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Der Untergang (1938-1945)

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Mit dem 1934 errichteten austrofaschistischen Ständestaat unter Engelbert Dollfuß ist die Katastrophe vorauszusehen und nimmt schließlich mit dem Anschluss an Deutschland und der Übernahme durch das Nazi-Regime 1938 immer mehr Gestalt an. Alle bisherigen Bemühungen um ein eigenständiges unabhängiges Österreich, die neuen aufkeimenden Entwürfe und Euphorien in der österreichischen Kulturlandschaft der Zwischenkriegszeit und deren Formulierungen einer österreichischen Identität fallen der propagandistischen ideologischen Idee eines ethnisch einheitlichen Deutschen Reiches zum Opfer; dennoch gibt es gespaltene Meinungen: Die Enttäuschung der ›Kleinstaat-Bejaher‹ steht der Euphorie der ›Deutschtum-Verfechter‹ gegenüber.

Der Anschluss - Eine neue Identität?

Der Anschluss an Deutschland verursacht eine neue Identitätsfrage, welche sich schließlich bei mehreren Essayisten in der Rückbesinnung und das Nachtrauern auf die alten Werte der Habsburgermonarchie und ihrem Beamtentum äußert: »Die Dienstaristokraten, die den sozialen Kitt des alten Reiches bildeten, waren verschwunden und ganz Europa litt an ihrem Aussterben.«22 Rudolf Kassner, Oskar Benda und Andrian-Werburg trauern um den Verlust der »Versöhnungsarbeit«23 und des sogenannten »Sozialkapitals«24 des Beamtentums. Unter den drei Essayisten ist Oskar Benda derjenige, den Johnston ganz besonders hervorhebt. Er sei der Einzige, welcher eine »befriedigende Antwort«25 auf die Frage nach dem Österreicher bereithält. Johnston diagnostiziert bei den übrigen Diskursen von Hofmannsthal und Wildgans eine mangelhafte und unsystematische Charakterisierung des Deutschösterreichers, die bei Benda mit einer soziologischen und geordneten Herangehensweise gelungener erscheint.26 Benda behandelt in seiner Untersuchung den Österreicher als »Variante eines gesamtdeutschen Phänomens«27 und verlagert viele Eigenschaften, die bei den anderen Essayisten allein dem Österreicher zugeordnet werden, auf das gesamte Deutschtum. Benda nähert sich mit einer soziologischen Typisierung dem österreichischen Wesen und konzentriert sich dabei auf die »Spitzenleistungen«,28 anstatt auf die »Alltagserscheinungen«29 der Kultur. Außerdem kritisiert er die einseitige Zuordnung österreichischer Charakterzüge, die sich ausschließlich aus dem Beamtentum und der Aristokratie speist, nicht aber die restlichen Bevölkerungsschichten berücksichtigt wie beispielsweise das Bauerntum. Dieses findet seine Beachtung erstmals bei Benda, indem dieser eine direkte Verbindung zwischen dem einfachen, vom Primitivismus geprägten, bäuerlichen Lebensstil und den damaligen schematisierenden, künstlerischen Entwicklungen wie dem Expressionismus, herstellt. Bendas Fokus liegt dabei auf der »Suche nach dem Wesentlichen des Menschen«,30 welche sich bei den Bauern mit dem »Kult des Primitiven«31 auf die Kunst und Kultur auswirkt. Diese interessante Erkenntnis Bendas ist nur eine seiner Analysen, die Johnston ausführlich erläutert. Für Johnston ist Benda der »konsequenteste Deuter österreichischer Eigenart«32 und empört sich darüber, dass dieser »bis heute völlig unbekannt«33 geblieben ist.

Das einsame Österreich unter Verschluss

Die Katastrophe kommt zu ihrer vollen Ausformung und beginnt schließlich mit dem Ausbruch des zweiten Weltkrieges 1939. Viele flüchten ins Exil und wenden sich von Österreich teilweise bis an ihr Lebensende ab. Es kommt zu einem aprubten Stillstand in vielen Lebensbereichen Österreichs wie Kultur, Wirtschaft oder Wissenschaft. Österreich ist als deutsche Ostmark von der Außenwelt abgeschottet und wird durch das Nazi-Regime unter Verschluss gehalten. Dies sollte sich auch die darauffolgenden Jahre nicht ändern. Die erkenntnistheoretischen Fortschritte der Vor- und Zwischenkriegszeit, insbesondere im Kunst- und Kulturbereich, werden durch politische Instanzen ignoriert, abgelehnt, entartet oder vernichtet - so auch Paul Graf Thun-Hohensteins Abhandlung Österreichische Lebensform von 1937, die sich u.a. der Verwerfung von neuen Ideen und Erkenntnissen in Österreich widmet. Thun-Hohenstein beschäftigt sich mit dem Österreicher als Alltagsmensch und setzt ihn mit dem »Hang zur Eigenbrötlerei«34 in Beziehung. Interessant dabei ist Thun-Hohensteins Vorgehensweise: Er verbindet das einzelgängerische Wesen mit dem Konservatismus des österreichischen Bergvolks und begründet die Unentschlossenheit des Österreichers mit dem jahrhundertelangen »Umgang mit fremden Völkern«35, wodurch dieser im Voraus seinen Entschluss formuliert, diesen aber schließlich aus Angst vor Versagen nicht umsetzt und dann zu spät reagiert.36 Diese Eigenschaft verweise wiederum auf die österreichische Gemütlichkeit, welche letzten Endes nur eine »Verschleierung der Einzelgängerei«37 sei. Dieses Einzelgängertum, welches Thun-Hohenstein beschreibt, wird zur Zeit des ersten Weltkrieges durch das Nazi-Regime erzwungenermaßen aufgestellt. Österreich wird zum abgeschotteten Einzelgänger innerhalb des neuen Europas. Dies macht sich u.a. auch im Nichtvorhandensein des literarischen Diskurses während des zweiten Weltkrieges bemerkbar.

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