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Rahab

Die gläubige Dirne

Du sollst nicht huren, du sollst nicht ehebrechen, und du sollst Unzucht meiden. So heißt es in der Bibel. Doch ausgerechnet eine Hure ist eine der Ahnmütter Jesu. Im Alten Orient war Prostitution sogar ein Beruf, mit dem Frauen ohne moralische Verurteilungen selbständig ihr Geld verdienen konnten; man fand nichts Anrüchiges daran. Auch Vielweiberei ist in der Bibel verbreitet. Da die Bibel nun aber eine Schrift für das Leben ist, schließt sie alle Menschen ein, auch Huren. So bietet Gott ihnen neben Vergebung einen Neuanfang. Er sagt, dass die Zöllner und die Huren eher ins Reich Gottes kommen als die Hohenpriester, denn die Zöllner und Huren glaubten an Gott. Zu diesen Huren gehörte Rahab. Erstaunlicherweise wurde gerade über sie in der Bibel sehr detailliert geschrieben. Die Geschichte der Hure Rahab - aus dem Alten Testament des Buches Josua - handelt einerseits vom Verrat einer Stadt durch eine Hure, andererseits von Verzeihen und Vergeben und von Loyalität und Glauben. Rahab hat über vierzig Jahre als Prostituierte gearbeitet, bis sie sich zum jüdischen Glauben bekehrte. Sie nimmt in der Geschichte der Einnahme Jerichos durch die Israeliten eine wichtige Stellung ein.

Der Theologe Ernst Modersohn, Schwager von Paula Modersohn-Becker, schrieb über sie: „Rahab war eine ungläubige Frau in der ungläubigen Stadt Jericho. Vor mehr als 3.400 Jahren lebte sie in dieser Stadt voller Sünde und Schande. Sie war eine stadtbekannte Dirne und wohnte direkt an der Stadtmauer. Am Marktbrunnen unterhielt sie sich mit anderen Frauen über ein Volk, das aus Ägypten ausgezogen sei, seinen Weg mitten durchs Rote Meer genommen habe und eines Tages an die Tore Jerichos klopfen würde. Diesem Volk Widerstand zu leisten, habe wenig Aussicht, da es vom Gott des Himmels und der Erde angeführt würde.“

Rahab war keine einfache Straßendirne. Sie gehörte in der rabbinischen Tradition zu den vier schönsten Frauen der damaligen Welt. Intelligent war sie und clever, eine wunderbare Gesellschafterin, vielleicht vergleichbar mit einer japanischen Geisha. Ihre Räumlichkeiten waren günstig gelegen, sie waren sowohl von der Innenstadt als auch von der Umgebung zugänglich. Bei ihr kehrten die Reichen und Mächtigen ein. Sie hatte sehr gute Beziehungen zum Königshof und bei so manch einem Schäferstündchen ist sicherlich auch das eine oder andere Wort gefallen, so dass Rahab bestens informiert war, besonders über die Siege der Israeliten. Sie kannte aber auch die Stärke des eigenen Militärs in Jericho. Und sie wusste, dass sie eine Einnahme Jerichos durch die Israeliten nicht überleben würde.

Wie ist es nun zu dieser Einnahme Jerichos gekommen? Laut Bibel hatte Jahwe, der Gott Israels, Moses dieses Land versprochen. Als Moses starb, sollte nun Josua mit dem gesamten Volk der Israeliten, das aus Ägypten ausgewandert und einer 430jährigen Gefangenschaft entkommen war, über den Jordan gehen, um ihnen das Land vom Libanon bis zum Euphrat und von dort bis zum Mittelmeer zu übergeben. Er solle keine Angst haben, denn sein Gott Jahwe wäre mit ihm, wo immer er auch gehen würde.

