Читать книгу Aufregung im Advent - Wo ist Herr Polymorf? - Kaja Paulan - Страница 11
Оглавление„Meine Heimatstadt heißt Planlos“, erzählte Herr Polymorf am nächsten Tag. Es war der 3. Dezember.
„Ist sie die Hauptstadt von Tamtaram?“, fragte Anja.
„Weiß ich gar nicht“, Herr Polymorf schaute verdutzt. „Als ich wegflog, war sie es noch. Aber jetzt? Jede Stadt ist mal dran.“
„Ich möchte so gern in Planlos wohnen“, seufzte Paul. „Da ist bestimmt immer etwas los.“
„Ja, das muss toll sein“, pflichtete Anja ihm bei.
„Papperlapapp“, unterbrach Herr Polymorf die Kinder schroff in ihrer Schwärmerei. Dann besann er sich und schlug einen versöhnlichen Ton an. „Ihr wisst es sicher nicht besser, aber aus meiner langjährigen Erfahrung heraus versichere ich euch: Es ist wahrlich nicht toll, in Planlos zu wohnen, im Gegenteil, es ist eine Schikane. Wie oft bin ich morgens aufgewacht und mein Haus befand sich irgendwo im Wald, nur weil es einem Nachtschwärmer bei seinem nächtlichen Ausflug im Weg war. Einmal stand es sogar mitten auf der Autobahn und ich wurde morgens um vier Uhr wach, weil ein Truck in mein Schlafzimmer fuhr. Und auf nichts kann man sich verlassen in Planlos. Wenn man morgens zum Bäcker gehen und seine Brötchen holen will, steht plötzlich an der Ladentür ‚Nachtlokal‘. In der Zeitung liest man morgens ‚Heute Abend Opernpremiere im Theater‘ und wenn man sich diese Premiere anschauen will, ist gar kein Theater mehr da, weil alle Sänger und Schauspieler auf Wanderschaft gegangen sind. Ja, nicht einmal die Toiletten bleiben an ihrem Platz. Könnt ihr euch das vorstellen? Man hat ein ganz dringendes Bedürfnis und nirgendwo gibt es eine Toilette? Diese Stadt ist der reine Horror für schwache Nerven.“
„Aha!“ Paul nickte verständnisvoll. „Darum bist du also zu uns gekommen.“
„Ich bin nicht freiwillig zu euch gekommen!“, rief Herr Polymorf. „Ich wurde strafversetzt. Ich mag Kinder nicht so gern, mit Ausnahme von euch natürlich. Und wenn ich gewusst hätte, dass ich Kinder betreuen muss, wäre ich doch lieber in Planlos geblieben.“
Anja und Paul sahen sich lange an, beschlossen aber, Herrn Polymorfs Einwurf zu ignorieren.
„Warum bist du also hier?“, fragte Anja schließlich.
„Ich hatte mich um einen Posten in der Weihnachtsstadt beworben“, antwortete Polymorf verlegen.
„Die Weihnachtsstadt liegt in Tamtaram?“, riefen Paul und Anja wie aus einem Mund. „Wir dachten, die liegt am Nordpol.“
„Ihr müsst nicht alles glauben, was man euch weismachen will“, erwiderte Herr Polymorf. „Die Weihnachtsstadt! Am Nordpol? So einen Blödsinn hab ich ja noch nie gehört. Ihr denkt wohl auch, dass der Weihnachtsmann einen langen weißen Bart hat und einen roten Mantel trägt und die unartigen Kinder mit einer Rute bedroht.“ Er schaute die Kinder grimmig an. Paul und Anja schauten mit großen Augen zurück.
„Das stimmt allerdings“, sagte Herr Polymorf. Als die Kinder weiterhin schwiegen, meinte er schnell: „Das war ein Scherz, nur ein Scherz.“
„Merkwürdige Scherze machst du“, sagte Paul.
Herr Polymorf rieb sich betreten die Hände und fuhr fort.
„Ich hatte das Leben in Planlos vollständig satt, nachdem ich eines Tages meinen schönen Balkon vermisste und feststellen musste, dass ein Blumenfreund ihn einfach mitgenommen hatte, weil er meine Geranien so herrlich fand und sie nicht aus ihrer alten Erde entfernen wollte. Also dachte ich, beim Weihnachtsmann hätte ich ein ruhigeres Leben. Einmal im Jahr wäre für vier Wochen Hochsaison und danach könnte ich Schneemänner bauen, Schlittenfahren, Eislaufen, Winterwanderungen unternehmen, alles, was das Herz begehrt. Also bewarb ich mich um einen Posten als Weihnachtsbeschäftigter. Der Weihnachtsmann selbst war hocherfreut über meine Bewerbung, denn bei ihm herrscht ständig Personalmangel. Mittlerweile weiß ich auch, wieso. Doch damals war ich ahnungslos. Ich sollte zunächst ein Praktikum machen, zeigen, was ich konnte. Froh und munter packte ich meine Sachen und bemerkte in meinem Eifer nicht, dass ich einen Wirrling einsteckte.“
„Einen Wirrling?“
Herr Polymorf erklärte geduldig: „Wirrlinge sind völlig nutzlose und überflüssige Dinge. Sie sehen aus wie zusammengeknüllte Taschentücher mit Augen und haben nur eine einzige Funktion: Alles durcheinander zu bringen. Um also mit meiner Geschichte fortzufahren … ich packte meine Sachen samt Wirrling ein und machte einen Abflug.“
Paul begann, zu kichern. Anja tat es ihm nach.
„Ein Wirrling!“, prusteten beide. „Was für ein komischer Name.“
Jetzt platzte Herr Polymorph der Kragen. „Wisst ihr was?“, knurrte er. „Ihr seid mir viel zu albern. Und darum erzähle ich heute gar nichts mehr. Außerdem habe ich Halsschmerzen und einen trockenen Mund. Man bekommt hier keinen Eistee, muss in einem zugigen, viel zu hellen Zimmer schlafen und dann wird man auch noch beim Geschichtenerzählen ständig unterbrochen. Es ist nicht zum Aushalten.“
Beleidigt kroch er in sein Bett, zog sich die Decke bis über beide Ohren und kam trotz aller Bitten der Kinder nicht wieder hinaus.
„Ich glaube, es fällt ihm immer noch schwer, nett zu sein“, vermutete Anja. „Wollen wir ihn wirklich hier behalten?“
„Vielleicht können wir ihn erziehen“, antwortete Paul. „Was er erzählt, klingt jedenfalls richtig spannend.“
„Und er hat sich zumindest eine ganze Weile richtig Mühe gegeben.“