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Kapitel 4

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Burg Meißen

März 1194

Die Sonne sandte ihre späten Strahlen durch das wirre Geäst der kahlen Bäume, die das Ufer gegenüber der Burg säumten. Auf den Steinen unweit der Brücke hockte eine zusammengesunkene Gestalt und starrte reglos auf den Fluss. Von seinem Fenster aus konnte Nicolas genau sehen, wie sich der Einsame hin und wieder mit dem Ärmel über das Gesicht wischte. Beim genaueren Hinschauen fielen ihm die roten ausgeblichenen Beinkleider auf, die unter der braunen Tunika hervorlugten. Trotz der Entfernung wusste Nicolas, wer dort am Ufer saß. Einem Impuls folgend, wollte er sich vom Fenster abwenden, um hinunter zu eilen und seinem Freund Gesellschaft zu leisten. Da sah er aus dem Schatten der Bäume heraus die unverkennbare Gestalt Falks von Schellenberg auf den Sitzenden zugehen. Nicolas runzelte die Stirn. Was wollte der Schellenberger von Modorok? Er schwankte hin und her, im Zweifel, ob er zu dessen Unterstützung eilen oder aber die Situation vom Fenster aus beobachten sollte. Von hier aus konnte er nicht hören, was die beiden miteinander sprachen, aber er sah, dass Falk heftig gestikulierte und schließlich sogar mit dem Stiefel gegen Modoroks Bein trat, was diesem allerdings keinerlei Reaktion entlockte. Modorok war groß gewachsen für sein Alter. Und schon jetzt zeichnete sich ab, dass er einmal sehr kräftig werden würde. Sein dunkelblondes Haar, das ihm in Wellen auf die Schultern fiel, wirkte immer etwas zerzaust. Seine schönen Augen, in denen sich oft eine große Traurigkeit widerspiegelte, die aus den Tiefen seiner Seele zu kommen schien, waren grün wie die großen Wälder seiner Heimat.

Jetzt hatte Nicolas genug. Da es bitterkalt draußen war, schnappte er sich seinen Umhang, der auf einem Stuhl lag und rannte die Stufen des Turmes hinunter. Die kleine Tür am Fuße der Treppe ließ sich nur schwer öffnen, da sie vom Alter und der feuchten Witterung verzogen war. Ungeduldig warf sich Nicolas mit Gewalt dagegen, einmal, zweimal. Endlich gab sie nach und Nicolas wurde zusammen mit der Tür schwungvoll nach draußen geworfen. Sich krampfhaft an den Türknauf klammernd, fing er sich aber sogleich wieder, straffte seinen Rücken und rannte über den Hof auf das Tor zu. Doch er kam nicht allzu weit, die Markgräfin hatte beschlossen, noch vor der Abenddämmerung mit ihren Hofdamen dem Dom einen Besuch abzustatten. Nicolas fluchte leise, musste er jetzt vor den hohen Damen halten, ihnen seine Referenz erweisen und warten, bis sie weiter ihres Weges gingen. Doch die Markgräfin hatte andere Pläne. Zu selten kam sie aus ihrer Kemenate in den Hof, und da sie der Meinung war, immer und überall genau Bescheid wissen zu müssen, darüber, was vor sich ging, warf sie ihren durchdringenden Blick auf Nicolas. Dieser schloss für einen kurzen Moment die Augen, um sich von dem Schrecken zu erholen, der ihn durchfuhr, als die Gräfin ihn fixierte. Zu grausam waren die Erinnerungen, die ihm der Anblick dieser Frau bescherte. Der Blick aus ihren stechenden grauen Augen, welche gleichsam über ihrer viel zu langen spitzen Nase zu schweben schienen, kam ihm einem Blick der Medusa gleich. Der verkniffene Mund der Markgräfin verzog sich zu einem nahezu sardonischen Lächeln. Nicolas schüttelte den Kopf, um die schrecklichen Bilder zu verscheuchen. Jetzt schaute sie nur noch verächtlich drein, was ihn aber keineswegs beruhigte. Erst kürzlich war sie der Meinung gewesen, Nicolas habe es ihr gegenüber an der entsprechenden Demut fehlen lassen. Im Ergebnis dieser Anschuldigung war sein alter Lehrmeister Tassilo von Hohnberg gezwungen, ihm im Beisein der anderen Knappen mit der Peitsche zehn kräftige Hiebe zu erteilen. Dann musste er die ganze Nacht am Pranger verbringen, wie ein gemeiner Dieb. Erst am Morgen war Falk von Schellenberg gekommen und hatte ihm die Fesseln gelöst, nicht ohne ein hämisches Grinsen und mit einem eindeutigen Ausdruck von Genugtuung in den Augen.

