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Kapitel 13

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Da Dietrich als einer der bedeutendsten Fürsten des Reiches an der Umstrukturierung der Hospitalgenossenschaft zu einem kriegerischen Ritterorden großen Anteil hatte, wurden ihm im Quartier der Deutschherren weitläufige Räumlichkeiten zur Verfügung gestellt. Dietrich war nur mit wenigen Vertrauten ins Heilige Land gereist. Es würde sicher noch Monate, wenn nicht gar Jahre dauern, bis die Arbeit ihren Abschluss fand. Doch war Dietrich voller Ungeduld, sah er seine verbliebenen Besitzungen in der Mark Meißen nun auch noch in Gefahr. Vergebens hatte er den Kaiser kurz vor Ostern angefleht, sich für seine Sache zu verwenden. Doch was hatte es ihm gebracht? Er war beim Kaiser in Ungnade gefallen.

Nun konnte er nur hoffen, dass wenigstens sein Schwiegervater Hermann zu Hause seine Interessen vertrat, schon seiner Tochter Jutta zuliebe, die er im vorigen Jahr geheiratet hatte. Für einen kurzen Moment waren seine Gedanken zu Hause in der Mark Meißen.

Jutta. Dieses junge Mädchen, von dem alle Welt behauptete, sie sei hässlich. Aber sie taten ihr Unrecht. Vielleicht war sie nicht unbedingt schön von Angesicht und ihre Beine viel zu lang und dünn. Aber sie war noch jung, erst elf Jahre alt. Sicher mauserte sich das hässliche Entlein in ein paar Jahren zu einem Schwan. Was bedeutete schon äußere Schönheit? Jutta war gütig und zu jedermann freundlich, selbst zu den Geringsten unter ihrem Gesinde. Was für eine prächtige Landesfürstin sie abgeben würde.

Inzwischen bildeten sich lange Schatten hinter den hohen Säulen des Gemaches. Der Abend war schon weit fortgeschritten und die Schwüle des Tages hatte etwas nachgelassen.

Dietrich straffte die Schultern. Doch wieder schweiften seine Gedanken ab. Die arme Jutta, nun musste sie allein zu Hause sitzen und war vielleicht der Willkür seines Bruders ausgeliefert. Doch wie konnte er das verhindern, wo er doch hier festsaß? Er musste unbedingt einen Weg finden, nach Meißen zu kommen.

Dietrich erhob sich aus seinem Sessel, den er nahe ans Fenster geschoben hatte. Von hier aus genoss er oft den Blick über die weite Bucht, in die sich der Hafen und die Stadt von Akkon schmiegten. Die Sonne sandte die letzten Strahlen warmen, weichen Lichts über die Häuser, bevor sie am Horizont im Meer versank.

Dietrich winkte den Bewaffneten, der zu seiner Sicherheit immer neben der Tür stand, zu sich, und beauftragte ihn, jemanden nach Nicolas von Lichtenwalde zu schicken.

Nicolas streifte mit Modorok in den Tagen nach seiner Ankunft durch Akkon. Die Stadt war ein Schmelztiegel vieler Religionen: Moslems, Juden, Christen – alle lebten sie hier oder waren auf der Durchreise. Und alle hatten irgendwie miteinander zu tun. Die Händler auf den Basaren, die Reliquienverkäufer in den Arkaden unter den Häusern, die Wanderprediger, welche auf den Plätzen der Stadt standen und die Leute mit ihren Prophezeiungen vom jüngsten Gericht ängstigten, die jüdischen Geldwechsler und die Juweliere. Alle gehörten in diese Stadt und waren mit ihr verwoben, machten Akkon zu einem Ort, wo alles möglich schien.

In einem Hammam erfuhr Nicolas zum ersten Mal, wie wunderbar ein Bad sein konnte. In Meißen hatte er höchstens in dem Bächlein Meisa, das hinter der Burg entlangfloss, mit den anderen Knaben herumgetollt. Aber nach dem Tod seines Vaters war auch dieses Vergnügen recht selten geworden. Die Knappen und Waffenknechte reinigten sich nach ihren Kampfesübungen oft nur am Brunnen, der im inneren Hof der Burg stand, oder an kalten Tagen an einem Trog mit eisigen Wasser, der in den Mannschaftsräumen aufgestellt wurde.

