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Chris und ich fuhren zurück ins Büro und überließen Rob seiner Story. Wir schickten Kruzick nach Hause, nachdem er alle Termine für den Rest des Tages abgesagt hatte. Chris entdeckte eine Flasche Bourbon und mixte sich einen Drink. Ich lehnte ab – um das Zeug zu vertragen, muß man vermutlich in Virginia geboren sein.

Sie starrte eine Weile aus dem Fenster, und ich ließ sie. Schließlich konnte sie wieder sprechen und sagte: »Ich werde diesen Idioten finden, der das getan hat.«

Ich nickte.

»Wirst du mir helfen?«

»Sicher.« Rache ist vielleicht keine sehr erhebende Eigenschaft des Menschen, aber manchmal tröstet sie. Natürlich würde ich ihr helfen.

»Eine Sache habe ich Martinez nicht erzählt. Peter ist in der letzten Nacht angerufen worden. Er ging an das Telefon im Wohnzimmer und sprach sehr lange. Er hat nichts davon erwähnt, bis er heute morgen sagte, er sei um zehn verabredet.«

»Glaubst du, er war mit dem Anrufer verabredet?«

»Ja. Der hat seine Verabredung eingehalten und ihn umgebracht.«

Ich nickte wieder. Es klang logisch. Wir brauchten nur herauszufinden, wer es war.

Das Telefon klingelte. Chris griff automatisch zum Hörer. »Chris Nicholson. Ja, ich bin seine Anwältin, aber ... Oh, Mrs. Ashton. Ich habe keine Ahnung, ob er ein Testament hinterlassen hat. Ich habe ihn in einer anderen Sache vertreten. Ja ... darf ich fragen, warum Sie das wissen wollen? Also gut. Er ist bei Fail-Safe Kältetechnik. Sie finden die Firma im Telefonbuch.«

»Laß mich raten«, sagte ich. »Peters Schwester meint, daß sie den Anstellsauer geerbt hat.«

»Treffer. Sie will ihn sich ansehen.«

»Seltsam.«

Sie zuckte mit den Schultern. »Verständlich, würde ich sagen. Sie wollte ihn seit Jahren haben.«

»Warum hat sie ihm nicht einfach ein Angebot gemacht?«

»Er hatte ihr angeboten, ihn gegen das Haus zu tauschen, aber sie ließ sich nicht darauf ein. Anscheinend dachte sie, man dürfe ihm kein Geld in die Finger geben. Er wurde sauer, und sie hatten eine Auseinandersetzung. Er schwor, dafür zu sorgen, daß sie ihn niemals bekam. Jahre später, als er völlig pleite war, hat sie ihm dann ein Angebot gemacht – fünftausend Dollar. Kannst du dir das vorstellen? Sie wollte ihren eigenen Bruder über den Tisch ziehen!«

»Es überrascht mich nicht. Ich kenne sie.«

»Du kennst Anne Ashton?«

»Ich habe vor ein paar Jahren an ihrem Kurs teilgenommen. Weißt du, wer sie ist?«

»Natürlich. Sie ist eine international bekannte Beraterin für effektive Zeitplanung. Ihr Buch stand mindestens siebzehn Monate auf der Bestseller-Liste. Ihre berühmten Klienten sitzen überall in den Staaten. Filmstars, Politiker, was du willst.«

»Rebecca Schwartz nicht zu vergessen. Die jüdisch-feministische Anwältin. Anne Ashton ist ein etwas schwieriger Fall, Chris. Aber liebenswert – kennst du den Typ? Unter der harten Schale ist sie verletzlich. Sie fürchtet, daß man sie ausnutzen könnte, also versucht sie, den anderen zuvorzukommen.«

Chris seufzte. »Vermutlich kommt man so zu Geld.«

»Beantworte mir eine Frage: War Peter jemals verheiratet?«

»Nein. Er war einundvierzig, und noch nicht einmal verlobt.«

»In diesem Fall, wenn man voraussetzt, daß er kein Testament hinterlassen hat, gibt es wahrscheinlich keine anderen Erben für den Anstellsauer. Damit hat Anne ein hervorragendes Mordmotiv.«

Chris war erregt. »Wahrscheinlich war sie es, die die anderen am Telefon bedroht hat. Vielleicht wollte sie die Auktion verhindern. Und als das nicht funktionierte, hat sie ihn umgebracht.«