Nicolas beschloss, seinen Blick zu senken und wartete mit größter Unterwürfigkeit darauf, dass die Gräfin ihn ansprach.

„Was spionierst du hier herum, Bursche? Hast du nichts Besseres zu tun, als hochedle Damen zu erschrecken oder gar niederzurennen? Ich werde ein Wort mit deinem Lehrmeister sprechen, damit er dir Respekt beibringt“, keifte sie ihm entgegen. Nicolas ballte die Fäuste unter seinem Umhang. Noch einmal ließ er sich nicht demütigen, nicht von dieser Frau und auch von keiner anderen. Zu viel hatte er schon gelitten an diesem Hof Markgraf Albrechts. Ein Jahr noch, dann war seine Ausbildung beendet, dann könnte er fortgehen von hier, auch wenn dies Armut und den Verlust seines Lehens bedeuten würde. Aber letzteres hatte der Markgraf ja sowieso schon eingezogen, obwohl er immer behauptete, er würde es nur für Nicolas verwalten.

Doch schien das Glück diesmal auf seiner Seite. Es erschien in Gestalt Dedo von Wißlingens, der auf der Suche nach der Gräfin war.

„Hochedle Frau, der Markgraf schickt mich. Es ist ein Bote eingetroffen mit allerwichtigsten Nachrichten. Der Markgraf sagt, Ihr sollt Eure Andacht verschieben, er müsse sofort mit Euch sprechen, da er den Boten unverzüglich wieder zurückschicken muss.“

Sophie wollte schon zu einer barschen Erwiderung ansetzen, was dem Ritter einfallen würde, sie auf dem Gang zu ihrer Zwiesprache mit Gott aufzuhalten. Dann fiel ihr ein, dass der Markgraf von weitreichenden politischen Ereignissen gesprochen hatte, die auf das Reich zukämen. Ihre Neugier und wohl auch ihre Angst vor dem Unmut des Gatten, wenn sie seiner Aufforderung nicht nachkam, ließ sie innehalten. Sie neigte leicht den Kopf, raffte ihre Röcke und ging wortlos an Hugo vorbei in Richtung Palas, in der Gewissheit, dass ihr ihre Damen folgten. Doch Hugo war kein Mann, der sich so leicht einschüchtern ließ, schon gar nicht von einer Frau, auch wenn es die Markgräfin höchstpersönlich war. Immerhin gehörte er zu den Vertrauten Albrechts, was ihm, wenn schon nicht den Respekt, so doch ein gesundes Maß an Vorsicht seitens der Mitglieder des markgräflichen Hofes einbrachte.

„Verzeiht, hohe Frau, wenn ich Eure Damen zurückhalte. Doch der Markgraf wünscht Euch allein zu sprechen. Die Damen sollen ihre Andacht fortsetzen…man wird ihnen eine Begleitung schicken. Ich habe den Befehl, Euch in die Burg zurückzubringen.“

Sophie verlangsamte ihre Schritte, doch war sie viel zu stolz, stehenzubleiben. Nichts weiter deutete daraufhin, dass sie ihn gehört hatte. Hugo verbeugte sich rasch in Richtung der Hofdamen und wies mit der Hand zum Eingang der Kirche. Dann eilte er hinter der Markgräfin her, die bereits ein gutes Stück auf den Palas zu weitergegangen war. Niemand nahm mehr Notiz von Nicolas, der sich langsam zum Tor hin verzog. Was mochte der Bote wohl für Nachrichten gebracht haben, die so dringend waren? Nicolas hörte so mancherlei Getuschel unter den Höflingen, wenn sie an der abendlichen Tafel saßen. Er war immer noch Wolfram von Auenstein als Knappe zugeteilt. So sah es die Ausbildung vor, jeder Zögling war einem Ritter des Hofes verpflichtet. Er musste ihm beim Training und bei Turnierkämpfen mit der Rüstung helfen, die Waffen sorgfältig pflegen und schärfen und bei der Tafel bedienen. Letzteres allerdings nur, wenn der gesamte Hof gemeinsam im großen Saal der Burg speiste. Und das kam zum Glück nicht allzu oft vor.