In der Mitte des Baderaumes befand sich eine große, runde Platte aus cremefarbenem Marmor. In einem Raum darunter war ein Ofen, der über mit Wasser gefüllte Leitungen die Platte aufheizte, und damit ein wohliges Gefühl der Wärme verbreitete. An den Wänden standen Brunnen, aus denen kaltes Wasser floss. Badediener gingen umher und verteilten in großen Kellen das Wasser an die auf der Platte Ruhenden. Heiße Steine, die ebenfalls mit kaltem Wasser begossen wurden, verströmten aromatischen Dampf, in den sich die Gerüche seltener Kräuter mischten. Im Innenhof des Hammams befanden sich große Becken, in denen mit Blüten versetztes Wasser nach dem Dampfbad die nötige Kühlung verschaffte. Bänke mit weichen Polstern und Kissen, umgeben von weißen, leise im Wind flatternden Vorhängen, luden zu einer Ruhestunde nach dem Bade ein.

Nicolas gefiel diese Badeeinrichtung so gut, dass er fast täglich hierherkam.

Im Ordenshaus hatte Nicolas zusammen mit Modorok und zwei anderen Jungen einen Raum zugewiesen bekommen, der nicht weit von den Gemächern Dietrichs entfernt war. Die beiden Freunde waren gerade von einem ihrer Streifzüge eingetroffen, als ein Diener Nicolas zum Markgrafen beorderte.

Dietrich stand mit dem Rücken zur Tür und schaute auf den Hafen. Seit Tagen schon war kein einziges Pilgerschiff gekommen, dass ihn hätte wieder mit zurücknehmen können. Langsam wurde er ungeduldig. Auch gab es immer öfter Übergriffe seitens seldschukischer Reiterhorden. Diese bedeuteten eine große Gefahr für den Kreuzfahrerstaat und seine neue Hauptstadt Akkon. Seit Jerusalem wieder in muslimischer Hand war und ganz besonders seit dem Tode Saladins, kam es häufig zu Bündnissen einzelner arabischer Stämme, die dann mit großen Horden über die christlichen Stützpunkte herfielen und den Kreuzfahrern das Leben schwermachten.

Auch am Tag zuvor hatte es wieder im Hafen solch ein Scharmützel gegeben.

„Komm herein und schließ die Tür“, forderte Dietrich deshalb mit harscherer Stimme als beabsichtigt den zaghaft anklopfenden Nicolas auf. Verstohlen schlich Nicolas herein. Das schlechte Gewissen plagte ihn. Tagelang war er in der Stadt umhergestreift, suchte die Bäder und die Spelunken auf und war nicht selten mit einer Schönen in einem Hinterraum verschwunden. Nie zuvor hatte er bei einem Mädchen gelegen. Hier wurde er in die Kunst der Liebe eingeführt, und es erschien ihm neben dem Hammam als das Himmlischste, was er je erlebt hatte. Modorok leistete ihm dabei oft Gesellschaft. Der Dienst beim Markgrafen war eher locker, denn was sollte hier in Akkon schon groß passieren. Bis jetzt!

„Wie kommt es, dass ihr euch so oft in der Stadt herumtreibt? Seid ihr nicht genügend ausgelastet in meinem Dienst?“ Der Markgraf wusste offenbar genauestens Bescheid über die Umtriebe seiner Schützlinge. „Nun gut, ab heute werde ich euch ein paar mehr Aufgaben erteilen, dass ihr euch hier auch mal nützlich erweisen könnt. Woher habt ihr eigentlich das Geld für eure Ausschweifungen?“ Das hatte sich Dietrich schon lange gefragt, denn sowohl Nicolas als auch Modorok waren beide arme Schlucker, die nie über eigene Mittel verfügten.

„Ich hatte noch etwas von der Reise mit Herrn von Auenstein“, verteidigte sich Nicolas schuldbewusst.

„Wie auch immer, ab jetzt weht ein anderer Wind. Ihr werdet hier im Hause bleiben, denn es schleichen immer wieder finstere Gestalten umher, von denen niemand weiß, woher sie kommen. Auch wurde mir zugetragen, dass seldschukische Banden sich schon nahe an die Stadt herangewagt haben. Überdies habe ich dir einen Vorschlag zu machen, für den du sicher dankbar sein wirst.“ Der Graf von Weißenfels lächelte verschmitzt. „Also hör zu, Nicolas. Ich weiß, dass du und Modorok schon recht kampferprobt seid aus der Zeit, als ich mit meinem Bruder manchen Streit vor Weißenfels ausgefochten habe. Auch hat der alte Tassilo euch mit Sicherheit viel abverlangt, was das Proben der Schwertkunst betrifft. Deshalb möchte ich, dass ihr ab jetzt meine Leibwachen seid, denn ich weiß bei Gott nicht mehr, wem ich hier trauen kann.“