»Wir dürfen nichts übersehen. Vielleicht war der Anrufer einer der Interessenten, der die anderen zum Rücktritt bewegen wollte. Vielleicht hat er ihn umgebracht, als das nicht funktionierte.«

»Jedenfalls wurde Peter getötet, um die Auktion zu verhindern.«

»Also, für’s erste ist Anne die Hauptverdächtige. Es kann nicht schaden, im Rathaus einen Blick auf das Martinelli-Testament zu werfen.«

»Okay.« Der Gedanke, etwas tun zu können, richtete sie auf.

Wir gingen zu Fuß zur BART Station (BART ist die Schnellbahn der Bay Area) an der Montgomery Street und fuhren zwei Haltestellen weiter bis Civic Center. Die Station liegt ein oder zwei Blocks vom Rathaus entfernt. In dieser Gegend pfeift der Wind dicht an den Gebäuden entlang durch die Straßen. Es war Februar, und die Böen deshalb schneidend kalt. Also liefen wir über die Civic Center Plaza, wo die Sonne schien und es angenehm warm war.

Das Rathaus ist ein altmodisches, graues Steingebäude, hier und da mit Blau und Gold verziert. Durch den Eingang gelangt man in eine wunderschöne Rundhalle mit einem geschwungenen Treppenaufgang. Leider wird dieser Eindruck durch einen Wachposten gestört, der jeden durch einen Metalldetektor scheucht.

Wir fuhren mit dem Fahrstuhl in den dritten Stock zum Gerichtssekretariat. Statt staubfreier Microfiches gab es hier wandhohe Regale voller Bücher, ein malerischer Anachronismus im Computerzeitalter. Die Menschen, die dort arbeiten, hauptsächlich ältere Damen, sind freundlich und nie in Eile. Ich bin immer gern in diesem Büro.

Das Martinelli-Testament war leicht zu finden. Es bestätigte, was Peter gesagt hatte: Das Haus wurde Anne hinterlassen, der Anstellsauer Peter. Es gab keine Vorkehrungen über das Erbe für den Todesfall von einem der beiden jungen Martinellis. In anderen Worten, Peter konnte den Anstellsauer hinterlassen, wem er wollte. Falls es kein Testament gab, ging das Erbe an seine nächste Verwandte – seine Schwester Anne. Das war also erledigt.

»Was machen wir jetzt?« fragte Chris.

»Mir fällt nichts ein. Wenn es Anne war, werden die Bullen sicher selbst darauf kommen.«

Sie sah sehr niedergeschlagen aus.

»Laß uns bei mir zu Abend essen.«

»Es ist erst vier Uhr.«

»Dann fahr nach Hause, um dir was anderes anzuziehen.« Ich legte meine Hand auf ihren Arm. »Chris, es gibt im Moment nichts, was wir tun könnten, es sei denn, wir halten unsere private Totenwache für Peter.«

Sie nickte. Ich sah Tränen in ihren Augen. Ich nahm an, daß sie sich zu Hause gründlich ausweinen würde.

Wir fuhren zum Büro zurück, holten unsere Autos, und ich fuhr zum Fisherman’s Wharf, und kaufte ein paar Krebse. Chris konnte bestimmt nicht viel essen, also dachte ich, Krebse wären nicht schlecht, weil man mit dem Knacken beschäftigt ist. Ich erstand einen Laib von Bob Tosis Sauerteigbrot dazu und eine Flasche Weißwein. Dann fuhr ich zu meinem Apartment in Telegraph Hill.

Wie immer war ich froh, zu Hause zu sein. In meinem Apartment herrschten die Farben Rot und Weiß vor, das heitert mich auf. Außerdem lebe ich nicht allein. Ich habe so viele Haustiere, daß ich sie gar nicht zählen kann, in einem Vierhundert-Liter-Salzwasseraquarium: Fische, Krabben, Seeanemonen, Seeschlangen und, momentan, ein Seepferdchen. Mit momentan meine ich, daß es nicht das erste ist – anscheinend kann ich sie nicht sehr lange am Leben halten, trotzdem versuche ich es immer wieder, weil sie so niedlich sind. Dieses hier heißt Durango.

