den Geldhahn zudrehen, schließlich sind wir nicht das Sozialamt und der Arme hätte schon wissen müssen, worauf er sich mit uns einlässt!

Es traf ihn dann auch recht hart, als wir ihm über Nacht den Kredit kündigten und die 150.000 Euro zuzüglich Zinsen und Zinseszins, damit insgesamt rund 500.000 Euro, zurück verlangten. Meine Bank war da schon durchaus tolerant, wir ließen ihm immerhin vier Wochen Zeit für die Rückzahlung. Hat er aber leider nicht gepackt. Tja, immer schön auf dem Teppich bleiben und niemals blauäugig in so eine Sache schlittern, kann ich da nur sagen. Aber wie heißt es so schön: „Des einen Pech ist des anderen Glück.“

Durch die Zwangsversteigerung war das Ganze ein herrliches Schnäppchen für mich.

So billig hätte ich auf dem freien Markt doch solch ein schönes Häuschen nie und nimmer bekommen. Nun ist es wenigstens in allerbesten Händen. Und durch die private Insolvenz ist der gute Mann dann ja auch nach sechs Jahren völlig schuldenfrei, kann ein neues sorgloses Leben beginnen und sich für seine Familie noch mal was richtig Schönes aufbauen. Dann ist er noch unter 60, das ist doch kein Alter! Wenn ich da an meine 80-jährigen Kunden denke!

Also, es gibt immer einen Weg, welcher es auch sein mag.

Ich als Banker bin jedenfalls sehr stolz darauf, durch mein Tun dazu beitragen zu dürfen, dass meine Kunden stets flexibel bleiben und sich immer wieder aufs Neue im Leben behaupten können. Gibt’s denn etwas Schöneres, als solch menschliche Kräfte kontinuierlich freizusetzen? Für mich nicht!

Was tust du?

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