Am Tor winkte Nicolas dem Wächter zu. Dieser schaute verdutzt auf, als der Junge an ihm vorbeirannte. So kam ihm auch nicht der Gedanke, diesen aufzuhalten und zu fragen, wohin er so eilig wolle. Grummelnd schüttelte er den Kopf und versank wieder in seine eigenen Gedanken.

Modorok saß zusammengesunken auf einem Stein am Fluss. Es dauerte eine Weile, bis Nicolas den weiten Weg um den Burgberg herum geschafft hatte. Er befürchtete bereits, seinen Freund hier nicht mehr anzutreffen. Doch als er ihn jetzt so am Ufer der Elbe sitzen sah, verzögerte er seinen Schritt. Er wusste, das Modorok ein einsamer Junge war, der sich meistens in sich zurückzog. Er hatte nie viele Worte verloren, auch nicht als sein älterer Bruder Gero bei einem Scharmützel mit marodierendem Raubgesindel tödlich verwundet wurde. Nur wer ihn gut kannte, konnte ahnen, wie tief ihn der Verlust dieses letzten Verwandten getroffen hatte. Modorok war der Sohn einer Hofdame der alten Markgräfin Hedwig, die jedoch bei seiner Geburt gestorben war. Die Familie war, dem Rufe Barbarossas folgend vor vielen Jahren aus dem Harz in die Gegend von Freiberg gekommen, um hier im Dienste des Kaisers bei der Besiedlung neuer Gebiete im Dunkelwald zu helfen. Doch dann war sein Vater auf die Burg Weißenfels gegangen. Er wurde ein Dienstmann des Markgrafensohnes Dietrich. Zusammen mit diesem hatte er sich auf den Kreuzzug begeben, seinen jüngeren Sohn in der Obhut des älteren zurücklassend. Doch er kehrte nicht mehr zurück. Bei einem nächtlichen Überfall war er wenige Tage vor dem Tode Kaiser Barbarossas wie vom Erdboden verschwunden, und kein Mensch konnte sagen, ob er noch am Leben oder von den Sarazenen umgebracht worden war.

Die alte Markgräfin fragte zwar dann und wann nach dem Jungen; darüber hinaus kümmerte sie sich allerdings nicht weiter um ihn, soviel Interesse hatte sie nun auch wieder nicht an dem Sohn eines unbedeutenden Ritters.

„Modorok“, sagte Nicolas leise, so, als wolle er den Freund nicht erschrecken, obwohl er genau wusste, dass dieser ihn längst gesehen hatte. Ein kurzes Zusammenzucken von Modoroks Rücken zeigte ihm, dass der andere ihn gehört hatte aber dennoch in tiefe Gedanken versunken war. „Was wollte Falk von dir? Wollte er dir etwas antun?“, fragte er besorgt.

Modorok drehte sich mit einem heftigen Schnauben herum. „Warum, zum Teufel, glaubst du immer, alle Welt beschützen zu müssen? Wer hat dir die Rolle zugeteilt, für alles und jeden die Verantwortung zu tragen? Glaubst du, ich sei solch ein Schwächling, dass ich mich nicht gegen Falk von Schellenberg und seinesgleichen zur Wehr setzen könnte? Immer so edel und großherzig. Immer über allem stehend. Unverwundbar. Hah! Dabei bist du genauso ein armes Schwein wie ich.“

Nicolas zuckte verstört zusammen. Schätzte der Freund ihn wirklich so ein, dass er sich über andere erheben wollte und den Gönner spielte, nur um von seinen eigenen Unzulänglichkeiten ablenken zu können? Hatte er vielleicht sogar recht damit? Nein, so war es doch nicht.