Nicolas glaubte, nicht recht gehört zu haben. Er hielt die Luft an. Meinte der Graf das wirklich ernst? „Und mir vertraut ihr, Herr?“, fragte er. „Ich bin arm, ohne Land, habe nix außer dem Hemd an meinem Leib. Befehlt Ihr mir oder bittet Ihr mich?“ Trotzig streckte Nicolas das Kinn nach vor. In seinem Inneren focht er einen Kampf aus. Auf der einen Seite war er einst der Erbe eines reichen Dienstmannes Kaiser Barbarossas gewesen. Jetzt war er nichts weiter als ein fern der Heimat Gestrandeter. Aber das Hier und Jetzt zählte wohl einzig, das wusste er. Und außerdem hatten er und Modorok ja bisher auch kein schlechtes Leben gehabt in Akkon. Soviel Freiheit würden sie dann sicher nicht mehr haben. Allerdings war es eine große Ehre, der persönliche Leibwächter eines so mächtigen Mannes zu sein, wie es der Graf war. Trotz allem ließ es sein Stolz nicht zu, sich bedingungslos dem Wettiner unterzuordnen.

Dietrich merkte wohl, was in dem Jungen vorging. Auch er war nie frei von Zwängen gewesen, musste sich zuerst dem Willen des Vaters, dann dem des Bruders und immer dem des Kaisers unterordnen. So war der Lauf der Dinge, so war die Ordnung der Welt. Aber auch Nicolas würde das bald begreifen.

Der Lichtenwalder war ihm irgendwie ans Herz gewachsen. Sein Vater diente ihm immer als treuer Kampfgefährte, und sein ungerechtes Ende lag dem Grafen immer noch schwer auf der Seele. Auch dafür hasste er seinen Bruder.

„Also sei es, ich ernenne euch hiermit offiziell zu meinen Leibwachen. Ihr habt euch ständig in meiner Nähe aufzuhalten. Will einer von euch beiden frei haben, dann muss der andere uneingeschränkt zur Verfügung stehen. Was meinst du dazu? Nimmst du meinen Vorschlag an?“ Der Markgraf schmunzelte leicht, was Nicolas natürlich nicht entging. Er wusste wohl, dass er eigentlich keine Wahl hatte, aber er rechnete es Dietrich hoch an, dass er ihm scheinbar die Entscheidung überließ.

„Natürlich wird dein Freund lauthals protestieren, da ja nun eure gemeinsamen Streifzüge und Badehausorgien ausfallen werden.“ Also auch davon wusste der Graf. Er hätte auch nichts anderes erwartet. „Aber da er dein bester Freund und ein wahrscheinlich wirklich aufrechter Mensch ist, wird er dir überall hin folgen.“

„Und wann soll unser Dienst beginnen?“, fragte Nicolas mit großer Zurückhaltung. Er wollte nicht zu übereifrig erscheinen, da er gern noch den letzten freien Tag mit Modorok in der Stadt verbringen wollte. Und außerdem gab es da eine mandeläugige Schönheit, die heute Abend auf ihn warten würde.

„Morgen früh. Ich gewähre euch noch einen freien Abend, damit ihr euch noch mal richtig austoben könnt und später nicht auf den Gedanken kommt, euch heimlich abzusetzen. Nun geh, unterrichte deinen Freund von seiner neuen Aufgabe.“

„Mein Herr, ich danke Euch.“ Nicolas verbeugte sich vor seinem Dienstherrn und verließ rasch dessen Gemächer. Unverzüglich eilte er in sein Zimmer, in der Hoffnung, Modorok dort zu finden.

„Du wirst es nicht glauben!“, rief er schon von der Tür aus. „Ab morgen sind wir die Leibwachen des Grafen!“

„Ach was“, sagte Modorok trocken. Ihm war es eigentlich gleich, welchen Dienst er zu versehen hatte, Hauptsache er stand in Lohn und Brot, da er ja bekanntlich nicht gerade gesegnet war mit Land und Vermögen. Aber Leibwache des Grafen von Weißenfels zu sein, bedeutete mit Sicherheit einen großen Schritt auf der Karriereleiter. Wenn auch der Dienst nicht leicht werden würde, denn der Graf war ein sehr anspruchsvoller Herr. Er verlangte von seinen Männern genauso viel, wie er selbst leistete.

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