Читать книгу Soziale Angststörung im Kindes- und Jugendalter - Julian Schmitz - Страница 28
2.1.2 Häufigkeit der Sozialen Angststörung im Kindes- und Jugendalter
ОглавлениеIn Deutschland finden sich einige wenige große Studien, die die Auftretenswahrscheinlichkeit psychischer Störungen im Allgemeinen und somit auch der Sozialen Angststörung im Kindes- und Jugendalter untersucht haben (Essau, Conradt & Petermann, 1999; Wittchen et al., 1999). Im Rahmen der Bremer Jugendstudie fanden Essau et al. (1999) an einer Stichprobe von 1035 Kindern und Jugendlichen im Alter von 12–17 Jahren, dass 1,6% die DSM-IV Kriterien für eine Soziale Angststörung irgendwann in ihrem Leben erfüllten. Diese Ergebnisse bestätigen frühere Befunde von Benjamin und Kolleg*innen, die in ihren Stichproben Häufigkeiten um 1,4% für klinisch relevante soziale Ängste fanden (Benjamin, Costello & Warren, 1990). In einer weiteren, groß angelegten deutschen Studie von Wittchen und Kolleg*innen (1999), im Rahmen der Early Developmental Stages of Psychopathology Study (EDSP), wurden 3021 Münchener Jugendliche und Erwachsene im Alter zwischen 14–24 Jahren untersucht. 7,3% der Stichprobe erfüllten zu irgendeinem Zeitpunkt ihres Lebens die Diagnose einer Sozialen Angststörung, die 12-Monats-Prävalenz lag bei 5,2%. An einer anderen, vergleichsweise jungen Stichprobe fanden Federer et al. (Federer, Stüber, Margraf, Schneider & Herrle, 2001) im Zuge der Dresdener Kinder-Angst-Studie (DKAS) bei 826 Kindern im Alter von acht Jahren eine Punktprävalenz von 0,4%. Insgesamt finden sich höhere Prävalenzraten bei Mädchen als bei Jungen.
Generell zeigen sich starke Schwankungen in den Prävalenzraten zwischen unterschiedlichen epidemiologischen Studien. Hierfür werden verschiedene Gründe diskutiert. Auf der einen Seite variieren die verwendeten Diagnosekriterien der Sozialen Angststörung zwischen den Studien. Beispielsweise scheinen Prävalenzraten geringer zu sein, wenn die Kriterien des ICD-10 im Vergleich zu den DSM-Kriterien verwendet werden (Adornetto, Suppiger, In-Albon, Neuschwander & Schneider, 2012). Da im ICD-10 anders als im DSM-5 eine körperliche Angstreaktion als Voraussetzung zur Diagnosestellung enthalten ist, jüngere Kinder aber häufig keine körperlichen Angstsymptome berichten (Muris, Merckelbach & van Spauwen, 2003), führt dies zu geringeren Prävalenzraten bei Verwendung der ICD-10-Kriterien. Ein weiterer Grund für die Prävalenzunterschiede zwischen verschiedenen Studien ist der Umgang mit Eltern- und Kindangaben zum Vorliegen von sozialen Ängsten. Studien zeigen, dass die Angaben von Eltern und Kindern insbesondere hinsichtlich internalisierender Symptome, darunter auch soziale Ängste, nicht übereinstimmen. Dies liegt beispielsweise daran, dass internalisierende Symptome für Eltern nur zu einem begrenzten Umfang beobachtbar sind und auch in Kontexten auftreten, in denen Bezugspersonen nicht anwesend sind (z. B. im Schulunterricht). Je nachdem, wie in epidemiologischen Studien das Vorliegen der diagnostischen Kriterien gewertet wird – Erfüllen der Kriterien durch entweder Kind- oder Elternangaben bzw. durch Übereinstimmung aller Informationsquellen – ergeben sich Unterschiede in den Prävalenzzahlen (Popp et al., 2017).