„Hör zu, Modorok, ich wollte dir nicht zu nahetreten. Ich glaubte nur, dass Falk vielleicht…“ Nicolas verstummte. Was sollte er auch sagen. Natürlich hatte er gedacht, Modorok könne sich nicht selbst verteidigen. Wie oft war es auch so gewesen, dass der andere sich dem stärkeren und rücksichtsloseren Schellenberger untergeordnet hatte. Aber ihm war nie der Gedanke gekommen, dass er es vielleicht aus Gleichgültigkeit getan haben könnte. Modorok war es schlichtweg egal, ob er der Stärkere war oder ein anderer. Während er, Nicolas, immer allen beweisen musste, dass er der Bessere war. Erst vor wenigen Tagen hatte er sich in seinem Ruhm gesonnt, dass er auf dem Übungsplatz den besten Freund von Falk von Schellenberg besiegte, einen üblen Burschen, der sich besonders durch seine Verschlagenheit auszeichnete. Ralf Blutaxt nannten die Knappen ihn, da er andere oft mit seiner Streitaxt verletzte. Ob dies nur aus Versehen geschah, wusste niemand so recht zu sagen, allerdings kamen so manchem darüber Zweifel.

Unschlüssig hockte Nicolas neben seinem Freund, die Arme schlaff herunterhängend. Er getraute sich nicht, weiter in Modorok zu bohren. So vergingen einige Minuten, in denen sie nur schweigend nebeneinandersaßen. „Ich habe immer gewusst, dass es eines Tages so kommen würde“, begann Modorok.

Nicolas schaute ihn verständnislos an.

„Er will, dass ich mich seiner Truppe anschließe.“ Modorok blickte weiterhin starr auf das Wasser. Langsam dämmerte es Nicolas, was sein Freund meinte. Tassilo von Hohnberg hatte die Knappen in Gruppen eingeteilt, damit auch während der Übungen der Kampf mit einem Gegner simuliert werden konnte. Falk war der Führer einer dieser Gruppen. Und erst an diesem Morgen hatte Tassilo Nicolas die Leitung der anderen übertragen, als Basilo von Wardenburg nach Hause gerufen wurde, um das Erbe seines Vaters anzutreten.

Nicolas wartete. So leicht sollte ihm sein Freund nicht davonkommen. Erst bezichtigte er ihn des Hochmutes und nun labte er sich auch noch an der Tatsache, dass es noch andere gab, die Interesse an diesen armen Schlucker hatten! Er schaute zu Modorok hin. Dieser saß am Rand des Ufers, als wollte er sich gleich in die Fluten stürzen. Plötzlich kam Bewegung in ihn. Mit einer geschmeidigen Drehung richtete er sich auf. Erschrocken sprang auch Nicolas auf die Füße. Obwohl er selbst einige Schritte höher am Ufer war, stand ihm der Freund Auge in Auge gegenüber. Nein, dieser Junge ließ sich von niemandem einschüchtern. Noch einmal sah er im Geiste, wie Falk Modorok mit dem Fuß angestoßen hatte. Durch die absolute Gleichgültigkeit, die dieser an den Tag legte, war Falk wütend davon gestapft.

„Ich habe ihm gesagt, dass ich nicht zu ihm komme, sondern in deiner Truppe bleibe. Ich kämpfe dort, wo es mir Spaß macht und ich gewiss sein kann, nicht plötzlich eine Axt im Rücken zu haben. Das habe ich auch Falk gesagt. Der hatte wenig Verständnis dafür, dass ich mich mit einem Schwächling wie dir abgebe.“ Modorok schaute Nicolas abwartend an, den Blick unter seinen langen Wimpern hervor fast lauernd von unten her auf diesen gerichtet.

Nicolas dachte gar nicht daran, sich provozieren zu lassen. Im Stillen tat er Abbitte, dass er jemals an der Treue seines Freundes gezweifelt hatte.

„Danke“, sagte er schlicht.

Modorok zog seine rechte Augenbraue etwas empor, und die Andeutung eines Lächelns erschien auf seinem Gesicht. „Was, mehr hast du nicht zu sagen. Nur ‚danke’? Mehr wert ist dir meine Loyalität nicht?“ Er packte Nicolas so plötzlich am Genick, dass dem anderen keine Zeit blieb, zu reagieren. Dann zog er dessen Kopf an seinen und schloss die Augen. „Du bist mein einziger wirklicher Freund hier an diesem furchtbaren Ort. Dir folge ich überall hin, und wenn es die Hölle ist. Aber glaube mir, ich tue das nur, weil ich es so will, weil ich weiß, welche Stärke in dir steckt. Verzeih mir, was ich vorhin zu dir gesagt habe. Ich weiß es zu schätzen, dass du dir Sorgen um mich machst, gibt es mir doch das Gefühl, nicht ganz wertlos zu sein. Allerdings muss ich zugeben, dass es mir auch geschmeichelt hat, dass Falk von Schellenberg genug von mir hält, um mich als Kämpe zu werben“, gab er lachend zu. „Komm, lass uns zurückgehen, sonst kommt noch jemand auf den Gedanken, wir hätten hier ein geheimes Stelldichein.“

