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Vorwort

Als ich im Januar 2010 über die bekanntesten Huren der Menschheitsgeschichte recherchierte, musste ich zu meinem Erstaunen feststellen, dass es sowohl im Internet als auch in der Literatur, nur sehr unvollständige Informationen darüber gibt. Auf dem deutschen Büchermarkt findet man eine Menge Literatur zum Thema Prostitution, aber kein Werk, das in erster Linie und ausschließlich als eine Sammlung bekannter Prostituierter bezeichnet werden könnte. Das brachte mich auf die Idee, selbst solch ein Buch zu schreiben.

Warum es nicht schon längst jemand anderes getan hat, dafür gibt es natürlich Gründe. Portraits berühmter Menschen, ob sie nun durch besondere Leistungen hervorgetreten sind wie z.B. Komponisten, Maler oder Erfinderinnen, ob sie ein besonders schweres Schicksal hatten wie verkannte Genies oder Opfer von Verfolgungen, ob sie besonders schön, mutig, weitblickend oder aufopfernd waren – über sie möchten Leser gern alles erfahren und Autoren gern vieles mitteilen. Helden und Heldinnen sind es wert, dass man von ihnen erzählt und über sie liest.

Aber wer ist ein Held, eine Heldin? Die Auffassungen darüber sind epochenabhängig. Zur Kaiserzeit war in Deutschland niemand so interessant wie Kriegsminister und Generäle. Heute will man kaum noch etwas von ihnen wissen. Wenig später feierte die Welt ihre kühnsten Politiker und wichtigsten Theoretiker – auch hier ist die Neugier zurückgegangen, wenn auch nicht geschwunden. Und wie war es mit Frauen? Es dauerte bis in die 2. Hälfte des vorigen Jahrhunderts, erst dann erhielten auch sie einen Heldinnen-Status. Inzwischen gibt es viele Bücher über Dichterinnen, Malerinnen und Kämpferinnen für die Gleichberechtigung; große Herrscherinnen werden gefeiert, auch Frauen der Bühne und des Films. Aber eine Profession fehlt: die Prostituierte mag man als Heldin außerhalb des fiktionalen Bereichs im Film und in der Literatur kaum akzeptieren. Zu stark scheinen immer noch die Vorurteile zu sein, die Furcht davor, Frauen vorzustellen, deren Gewerbe öfter mal an die Kriminalität grenzt. (Seltsam, bei Freiheitskämpfern oder Seeräubern hat das kaum gestört ...) Was die Scheu, sogenannte käufliche Frauen als Heldinnen zu akzeptieren, auch begründen mag, sind Schwundstufen religiöser Vorbehalte. Sind sie nicht allzumal arge Sünderinnen? (Ach, und bei all den wunderbaren Wissenschaftlern, die uns Menschen aus dem geozentrischen Weltbild herauswarfen, was seinerzeit als schwere Sünde galt, hat das doch auch nichts ausgemacht.) Die Zeit ist inzwischen reif dafür, auch dem „ältesten Gewerbe der Welt” seine Heldinnen zuzugestehen und scheuklappenfrei von ihnen zu berichten.

Ich ging folgendermaßen vor: Zuerst erstellte ich eine lange Liste mit allen bekannten Frauen, die je mit der Prostitution zu tun hatten. Dazu gehören sowohl einfache Straßenhuren als auch Kurtisanen und Hetären. Irgendwann tauchte die Frage auf: nur Frauen einzubeziehen, die wirklich gelebt haben und noch leben, oder auch fiktive Gestalten aus Romanen und Filmen? Ich entschied mich dafür, auch Letztere mit zu berücksichtigen, weil Frauen aus Büchern der Belletristik wie Nana und Fanny Hill oder Pretty Woman aus dem gleichnamigen Film so sehr präsent sind, dass es eine große Lücke hinterließe, wenn man nicht über sie berichtete.

Meine Co-AutorInnen und ich schreiben sowohl über die ausgewählten Personen als auch über die Zeit, in der sie gelebt haben. Dabei ist es wesentlich, eine leicht verständliche, kurzweilige Geschichte aus einem Guss zu erzählen, die nur die wichtigsten Fakten enthält, nicht ausschweift und nicht (oder kaum) bewertet.

Bei der zeitlichen Auswahl haben wir uns bewusst für Epochen entschieden, die zwischen 2000 vor Christus bis hin zur kürzlich erlebten Jahrtausendwende liegen, um dem Leser so auch einen weiten geschichtlichen Überblick zu ermöglichen.

Es wird deutlich, dass die moralische Minderschätzung der Liebesdienerinnen niemals einhellig war, dass sie je nach Zeitalter, Religiosität und moralischer Rigidität in einer Gesellschaft schwankte, und dass die Offenheit, mit der Sexualität verhandelt wird, eine große Rolle dabei spielt, ob Prostituierte eine einigermaßen anerkannte Existenz führen können. Unsere aufgeklärte Zeit nimmt kein Blatt mehr vor den Mund, was den Huren gestattet, sich zu organisieren und ihre Tätigkeit als Beruf zu verstehen. Dennoch bleibt ihnen meist der volle Respekt der bürgerlichen, allemal der sogenannten besseren Gesellschaft, verwehrt. Käuflicher Sex lädiert auch in unserer Zeit zu viele Ideale von Liebe, Ehe und Treue, als dass die Prostituierten gleichberechtigt neben anderen berufstätigen Frauen auftreten könnten. Umso wichtiger scheint es, einmal genauer nachzuschauen, was das denn für Frauen waren, die so viel Anstoß erregten – aber auch so viel Bewunderung und Begehren weckten.

