Читать книгу It's Time to Fly - Juliana Holl - Страница 9

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Kapitel 4

Am nächsten Morgen machte ich mich schon um kurz nach neun Uhr auf zum Strand. Ich wollte schon etwas früher bei Lucas sein wie abgemacht.

Als ich um die Ecke bog schreckte ich zurück. Ganz langsam und vorsichtig lugte ich um die Hecke und traute meinen Augen nicht.

Was ich sah, war schockierend und verletzend zugleich. Ich sah Lucas mit einem bildschönen Mädchen, Arm in Arm. Lucas lachte als das Mädchen etwas sagte was ich nicht verstand. Und jetzt schob das Mädchen Lucas ein kleines Kästchen entgegen, woraufhin Lucas sie hochhob und durch die Luft schwenkte. Ich sah noch wie Lucas sich zu ihr runter beugte. Doch das war zu viel für mich. Ich drehte mich um und rannte mit großen Schritten davon. Die Tränen standen mir in den Augen und als ich zuhause ankam, war mein Gesicht Tränen verschmiert. Ich war froh, dass mich niemand im Flur abfing um zu fragen was denn los sei. Schnell verschwand ich in meinem Zimmer und heulte mich aus.

Warum passierte mir das? Warum konnte es nicht einfach funktionieren? Ich hatte noch nie einen festen Freund gehabt und jetzt sah es wirklich so aus, als wäre das mit Lucas perfekt. Pah, perfekt. Ein perfektes Leben gab es nicht. Wenigstens einmal könnte das Schicksal doch gnädig mit mir sein. Aber nein, ich war es anscheinend nicht wert. Was hatte ich verbrochen? Alles war so schön. So unwirklich schön. Und jetzt? Warum musste das passieren? Aber hey, bei mir ist es doch egal. Interessiert ja eh keinen, was ich sage oder was ich mir wünsche. Lisa ist ja die Starke die schafft das schon. Denken die wirklich alle, ich bin so stark, dass ich schon damit klarkommen werde? Irgendwie? Irgendwann? Aber ich war nicht stark. In Wahrheit war ich überhaupt nicht stark. Ja, ich spielte die Starke, der alles egal war, die Starke die alles verkraftete. Doch das stimmte nicht. Ich war schwach. Diese starke Lisa war nur Show. Nur eine Lüge. Eine Maske die ich im Laufe der Jahre perfektioniert hatte. So oft hab ich mich das schon gefragt. Warum das so ist, meine ich. Ich hatte viele Freunde, Freunde die mich mochten. Zumindest glaube ich das. Aber warum wollte mich trotzdem kein Junge? Wie konnte er so gut spielen? Oder war ich einfach nur blind und sah nur das was ich sehen wollte? Liebe machte ja bekanntlich blind. Verdammt! Das durfte echt nicht wahr sein. Ich dachte, dass ich endlich jemanden gefunden hatte, der mich auf Händen trug. Pah, Pustekuchen. Von wegen. So war das Leben, immer bereit zuzuschlagen, wenn man am wenigsten damit rechnete. Ich versuchte mir einzureden, dass ich hübsch und intelligent war, wenn die Jungs das nicht sehen, waren sie selber schuld, doch die gewünschte Wirkung blieb aus.

Es war schon nach 12 Uhr als ich Schritte vor meiner Tür hörte. Meine Mom öffnete die Tür.

„Oh Gott, Lisa!“, rief sie erschrocken

„Was ist denn mit dir los?“

Langsam ließ sie sich auf der Bettkante nieder. Und das ließ alle Dämme erneut brechen und ich schluchzte laut auf. Als ich nur mit einem Schniefen auf ihre Frage antwortete, nahm sie mich in den Arm um mich zu trösten.

„Jetzt erzähl schon“, meinte sie aufmunternd.

„Er ist so ein verdammtes Arschloch. Lucas hat mit mir nur gespielt, das war alles nur Show“, schniefte ich mit einer tonlosen Stimme die alles sagte.

