Читать книгу Die knallbunte Couch - Jutta Treiber - Страница 11
Kapitel 3
ОглавлениеLisa war aufgeregt. Beim Mittagessen hatte sie kaum einen Bissen hinuntergebracht. Jetzt bereitete sie alles für den Nachmittag vor. Im Kleiderkasten ihrer Mutter hatte sie eine Kiste mit alten Faschingskostümen gefunden. Die waren super geeignet zum Theaterspielen. Und heute war der große Tag: Heute würde sie eine Theatergruppe gründen. Theater spielen, das war immer schon Lisas Wunsch gewesen, seit der Kindergartenzeit. Und jetzt, endlich, in der vierten Volksschulklasse, würde sich ihr Traum erfüllen.
Lisa hatte allen in der Klasse erzählt, was sie vorhatte. Einige hatten die Nasen gerümpft und gesagt, dass sie sowas kein bisschen interessierte. Aber ein paar hatten genickt und so getan, als würden sie mitmachen wollen. Um drei Uhr nachmittags sollten alle bei ihr sein.
Dreiviertel drei. Lisas Herz klopfte vor Aufregung immer schneller.
Den großen Esstisch im Wohnzimmer hatte sie gemeinsam mit ihrer Mama zur Seite gerückt, damit die Gruppe Platz für eine erste Probe hatte. Was sie eigentlich spielen würden, wusste Lisa noch nicht, aber das würde sich schon ergeben. Improvisieren nannte man das, hatte die Mama gesagt. Sie hatte auch ihre Hilfe angeboten.
„Nein, Mama, ich will nicht, dass du dabei bist“, hatte Lisa gesagt. Die Mama hatte das verstanden. Lisa wollte die Sache allein durchziehen, und das war gut so.
Fünf vor drei! Jetzt sollte endlich schon der oder die Erste kommen. Wahrscheinlich würden es mehr Mädchen sein als Buben. Buben machten sich nicht viel aus Theaterspielen.
Punkt drei. Noch niemand da.
Na gut, ein paar Minuten durften sie sich schon verspäten.
Lisa hätte ihre Freundinnen und Klassenkameraden anrufen können und fragen, warum sie nicht kamen. Aber erstens besaß sie kein eigenes Handy, weil ihre Eltern der Meinung waren, dass man in der Volksschule kein Handy brauchte, und zweitens hätte Lisa gar nicht anrufen wollen.
Noch einmal kramte sie die Faschingskiste durch. Da war ein chinesisches Kostüm, eine knallgelbe Jacke mit Drachenmotiven, dazu eine schwarze Perücke mit einem langen Zopf, eine alte Reithose ihrer Mama, ein schwarzer Zylinder, ein kariertes Westernhemd, ein spitzer hoher Hexenhut, eine rote Clownperücke und noch vieles mehr. Auch das Prinzessinnenkleid, das Lisa im Vorjahr beim Kindermaskenball getragen hatte. Es passte ihr noch, nur ein bisschen kurz war es geworden.
Um viertel vier war noch immer niemand da. Um halb vier auch nicht. Lisa ging vors Haus und schaute die Straße entlang. Kein Mensch zu sehen, bis auf einen älteren Mann, der spazieren ging.
Lisa spürte, wie sich ein Knoten in ihrem Bauch bildete. Es war nicht Wut, was sie fühlte. Es war eher so, als ob sie innerlich ausgehöhlt worden wäre. Um vier Uhr packte sie die Faschingskiste weg und verschloss den Kleiderkasten. Ganz fest.
„Nicht weinen!“, dachte Lisa. „Auf keinen Fall weinen!“
Aber die Mama merkte sofort, dass etwas schiefgelaufen war.
„Vielleicht klappt es ja beim nächsten Mal!“, sagte sie.
Lisa schüttelte den Kopf. „Es wird kein nächstes Mal geben.“
„So schnell darfst du nicht aufgeben“, sagte die Mama.
„Die wollen das nicht“, sagte Lisa. „Sie waren nur zu feig, es mir zu sagen.“
Am nächsten Morgen war Lisa immer noch traurig. In der Schule fragte sie zuerst ihre beste Freundin Mona, warum sie nicht gekommen war. Mona sagte: „Meine Mama hat gesagt, ich muss Rechtschreiben üben.“ Dass ihre Mama auch gesagt hatte, sie solle ihre Zeit nicht mit solchen „Blödheiten“ verplempern, sagte Mona nicht. Aber Lisa verstand auch so.
Die anderen, die so halb halb zugesagt hatten, fragte sie gleich gar nicht. Sie hätte jede Menge unterschiedlichster Ausreden gehört, und darauf war Lisa nicht neugierig. Sie hatte verstanden: Außer ihr selbst war niemand am Theaterspielen interessiert. Und ohne Mitspieler konnte man keine Theatergruppe gründen.
Den ganzen Vormittag lang war Lisa sehr unaufmerksam. Sie machte Fehler an der Tafel, beim Schreiben und beim Rechnen, sie verstand die Fragen nicht.
Die Lehrerin schaute Lisa besorgt an. „Was ist denn heute mit dir los?“
„Nichts!“, sagte Lisa. Und genau so war es ja auch.