Den Reigen eröffnet Schamchat aus dem Gilgameschepos, eine der ältesten Schriften der Menschheitsgeschichte. Hier ist das Hauptthema die „Heilige Hure“.

Es folgen Rahab, aus dem Alten Testament der Bibel, die Ganika Ambapali aus Indien um 500 vor Christus und die Hetäre Neaira aus dem antiken Griechenland, ca. hundert Jahre später.

Natürlich darf auch die wohl berühmteste Prostituierte im christlich geprägten Kulturraum nicht fehlen: Maria Magdalena, die Gestalt aus dem Neuen Testament der Bibel.

Dann machen wir einen Sprung in das China des 9. Jahrhunderts und Bekanntschaft mit der Poetin Yu Xuanji.

Stellvertretend für die Huren aus dem späten Mittelalter erzählt uns die Romanfigur Marie Schärerin ihre Abenteuer.

Mit Roxelana habe ich eine Frau ausgewählt, die im 16. Jahrhundert in der heutigen Türkei als Haremssklavin anfing und zu einer großen Herrscherin aufstieg.

1749 veröffentliche der englische Schriftsteller John Cleland ein Buch, das in vielen Ländern für einen Skandal sorgte: Fanny Hill, eine ehemalige Professionelle, die jetzt das Leben einer Ehefrau führt, erzählt rückblickend über ihre Vergangenheit.

Eine der bedeutendsten Frauen der Französischen Revolution war Olympe de Gouges, von deren nachhaltigem Wirken wir heute noch profitieren.

Während der Demi-Monde-Epoche (1815 - 1870) lebte in Paris die Luxus-Kurtisane Marie Duplessis, die durch den Roman „Die Kameliendame” von Alexandre Dumas und die Oper „La Traviata” von Giuseppe Verdi unsterblich wurde.

Ca. 150 Jahre nach „Fanny Hill” folgte das Buch Nana von Émile Zola; er beschreibt die Geschichte einer Prostituierten in Frankreich aus der Zeit kurz vor der Belle Epoque (1884 - 1914).

Auch eine Frau aus Japan wurde zur Hauptperson eines musikalischen Werkes: Der Komponist Giacomo Puccini schrieb 1904 nach verschiedenen literarischen Vorlagen über das japanische Geisha-Mädchen Cho-Cho-San, die Oper „Madame Butterfly”. Was die wenigsten wissen: Die Japanerin hat wirklich gelebt und hieß Tsuru Yamamura.

Anfang des 20. Jahrhunderts war New Orleans so etwas wie der Puff der Welt. Nell Kimball erzählt uns davon.

Wien, 1906: Lange habe ich gezögert, ob ich über Josefine Mutzenbacher, Romanfigur von Felix Salten, schreiben soll. Sex mit Minderjährigen ist hier das Thema. Wegen des großen Bekanntheitsgrades im deutschsprachigen Raum habe ich mich dann doch dafür entschieden.

Der nächste Text behandelt Lulu, die Urgestalt des Weibes; nach dem Drama von Frank Wedekind und der Oper von Alban Berg.

Selbstverständlich darf auch ein männlicher Prostituierter nicht fehlen. Wir tauchen ein in die Welt des französischen Romanautors Jean Genet und sein Werk von 1942 „Notre-Dame-des-Fleurs”.

Zweifach verfilmt und eine Geschichte, die immer wieder für Gesprächsstoff sorgt, ist der bis heute unaufgeklärte Mord an der Edelprostituierten Rosemarie Nitribitt. Das Callgirl verkehrte im Frankfurt am Main der 1950er Jahre in den höchsten gesellschaftlichen Kreisen.

Auch Christine Keeler hatte gute Kontakte zur High Society. Das englische Callgirl wurde zwar nicht ermordet, sorgte aber 1963 für einen handfesten Skandal: Der englische Kriegsminister John Profumo musste ihretwegen zurücktreten.

Auf keinen Fall fehlen darf in unserer Sammlung die Königin der Reeperbahn, Domenica Niehoff. Sie wirkte ab den 1970er Jahren im Hamburger Vergnügungs- und Rotlichtviertel St. Pauli als Prostituierte und Domina, später auch als Streetworkerin.

Mit Vivian Ward, besser bekannt als Pretty Woman aus dem gleichnamigen Film, kommt der Leser in den Genuss, Vorder- und Hintergründiges über die bekannteste Filmhure der Gegenwart zu erfahren.

Den Schlusspunkt setzt Felicitas, ihres Zeichens deutsche Hure aus Berlin und Betreiberin des Café Pssst! Felicitas' gerichtliche Auseinandersetzungen mit den Berliner Behörden, die ihr Café Pssst! schließen wollten, verdanken wir in Deutschland ein neues Prostitutionsgesetz.

Kai Sichtermann, Boren (Schleswig-Holstein), 2012

Eros Nächte Moneymaker

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