„Jetzt zieh keine voreiligen Schlüsse, mein Schatz vielleicht ist alles ja ganz anders.“

„Ich hab sie gesehen. Sie lagen sich in den Armen, dann hat Lucas sie durch die Luft geschwenkt. Und sie geküsst.“, meine Stimme war nur noch ein Flüstern. Auch wenn ich den Kuss nicht gesehen hatte, musste man schon dumm sein, wenn man sich das nicht denken konnte. Ich meine, er hatte sie im Arm und hat sich zu ihr runter gebeugt. So wie er es immer bei mir gemacht hatte. Alleine der Gedanke sorgte für ein Stechen in meinem Bauch. Ein dicker Kloß bildete sich in meinem Hals der sich nicht weg schlucken ließ.

Den nächsten Tag beschloss ich im Bett zu bleiben und vor mich hin zu vegetieren. Nur zum Essen und wenn es mir meine Blase nicht anders möglich machte, stand ich auf. Ich versuchte meine Gedanken zu ordnen. Als es dann plötzlich klingelte, machte meine Mom auf und redete mit jemandem aber ich hörte nur leises Stimmengemurmel. Da waren die Stimme meiner Mutter und die von Lucas. Allein von dem Gedanken an ihn zog sich alles in mir zusammen.

„Ich weiß aber nicht ob sie dich sehen möchte!“, hörte ich meine Mutter sagen.

„Aber warum sollte sie mich nicht sehen wollen?“

„Ich denke du weißt am Besten was du verbockt hast.“

Und dann war Stille. Angestrengt lauschte ich ob ich noch was hörte aber da war nichts. Nur das Zuschlagen der Haustür.

Schon atmete ich erleichtert aus. Er war gegangen. …oder!?

Als es dann zaghaft an meiner Tür klopfte, wusste ich instinktiv, dass es Lucas war. Ohne eine Antwort abzuwarten trat Lucas ein.

„Warum willst du mich nicht sehen?“

„Ich denke das weißt du selber am Besten“, fuhr ich ihn mit gereizter Stimme an.

„Nein, ich weiß es wirklich nicht“, sagte er als ob es ein schlechter Scherz wäre. Er versuchte sich neben mich aufs Bett zu setzen, aber ich rutschte weg.

„Dann solltest du mal darüber nachdenken. Und jetzt verschwinde, bevor ich dir noch eine scheuer.“

Lucas wollte schon was erwidern, doch ich kam ihm zuvor:

„Da ist die Tür!“

Und damit verschwand Lucas endlich. Aber der verwirrte Gesichtsausdruck blieb hartnäckig in seinem Gesicht. Der hatte Nerven hier aufzutauchen. Und dann noch den Unwissenden zu spielen war echt das Letzte.

Es schien fast so als hätte das Wetter beschlossen, sich meiner Laune anzupassen. Es regnete schon seit 2 Tagen ununterbrochen. Heute wollten wir abreisen, eigentlich erst am Abend, aber ich bestand darauf, dass wir schon am Morgen losfuhren. Da das Wetter eh nicht zum Bleiben einlud, stimmten meine Eltern zu und wir fuhren schon nach dem Frühstück.

Als ich mit Regenjacke und meinem Koffer aus dem Haus stapfte, fiel mir ein Brief auf der Schuhmatte auf. Ich hob ihn auf und wollte ihn schon öffnen, überlegte es mir aber anders, knüllte ihn zusammen, warf ihn in den Müll und stieg ins Auto. Es regnete, die Scheibenwischer schlugen hektisch hin und her, konnten aber die Unmengen von Regentropfen nicht stemmen. An der Ampel mussten wir warten und ich ärgerte mich über die lange Rotphase. Ich wollte nur noch nach Hause. Lucas einfach vergessen und neu anfangen. Doch daraus wurde nichts, ich musste ständig an ihn denken. Bei dem Gedanken, dass er nur drei Straßen weiter wohnte zog sich mein Bauch zusammen. Es war überhaupt komisch, dass wir uns bisher noch nie über den Weg gelaufen waren. Francop war ein Stadtteil von Hamburg und mit ungefähr 700 Einwohnern echt nicht groß.