Josua schickte vom Ostjordanland, nördlich des Toten Meeres, zwei Kundschafter aus, die sich das Land anschauen sollten, darunter auch die Stadt Jericho. Dort kamen sie in das Haus der Hure Rahab. Manche Quellen sprechen von einer Hostess in einem Massagesalon oder einer Gastwirtin in einem Wirtshaus. Aber ob Hostess oder Gastwirtin, es braucht nicht viel Phantasie, um sich vorzustellen, dass es sich um eine Prostituierte in einem Bordell handeln könnte.

Schon immer waren Bordelle zum Spionieren oder als geheime Treffpunkte sehr gut geeignet. Nach dem Motto „Gibst du mir, geb ich dir“ beschloss Rahab, einen Deal mit den beiden Kundschaftern auszuhandeln, die Josua vorgeschickt hatte, um die Gegend zu erkunden. Denn Rahab war klug.

Von der Ankunft der beiden israelitischen Kundschafter erfuhr allerdings auch der König von Jericho: Er schickte seinerseits zwei Boten ins Haus der Hure Rahab und ließ ihr ausrichten, sie solle diese beiden Israeliten herausgeben. Das tat sie nicht. Im Gegenteil – sie erklärte den Boten, dass sehr wohl zwei Männer bei ihr wären, sie aber nicht wisse, woher sie kämen und wohin sie gingen. Wenn sie sich beeilten, könnten sie die Israeliten aber noch bei den Jordanfurten einholen. So zogen die Boten wieder ab.

Rahab hatte die beiden Israeliten auf dem Dach unter den Flachsstengeln versteckt, die dort ausgebreitet waren. Sie wusste, dass Gott das Wasser im Schilfmeer ausgetrocknet hatte und sie neues Land von ihm bekommen würden. Zu diesem neuen Land gehörte auch Jericho, die Stadt, in der sie wohnte. Widerstand zu leisten beim Einmarsch in die Stadt war zwecklos, da das Volk Israel von Gott angeführt wurde. Sie bat um Gnade wenigstens für ihren Vater, ihre Mutter, ihre Brüder und Schwestern.

Unter Eid versprachen ihr die Kundschafter Verschonung bei der Einnahme von Jericho, nicht nur für sie selbst, sondern auch für ihre Familie. Hätte Rahab sie verraten, wäre der Eid ungültig geworden. Rahab ließ die beiden durchs Fenster hinaus. Da ihr Haus direkt an der Stadtmauer stand, wo keine Soldaten die Stadt bewachten, konnten sie unbemerkt fliehen. Rahab ließ sie kurzerhand an einem roten Seil hinunter. Als weithin sichtbares Erkennungszeichen bei der Einnahme der Stadt sollte Rahab dieses rote Seil ins Fenster knüpfen. Noch heute ist die Farbe Rot eine Signalfarbe. Das Seil könnte ein Liebesband darstellen, aber auch das rettende Band Christi. Auch das Rotlichtviertel scheint nicht von ungefähr zu kommen.

Auf Josuas Zeichen wurde die Stadt Jericho unter lautem Kriegsgeschrei eingenommen. Zu den beiden Kundschaftern sagte er, dass sie Rahab aus dem Haus herausbringen sollten, mit allem was sie habe, so wie es im Eid beschworen war. Josua ließ die Dirne Rahab am Leben. Sie und ihre Familie wurden außerhalb des Lagers Israels untergebracht. Die Stadt selbst wurde verbrannt bis auf das Silber, Gold und Kupfer.

Interessanterweise ist dieser Stoff literarisch und auch musikalisch bearbeitet worden. Der Lyriker Börris Freiherr von Münchhausen hat 1898 einige Bilder für Rahabs Lied dem Hohenlied entnommen. Jojada ist hier der Kundschafter:

Mein Freund ist wie ein Büschel Myrrhen,

Das zwischen meinen Brüsten hängt,

In meiner Seele letzte Tiefen

Sich Tag und Nacht sein Name drängt,

Und blind bin ich, seit ich ihn sah,

Jojada, Jojada!

Sein Arm lag unter meinem Haupte,

Die rechte Hand liebkoste mich,

Die Palmenstadt schlief rings im Tale,

Und süß ihr Atem uns umstrich,

Der Himmel war so nah, so nah,-

Jojada, Jojada!

