Читать книгу Polizeibeamte als Zeugen im Strafverfahren - Kai Müller - Страница 24
2. Grundsatz der Unmittelbarkeit
ОглавлениеDer Grundsatz der Unmittelbarkeit bedeutet, dass das entscheidende Gericht die Beweisaufnahme selbst wahrnehmen muss und nicht etwa anderen Personen übertragen darf. Die Tatsachen müssen dabei aus der Quelle selbst geschöpft und nicht durch Beweissurrogate ersetzt werden, da der sachnähere Beweis regelmäßig der bessere ist.50 Beruht der Beweis einer Tatsache auf der Wahrnehmung einer Person, so muss diese Person in der Hauptverhandlung vernommen werden (§ 250 StPO). Ein möglicherweise in den Akten vorhandenes Protokoll über eine frühere Vernehmung darf nicht als Ersatz für die Vernehmung dieser Person vor Gericht als Urkundenbeweis verlesen werden. Das Gericht soll sich einen unmittelbaren Eindruck von der Aussage einer Person machen und dabei auch die Möglichkeit der Rückfrage haben.51 Der Unmittelbarkeitsgrundsatz wird daher auch als Prinzip vom Vorrang des Personalbeweises vor dem Urkundenbeweis bezeichnet.52 Dies verbietet jedoch nicht die lediglich den Personalbeweis ergänzende Verlesung der Urkunde, beispielsweise des früheren Vernehmungsprotokolls als Vorhalt gegenüber der vor Gericht Auskunft gebenden Person.53
Merke:
Das Gesetz erlaubt in Ausnahmefällen, den Personalbeweis durch den Urkundenbeweis zu ersetzen (vgl. §§ 251 ff. StPO). So können Erklärungen des Angeklagten in einem richterlichen Protokoll während des Ermittlungsverfahrens als Urkundenbeweis in der Hauptverhandlung verlesen werden (§ 254 I StPO), nicht jedoch das polizeiliche oder staatsanwaltschaftliche Protokoll einer Beschuldigtenvernehmung.
Hieraus ergibt sich bei einem erst vor Gericht schweigenden Angeklagten die Notwendigkeit, den Polizeibeamten, der die polizeiliche Beschuldigtenvernehmung durchgeführt hat, als Zeuge vom Hörensagen vor Gericht zu vernehmen, worauf unten bei der Erörterung der Zeugenrolle des Polizeibeamten54 näher eingegangen wird.