Ich fütterte Durango und seine Freunde, dann duschte ich und zog ein paar Jeans an. Es war noch reichlich Zeit bis zu den Essensvorbereitungen, also spielte ich ein bißchen Klavier, Bach, um mich aufzuheitern. Am Ende eines langen, harten Tages mag ich Barockmusik.

Chris kam gegen halb sieben, rosig und erfrischt. Sie trug Jeans – hauteng.

»Du siehst viel besser aus.«

»Ich war joggen.«

Natürlich. Sofort fühlte ich mich schuldig. Wenn ich joggen würde, wären meine Beine vielleicht auch dünner, aber sie würden dadurch nicht länger werden. Ich bin einszweiundsechzig groß, ein endomorpher Typ, ab und zu spiele ich ein bißchen Tennis. Der Anblick von Chris’ Figur macht mich neidisch, ich bewundere sie und kriege Schuldgefühle, und zwar alles auf einmal. Aber jetzt war ich glücklich, weil sie so aussah, als ob sie sich gefangen hätte.

»Ich hole uns Wein. Legst du eine Platte auf?«

Sie suchte eine neutrale Jazzmusik aus, weder fröhlich noch traurig. Als wir uns gegenübersaßen, liefen ihr die Tränen aus den Augen.

»Er wird mir fehlen.«

»Ich weiß. Ich wollte, ich ...«

Ich hatte sagen wollen, ich wollte, ich wüßte, wie ich sie trösten könnte, aber das Telefon klingelte.

»Rebecca, hier spricht deine Mutter. Ich habe gerade Nachrichten gesehen. Aus dem Fernsehen mußte ich es erfahren!«

»Es geht uns gut, Mom. Chris ist hier, und es ist alles in Ordnung. Es tut mir leid, daß ich vergessen habe, dich anzurufen.«

»Oh, das macht ja nichts. Dein Vater mußte sich bloß hinlegen, das ist alles.«

»Ach komm, Mom. So leicht regt Dad sich doch nicht auf.«

»Rebecca, bitte beantworte mir nur eine Frage: Warum mußt du dich immer mit Leuten abgeben, die sich gegenseitig umbringen?«

»Mom, bitte. Peter war Chris’ Freund. Der Liebhaber deiner jüngsten Tochter, Alan Kruzick, hat sie zusammengebracht. Gib zur Abwechslung mal Kruzick die Schuld.«

»Alan kann nichts dafür, Darling. Du bist diejenige, die die Leiche gefunden hat.«

»Mom, du kannst mir glauben, ich hätte es nicht getan, wenn ich es hätte verhindern können.«

»Kannst du mir eines erklären, Rebecca. Warum tust du so was immer wieder? Du bist jetzt fast dreißig!«

»Mom, weißt du, was? Ich höre jetzt sofort damit auf. Ich werde nie wieder eine Leiche finden, und das ist endgültig. Ich werde mein Leben ändern, und das verdanke ich nur dir.«

»So ist es recht. Mach dich über deine Mutter lustig.«

»Mom, ich habe es nicht so gemeint. Kann ich Dad einmal sprechen?«

»Nein, er ist weggegangen, um Eis zu holen. Er ißt immer zu viel, wenn er sich Sorgen macht.«

»Armer Daddy. Sag ihm, es tut mir leid, ja? Ich habe Besuch, also lege ich jetzt besser auf.«

»Liebe Grüße an Chris von uns. Das arme Kind, auf diese Weise den Freund zu verlieren.«

»Wiedersehn, Mom.«

Ich gab einen befreienden Schrei von mir, aber Chris hatte Mom gutgetan. Sie hielt sich den Bauch vor Lachen.

»Meine Mutter läßt dich grüßen. Ich war ein böses Mädchen, weil ich Peters Leiche gefunden habe, aber du bist ein armes Kind.«

»Deine Mutter ist umwerfend.«

Ich konnte über Mom gerade nicht lachen. »Freut mich, daß du dich besser fühlst«, sagte ich bissig und ließ Butter schmelzen, um die Krebse einzutunken. Chris verteilte die Krebse auf Tellern.

»Ich wünschte, ich hätte noch eine Chance«, sagte Chris.

»Mit Peter?«

Sie nickte.

