Читать книгу Wahres Hundeglück im Doppelpack - Julie Leuze - Страница 16
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»Sirius, wir haben ein Problem.«
Mein Hund hebt den Kopf und schaut mich kurz an, dann widmet er sich in aller Seelenruhe wieder seinem Kauknochen. Klar. Er weiß ja nicht, wie ernst die Lage ist! Ich aber weiß es, und deshalb mache ich mir Sorgen.
Es geht ums erste Beschnüffeln.
Zwischen Hunden, natürlich.
Theoretisch ist die Sache ja ganz einfach: Der Ersthund und der zukünftige Zweithund lernen sich auf neutralem Terrain kennen. Sie laufen ein Stück miteinander, knüpfen im Idealfall zarte Bande der Zuneigung, und der Ersthund ist freudig überrascht, wenn der Neue dann sogar noch mit nach Hause kommen darf. Bei Hunden ist es nämlich nicht anders als bei uns Menschen, Freunde empfangen wir gern bei uns daheim! Fremde hingegen lassen wir nicht so ohne Weiteres in unsere Wohnung, denn das wäre dumm und gefährlich, …
… und diese Denkweise bringt Sirius und uns alle in eine äußerst verzwickte Situation.
Und plötzlich steht das neue Familienmitglied vor der Tür – wie geht es jetzt weiter?
WIE SOLL DAS DENN FUNKTIONIEREN?
Wir müssen unseren Zweithund nämlich direkt aus dem Tierschutz-Truck in Empfang nehmen, müssen ihn (doppelt gesichert) möglichst umstandslos in unser Auto verfrachten und dann schnurstracks nach Hause fahren. So weit, so gut – aber dann?
Wie sollen wir es schaffen, eine entspannte Gassirunde mit unserem Erst- und Zweithund zu drehen, wenn der Zweithund aus dem südlichen Tierschutz kommt, weder Halsband noch Geschirr gewöhnt ist und schon gar nicht das Laufen an der Leine? Wenn er die große Stadt mit all dem Lärm und Verkehr nicht kennt, wenn er wenig Kontakt zu Menschen hatte? Wenn er also ganz sicher nicht locker neben uns herlaufen wird, um auf neutralem Terrain besagte zarte Bande mit Sirius zu knüpfen?
Natürlich könnten sich die Hunde auch im Auto kennenlernen, auf der kurzen Fahrt nach Hause. Doch auch diese Lösung bereitet mir Bauchschmerzen. Die kleine Portugiesin wird eine 24-Stunden-Reise hinter sich haben, wird erschöpft und verängstigt sein, und wenn Sirius dann auf die Idee kommen sollte, dass unser Auto allein sein Revier ist … dann hätten wir gleich in den ersten Minuten den Super-GAU!
Sirius knuspert ahnungslos an seinem Knochen, während ich im Wohnzimmer auf und ab laufe und mir die Haare raufe. Ich mache mir Vorwürfe. Was für eine dämliche Idee, sich aus dem Bauch heraus für eine Internet-Liebe zu entscheiden! Wie konnte ich nur? Hätte ich mir das alles nicht vorher überlegen sollen, verdammt?!
Aber nun ist es geschehen, die süße Cremeweiße ist adoptiert und wird definitiv bei uns einziehen. Sie soll Struppi heißen, diesen Namen hat unser begeistertes Söhnchen ausgesucht, und auch Tim und ich freuen uns schon schrecklich auf unser neues Familienmitglied! Eigentlich.
Mein Blick huscht zum PC.
Ich überlege, mir Hilfe im Hundeforum zu suchen, doch ich muss zugeben, diesmal schäme ich mich, dort um Rat zu fragen. Schließlich habe ich mich ganz allein in diese dumme Situation gebracht! Ich war es, nur ich, die einen Zweithund für unsere Familie ausgesucht hat, der absolut nichts kennt als das stupide Dasein in einem engen Betonzwinger im Süden, in dem es viel zu viele Hunde und immer zu wenig zu fressen gibt.
Gemeinsam durch dick und dünn.
Wer A sagt, muss auch B sagen
Wobei ich Struppi natürlich auch deshalb ausgewählt habe: eben weil sie nichts kennt als das stupide Dasein in ihrem Zwinger. Kein Hund, und auch kein anderes Tier auf dieser Welt, hat es verdient, so sein Leben verbringen zu müssen! Es war eine gute Entscheidung, Struppi da rauszuholen. Dieser Gedanke richtet mich wieder auf. Leider hilft er mir aber auch nicht weiter. Denn das Problem besteht ja nach wie vor: Die zukünftigen Patchwork-Geschwister Sirius und Struppi sollen einen guten Anfang miteinander haben, und ich habe nicht den blassesten Schimmer, wie ich ihnen dazu verhelfen soll. Vielleicht sollte ich einfach darauf vertrauen, dass schon alles gut gehen wird!
Oder doch lieber im Hundeforum um Rat fragen?
»Meine Güte, Franziska!«, fahre ich mich ärgerlich an. »Du hast dich für die kleine Struppi entschieden, dann trage jetzt bitte schön auch die Konsequenzen! Sich ein bisschen zu schämen, ist weit weniger schlimm, als den armen Hunden ihren Start miteinander zu versauen, oder?«
Sirius gibt ein zustimmendes Brummen von sich, und ich straffe die Schultern und logge mich ein.