Als wir dann doch endlich zuhause ankamen, war ich fertig. Ich wollte nur noch in mein Bett und alles um mich herum vergessen. Ich legte mich in mein Bett und schlief nach unendlichem hin und her Wälzen endlich ein. Tief in mir kämpfte ich gefühlt die ganze Nacht weiter. Immer wieder wachte ich auf und musste an den größten Arsch im Universum denken.

Als ich am nächsten Morgen aufwachte hatte ich einen Entschluss gefasst. Ich werde keinen einzigen Gedanken mehr an Lucas verschwenden.

Und mich voll und ganz auf das Springturnier in zwei Wochen konzentrieren. Also ging ich zum Stall, der zum Glück nicht weit weg war, um mich um Finesse zu kümmern. Finesse stand dösend in ihrer Box. Als Erstes begrüßte ich sie mit einer Karotte und sah dann nach ihrem Huf und wie Caro es schon geschrieben hatte, war der Abszess wirklich fast komplett verschwunden. Obwohl ich mir vorgenommen hatte, dass ich nicht mehr an Lucas denken werde, hörte sich das einfacher an als es tatsächlich war. Lucas mit einem anderen Mädchen, dieses Bild hatte sich in meine Netzhaut gebrannt. Jungs! Sie waren doch alle gleich. Alles schwanzgesteuerte Wesen. Was hatte sich Gott nur bei deren Erschaffung gedacht. ´Was passiert wohl, wenn ich einen Pavian mit einem Esel kreuze? ‘ ob er sich wohl das gedacht hatte? Oder war es gar aus Versehen passiert? Hatte er sich vielleicht während der Erschaffung des männlichen Geschlechts versprochen und hatte den „Zauberspruch“ vermasselt!? Frustriert über meine eigenen Gedanken putzte ich Finesse so lange bis mir die Bürste aus der Hand fiel. Kraftlos sattelte und trenste ich sie auf. Die Stalltür flog auf, und ging geräuschvoll wieder zu. Laut lachend kamen Caro und Kerstin zur Tür herein, als sie sahen, wie blass ich war fragten sie auch sogleich:

„Was ist denn mit dir los? Du siehst aus als wäre dir heute Morgen schon eine Laus über die Leber gelaufen.“

„Jungs sind scheiße!“ meinte ich mit tonloser Stimme und das obwohl ich solche Sehnsucht nach Finesse gehabt hatte.

„Was ist passiert?“

Mit Tränen verschmiertem Gesicht erzählte ich vom ersten Urlaubstag bis zum letzten Tag alles. Als ich damit fertig war, standen mir schon wieder Tränen in den Augen.

„Ach Lisa, das tut mir so leid. Aber überleg doch mal, du hast nur eine Illusion verloren, er das tollste Mädchen der Welt“, sprach Caro mir gut zu und zog mich in eine feste Umarmung. Auch Kerstin schloss sich der Umarmung an.

Wir beschlossen, Lucas nicht mehr zu erwähnen.

Ich holte noch schnell die Gamaschen und Streichkappen für Finesse, dann konnte es losgehen. Ich führte Finesse auf den Springplatz und machte sie warm. Als ich nach einer dreiviertel Stunde ein Paar lockere Galoppaden hinter mir hatte, machte ich Schluss für heute. Ich war nicht in der Lage mich zu konzentrieren und dann hätte das ganze Training nichts gebracht. Also beließ ich es bei einer lockeren Trainingsstunde. Und genau so sahen die Tage danach aus. Langsam bereitete ich mich auf das Turnier im Nachbar Stall vor. Da ich mich neu fokussierte, verschwand Lucas mit der Zeit verschwand immer mehr aus meinen Träumen und Gedanken.

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