»Das ist ganz normal, daß du das denkst.«

Wir setzten uns. Chris stocherte in ihrem Krebs herum, während ich meinen längst aufgegessen hatte.

»Ich weiß, daß er mich sehr gern hatte«, sagte sie, »aber ...«

Sie konnte den Satz nicht beenden. Ich wußte nicht, ob das helfen würde, aber ich mußte ihr sagen, was ich dachte: »Chris, weißt du, was ich über Peter denke? Ein Mann in seinem Alter, der nie verheiratet war, wird sein Leben wahrscheinlich nicht mehr ändern.«

»Wie kommst du darauf, daß ich heiraten wollte?«

»Manchmal sagst du, daß du das willst. Manchmal sagst du, du willst nicht. Also denke ich mal das eine und mal das andere.«

»Ich habe nicht daran gedacht, Peter zu heiraten. Noch nicht. Ich wünsche mir nur, daß wir ein bißchen mehr Zeit gehabt hätten, um ... ich weiß ja auch nicht ... um einander zu verstehen.«

»Irgend etwas beunruhigt dich, oder?«

Sie fing wieder an zu weinen. »Er ist tot!«

»Entschuldige. Ich meine, irgendwas hat dich schon beunruhigt, als er noch lebte.«

Sie sah sehr unglücklich aus. »Er war ein bißchen ... zurückhaltend.«

»Meinst du kalt? Sexuell kalt?«

Sie nickte schluchzend. »Es war nicht nur das – es war so schwierig, ihn kennenzulernen. Wenn wir mehr Zeit gehabt hätten, hätte ich vielleicht ...«

»Chris, das ist doch nicht deine Schuld. Möglicherweise hätte alle Zeit der Welt nichts geändert.«

»Glaubst du das?«

»Ja. Manche Typen sind einfach so.«

»Du glaubst wirklich, ich kann nichts dafür?«

»Natürlich nicht.«

»Du hast so ein Glück, daß du Rob hast!«

Ich hatte Glück mit Rob, und ich wußte es. Er hatte eine Menge guter Eigenschaften, die ich hätte aufzählen können, aber Chris tat sich selbst leid, also schmälerte ich mein eigenes Glück und setzte an dem einen Punkt an, der mich an Rob störte. »Er ist auch nicht vollkommen, weißt du. Zeitungsreporter ist ein seltsamer Job. Ab und zu bringt er die Prioritäten durcheinander, und seine Storys werden wichtiger als das wirkliche Leben.«

»Wirklich? Aber wir identifizieren uns doch alle sehr mit unserer Arbeit.«

»Das ist etwas anderes. Reporter sind nicht wie du und ich. Andererseits ist er immer da, wenn ich ihn brauche. Und man muß ihn nicht bemuttern.«

Chris lächelte. »Gibt’s nicht noch mehr von der Sorte?«

»Gott sei Dank! Das Fieber sinkt. Du wirst überleben, oder?«

»Wahrscheinlich wird es mir ein paar Tage schlecht gehen, aber das ist in Ordnung. Es hat sich gelohnt, Peter zu kennen. Es wäre bloß schön gewesen, wenn er Zeit gehabt hätte, das, was ihn beunruhigt hat, zu überwinden. Ich glaube nicht, daß er sich wirklich für liebenswert hielt. Ich glaube, deshalb war er so einsam.«

Dann rief Rob an. »Wie geht’s Chris?«

»Besser. Sie meint, wenn sie Peter nicht haben kann, wäre sie auch mit jemandem wie dir zufrieden.«

»Wie wenig sie mich kennt.«

»Das habe ich ihr auch gesagt. Danke für den Anruf – das war sehr lieb von dir.«

»Warte. Es gibt was Neues. Peters Schwester war bei Fail-Safe Kältetechnik, um sich ihre Erbschaft anzusehen.«

»Weiß ich. Sie hat Chris angerufen, um herauszubekommen, wo sie ist.«

»Sie hat dort nicht erwähnt, daß Peter tot ist. Sie sagte nur, daß sie seine Schwester sei und einen Blick darauf werfen wolle.«

»Und man hat ihr den Teig gezeigt?«

»Sie haben’s versucht. Anscheinend gab es ein technisches Problem.«

»Na los, ich sitze auf der Stuhlkante.«

»Der Anstellsauer war nicht mehr da.«

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