Markgraf Albrecht stand am Fenster seines Arbeitskabinetts. Schon eine ganze Weile beobachtete er die beiden jungen Männer dort unten am Fluss. Was trieben die dort bloß? Ihm kam der Gedanke der Sodomie, als er den einen den anderen umarmen sah. Doch nein. Erst kürzlich sah er Modorok mit einer der Küchenmägde im Stall verschwinden. Und Nicolas? Zugegeben, der Bursche war fast zu hübsch für einen Jungen. Doch war nichts Weibisches an ihm. Als er kürzlich bei der Ausbildung der Knappen eine Weile zugesehen hatte, um sich über deren Fortschritte zu informieren, sah er den Anflug eines Schattens auf den noch zarten Wangen des Jungen. Also spross ihm doch schon ein Bart. Auch seine Schultern begannen breiter und kräftiger zu werden und sein schön geschwungener Mund wies einen energischen, wenn auch etwas herben Zug auf. Neben Falk tat sich Nicolas als einer der geschicktesten Kämpfer hervor. Nicht mehr lange, und aus dem Jüngling würde ein kräftiger Mann. Vielleicht wäre es gar nicht so schlecht, ihn etwas näher im Auge zu behalten. Gute Kämpen gab es nicht so viele. Außerdem befand sich das Lehen des Jungen in seinem Besitz. Ja, es war an der Zeit, die Dinge etwas fester in die Hand zu nehmen. Heinrich bereitete einen weiteren Italienzug vor, um sich zum König von Sizilien krönen zu lassen. Albrechts Bruder Dietrich gab auch keine Ruhe. Sicher würde er die Gelegenheit wahrnehmen, sich beim Kaiser einzuschmeicheln. Noch hatte er nicht aufgegeben, die Markgrafenkrone an sich zu bringen. Und Heinrich vertraute ihm, Albrecht, nicht mehr. Er musste verhindern, dass Dietrich die Gunst des Kaisers erhielt. Dazu war ihm jedes Mittel recht. Warum sollte er nicht einen so unbedeutenden Jungen wie Nicolas von Lichtenwalde opfern, wenn es dem Wohl der Markgrafschaft diente. Isbert war ein enger Freund Dietrichs gewesen, sicher war der Junge der Familie des Markgrafenbruders genauso treu ergeben, wie sein Vater. Er genoss also Dietrichs Vertrauen. Er würde den jungen Lichtenwalder erpressen. Das Lehen gegen Informationen über die Umtriebe seines Bruders. Ha, es wäre doch gelacht, wenn er nicht genügend Beweise zusammenbringen könnte, um den Bruder wegen Hochverrates vor das kaiserliche Gericht zu bringen. Albrecht gratulierte sich in Gedanken zu seiner genialen Idee. Noch heute würde er mit Hohnberg sprechen. Zufrieden wandte sich der Markgraf vom Fenster ab. Ach ja, fast hätte er vergessen, dass seine Frau nebenan auf ihn wartete. Sie würde schnauben vor Wut, weil er sie von ihrer Andacht abgehalten hatte. Die Scheinheiligkeit dieser frömmelnden Ziege ging ihm schon lange auf die Nerven. Aber Sophie war die Nichte des Herzogs Ottokar von Böhmen. Und dieser war ein zu wichtiger Verbündeter, wenn es darum ging, die Machtpositionen gegenüber dem Kaiser auszubauen, auch wenn er sich zurzeit wieder einmal im Exil befand, da er den Unwillen Heinrichs auf sich gezogen hatte. Entschlossen ging er auf den Eingang zum Nebenraum zu. Er straffte seine Schultern, nahm den Riegel fest in die Hand und öffnete schwungvoll die Tür in das Gemach.

Zeit der Könige

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