ANDRÉS EXPERTENRAT FÜR EIN ERFOLGREICHES ERSTES BESCHNUPPERN
Der erste Kontakt mit dem Zweithund sollte im Vorfeld gut geplant werden. Dass sich Franzi hier Sorgen macht, ist also richtig! Sie überlegt sich, wie sie die Situation meistern kann, und berücksichtigt dabei, dass Struppi eventuell ein paar Handicaps mitbringt. So ist sie bestenfalls gewappnet und kann, falls es brenzlig wird, entsprechend reagieren. Komplett schief läuft das erste Zusammentreffen meist nur dann, wenn man es zu blauäugig angeht und nicht über mögliche Probleme und ihre Lösung nachdenkt.
AUFTAKT OHNE ÜBERRASCHUNGEN
Unbedacht wäre es beispielsweise, den Zweithund einfach ins Haus spazieren zu lassen, wo der Ersthund ahnungslos wartet. Das kann schnell zu Konflikten führen, die eigentlich leicht vermeidbar wären: Möglicherweise sieht der Ersthund seine Ressourcen gefährdet und möchte diese dann verteidigen. Solche Ressourcen sind zum Beispiel Raum bzw. Territorium, Spielzeug oder Beute, Nahrung und Bezugspersonen. Übrigens: Dieses Problem kann auch nach dem ersten Kennenlernen noch auftreten, und ich werde in einem späteren Kapitel näher darauf eingehen.
Am besten ganz entspannt im Freien
Was zudem gegen eine Zusammenführung in geschlossenen Räumen spricht, ist das geringe Platzangebot. Hier ist eine Wiese im Park viel besser geeignet. In der Wohnung gibt es weniger Ausweich- und Fluchtmöglichkeiten, was dazu führen kann, dass der Stresslevel der Hunde deutlich ansteigt. Unter Stress haben einige Fellnasen eine niedrigere Reizschwelle und kaum bis keine Impulskontrolle mehr. Dies erschwert ein reibungsloses erstes Zusammentreffen unnötig. Je entspannter sich die Hunde kennenlernen, desto besser ist es für das spätere harmonische Zusammenleben der beiden Vierbeiner – und damit auch für ihre Menschen.
Ziemlich beste Freunde – das werden Sirius und Struppi bestimmt auch bald.
MIT LEINE, OHNE HALSBAND
Franzi hatte eine weitere Befürchtung, auf die ich noch kurz eingehen möchte: Was tun, wenn Struppi weder Halsband noch Brustgeschirr kennt und Lärm und Hektik in der großen Stadt ganz neu und befremdlich für sie sind? Hier würde ich folgendermaßen vorgehen: Halten Sie ebenfalls nach einem ruhigen Plätzchen im Grünen Ausschau; die Umgebung sollte ruhig und reizarm sein. Zudem würde ich Struppi eine Retriever-Leine anlegen, die ähnlich wie ein Lasso – also auch ohne Halsband – funktioniert. Man legt sie um den Hals des Hundes, dort bildet sie eine Schlaufe. Dann stellt man den Zugstopp so ein, dass der Hund keinesfalls gewürgt wird!
Abwarten oder abbrechen?
Jetzt sollte Franzi beobachten, wie sich Struppi auf der Wiese verhält. Ist sie einigermaßen entspannt, können sie und Sirius sich beschnuppern, und es spricht nichts dagegen, eine Weile dort zu bleiben. Zeigt sich die Hündin jedoch extrem verängstigt, ist es ratsam, das Treffen abzukürzen. Keine Sorge, stark verängstigte Hunde verhalten sich meist sehr defensiv, es kommt also selten zu Konflikten. Wie es zu Hause weitergeht, erfahren Sie im nächsten Kapitel!
PRAXISÜBUNG → ERSTES KENNENLERNEN
Hier möchte ich Ihnen einen kleinen Ablaufplan an die Hand geben. Wenn Sie sich gut vorbereiten und dabei die folgenden Punkte beachten, kann beim ersten Kennenlernen fast nichts schiefgehen.
Suchen Sie sich im Vorfeld eine ruhige und ausreichend große Grünfläche aus, auf der sich die Hunde zum ersten Mal ausgiebig, ganz ohne Druck und vor allem auch ohne weitere Ablenkungen und Störfaktoren beschnuppern können.
Am besagten Tag wartet der Ersthund am festgelegten Ort mit einem vertrauten Menschen an seiner Seite auf die Ankunft des Zweithundes. Manche Hunde tun sich leichter, wenn sie beim Warten in Bewegung bleiben, da sie so entspannter sind, wenn der Zweithund ankommt.
Im Idealfall sind beide Hunde an ein Brustgeschirr gewöhnt, denn dann kann man für den Erstkontakt Schleppleinen verwenden. Sie bieten deutlich mehr Bewegungsfreiheit als normale Führleinen; mit ihnen ist es sogar möglich, dass die Hunde ein bisschen zusammen spielen.
Und ganz ohne Leine? Das würde ich für den Erstkontakt nicht empfehlen, denn die Leinen geben uns die Möglichkeit, schnell regulierend einzugreifen, falls es zu Problemen zwischen den Vierbeinern kommen sollte.
Ist so weit alles auf den Weg gebracht, begegnen sich die Hunde das erste Mal. Sie dürfen sich beschnüffeln, man läuft ein paar Meter zusammen, und wenn die Chemie stimmt, können die beiden sogar ein Weilchen gemeinsam herumtollen.
Wurde das erste Aufeinandertreffen gut geplant und behutsam durchgeführt, sollte eigentlich – vorausgesetzt, der Zweithund wurde mit der nötigen Sorgfalt ausgewählt – alles klappen: Nach etwa 20 Minuten können Sie mit beiden Hunden nach Hause fahren.