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Kapitel 1

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Ihre Zukunft hatte Molly sich ganz anders vorgestellt.

Eigentlich hatte sie nur den Hauch einer Ahnung davon, wie ihre Zukunft aussehen würde.

Wenn alles so weiter lief, wie bisher, würde sie an der Seite ihres Mannes steinalt werden und beide würden dabei niemals wirklich altern. Molly und Fred waren gebildete, tolerante, aufgeschlossene und moderne Zeitgenossen; vielseitig interessiert und Spezialisten auf ihrem jeweiligen Fachgebiet.

Irgendwo, höchstwahrscheinlich in der Karibik oder in der Südsee würde Molly, mit einem Cocktail in der Hand, friedlich und entspannt an Deck eines riesigen Luxusdampfers auf einer bequemen Sonnen-Liege sanft und entspannt entschlafen.

Das edle Cocktailglas würde ihren langen, schlanken Fingern langsam, ganz langsam in Zeitlupentempo entgleiten und mit einem leisen Klirren auf dem warmen Holzboden klassisch elegant zu Bruch gehen.

Diesen, im Sonnenlicht glitzernden, Scherbenhaufen würde irgendjemand schnell und diskret zusammenfegen.

Der Kirchenchor würde „Stairways to heaven“ singen und der Pfarrer hätte nur Gutes über Molly zu berichten.

So oder so ähnlich würde es kommen.

Für Molly gab es keine Alternative.

Das Leben im 21. Jahrhundert auf dem schönen, blauen Heimatplaneten Erde mit all seiner Vielfalt hätte so schön sein können.

Denn mal, ganz ehrlich, wer möchte schon auf dem Mars mit seinen seltsamen, unifarbenen Bewohnern hausen oder mit T. Rex um die Wette jagen?


Über den Verlauf ihres bisherigen Lebens konnte Molly im Großen und Ganzen zufrieden sein. Na ja, wenn es nach ihr gegangen wäre, hätte sie sich andere Nachbarn ausgesucht und etwas kleinere Füße hatte sie sich schon immer gewünscht.

Sie war davon ausgegangen, dass sie immun sei gegen all das Böse in der Welt, das sie, wenn überhaupt, nur aus den Nachrichten kannte.

Ein fataler Fehler.

Denn diese kindlich-naive Annahme sollte sich, ganz kurz nach ihrem 55. Geburtstag, als der größte Irrtum ihres Lebens herausstellen.

Das Leben in Angst und Schrecken erwischte sie eiskalt.

An einem warmen Frühlingsmorgen.

Die Vögel zwitscherten so viel lauter als an einem normalen Sonntagmorgen und die Sonne erschien viel wärmer und kraftvoller als an den vergangenen Tagen am Horizont.

Molly kehrte gut gelaunt, sprühend vor Lebensenergie und neuen Ideen von ihrer allmorgendlichen Fitnessrunde nach Hause zurück.

In der Küche vermischte sich der Duft der frischen Brötchen, die sie auf dem Rückweg eingekauft hatte, mit dem Duft des Kaffees, den Molly frisch gemahlen hatte.

Es war eigentlich wie immer.

Fred war noch immer nicht aufgestanden.

Es war spät geworden gestern Abend, obwohl er sich nicht so wohl gefühlt hatte und nur ihr zuliebe länger auf dem kleinen Feierabendfest im Dorf geblieben war.

Im Radio spielten sie Songs von damals.

Molly trällerte fröhlich mit.

Sie würde ihren Fred, gleich nach dem Duschen, mit einer heißen Tasse seines Lieblingskaffees am Bett überraschen und bestimmt auch wach bekommen.

Mit nassen Haaren, eingewickelt in ein großes türkisfarbenes Handtuch, schlich sie sich leise ins Schlafzimmer. Er sollte auf keinen Fall wach werden, bevor sie ihn weckte.

Es fiel ihr schwer, das Kichern zu unterdrücken.

Vielleicht war er auch schon wach und lauerte nur darauf, dass sie näher kam und er sie erschrecken konnte.

Man konnte nie wissen, und Molly war auf der Hut.

Auf Zehenspitzen näherte sie sich ihrem schlafenden Mann.

Leise stellte sie die Kaffeetasse auf das Nachttischchen, darauf vorbereitet, gleich von ihm mit seiner großen Hand geschnappt und ins warme Bett gezerrt zu werden, wie von einem wilden Tiger.

Doch heute schien er wirklich sehr erschöpft zu sein.

Fred gab kein Lebenszeichen von sich.

Und auch als Molly mit ihren warmen Händen auf seinen leblosen, kalten Körper einschlug und ihn anschrie, endlich aufzustehen, verweigerte er hartnäckig Mollys Wunsch.

Der Nashornkäfer

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