Doch über meiner Seele Saiten

Schrillt jäh ein Ton, zerrissen, wild,

Vom Himmel fallen alle Sterne,

Und Blut aus allen Wolken quillt:

Mein Vaterland verriet ich ja,

Jojada, Jojada!

Verflogner Duft der Palmen

Strich her von irgendwo. –

Tot hing am roten Seile

Rahab von Jericho.

Ein bayerischer Opernkomponist hat diesen Stoff Anfang des 20. Jahrhunderts für die Oper entdeckt. Es war Clemens Freiherr von Franckenstein, der in dieser Zeit auch Intendant der bayerischen Staatsoper in München war. Die Oper selbst wurde 1911 fertiggestellt. Das Libretto stammt von Oskar F. Mayer, der daraus eine Liebesgeschichte entwickelte. Der Kundschafter heißt in dieser Geschichte Hiram. Er wird von den königlichen Soldaten entdeckt und gejagt, bis er blutbespritzt vom Kampf ins Haus der Rahab kommt. Viel Zeit für Erklärungen gibt es nicht, also versteckt Rahab den Kundschafter in ihrem Schlafgemach. Soldaten rücken an und durchsuchen das gesamte Haus. Das Schlafgemach verteidigt Rahab mit einem Messer in der Hand. Die Soldaten lassen von ihr ab. Sie wollen kein Blutvergießen provozieren, denn sie wissen von Rahabs einflussreichen Beziehungen. Nachdem die Soldaten verschwunden sind, öffnen die Sklavinnen, wie sie in der Oper genannt werden, dem Kundschafter Hiram die Tür, sodass er aus dem Versteck heraustreten kann. Er geht auf Rahab zu, die ihm ihre Zuneigung gesteht. Ihre Sklavin Nahalal allerdings will Rahab davon abbringen, sich mit dem fremden Kundschafter einzulassen. Es kommt zu einer heftigen Auseinandersetzung, bei der Rahab ihre Sklavin aus Liebe zu Hiram, der sonst verraten wäre, ersticht. Hiram ist beeindruckt. Immerhin wurde er von einer Frau gerettet, deren Stadt er ohne Rücksicht auf Verluste einnehmen wollte. Die Oper endet in dem Moment, als der Kundschafter seinen Gott ruft, um ihn um Schonung zu bitten, für ihn selbst, für Rahab und für ihre Familie. Hier bleibt das Ende offen.

Matthäus schreibt im Neuen Testament, dass Rahab später einen hochrangigen Fürsten aus dem Stamme Juda geheiratet und ihm den Sohn Boas geboren hatte. Dadurch ist sie in den Stammbaum Jesu hineingekommen und ihr voriges Sündenleben war vergeben. Matthäus stellt hier eine Rahab vor, die durch ihren Glauben einen Neuanfang macht: Sie ist nicht mehr die Dirne Rahab, sondern die Mutter Rahab, die Mutter von Boas.

von Sema Binia

Quellen:

Ruth Lapide, „Biblische Gestalten - Rahab, die Dirne von Jericho”, Gespräch mit Walter Flemmer, Bayerischer Rundfunk, München 2001

Volkhard Spitzer, „Die ganze Wahrheit über die Hure Rahab”, Predigt in Bibel-TV, Hamburg 2010

Magda Motté, „Esthers Tränen, Judiths Tapferkeit. Biblische Frauen in der Literatur des 20. Jahrhunderts”, Darmstadt 2003

CID - christliche internet dienst GmbH, Berlin, Website: http://bibel-online.net

Georg Fohrer, „Zürcher Bibelkommentare. Das Buch Jesaja”, Band 2, Zürich-Stuttgart 1966

Frank Hossfeld, Erich Zenger, „Die neue Echter-Bibel. Kommentar zum Alten Testament mit Einheitsübersetzung” Würzburg 1993

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