Читать книгу Aufregung im Advent - Wo ist Herr Polymorf? - Kaja Paulan - Страница 15

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Herr Polymorf hatte beim Kartenspielen verloren und war verstimmt ins Bett gegangen. Am nächsten Tag wachte er jedoch sichtlich besser gelaunt auf. Er bedankte sich sogar, als Paul ihm einen Becher Cola brachte. Es war der 5. Dezember.

Anja erkundigte sich nach dem Engel.

„Der war doch wütend auf dich“, meinte sie. „Hast du ihm etwas getan?“

„Ich glaube, ich war nicht besonders nett zu ihm“, gab Herr Polymorf zu. „Aber Auslöser seiner Wut war mein Wirrling.“

„Ach ja“, erinnerte sich Paul, „von den Wirrlingen wolltest du gerade erzählen, als der Engel zu Besuch kam.“

Er erwähnte nichts von Herrn Polymorfs schlechter Laune am gestrigen Tag und auch Herr Polymorf tat so, als wäre nichts vorgefallen.

„Wirrlinge sind seltsame Wesen“, erzählte er. „Scheinbar liegen sie nur herum und werden von einer Ecke in die andere geworfen oder achtlos beiseite gepackt. Ich erwähnte schon, dass sie wie zerknüllte Taschentücher aussehen, doch sind sie lange nicht so harmlos. Sie verstreuen keine Viren oder Bazillen, meist landen sie irgendwann in einem Wäschekorb, in der Waschmaschine oder im Trockner, um noch zerknüllter und zerfranster als vorher herauszukommen. Doch ihr könnt sicher sein, wenn euer Vater seinen Autoschlüssel sucht oder eure Mutter ihr Portemonnaie nicht finden kann, dann liegt garantiert so ein Wirrling in einer Wohnungsecke und lacht sich scheckig.

Wirrlinge lümmeln in unaufgeräumten Kinderzimmern, in Schultaschen und Turnbeuteln herum. Sie sind schuld an jeglicher Unordnung, nur weiß das kaum jemand. Alle denken, Kinder wären nur zu faul zum Aufräumen, dabei würden sie das schrecklich gern tun, wenn nicht die Wirrlinge sie ständig davon abhalten würden.“

„Ich glaube, wir haben auch so einen Wirrling bei uns im Zimmer“, überlegte Anja.

Herr Polymorf schüttelte ungehalten den Kopf, weil er schon wieder unterbrochen wurde, dann lächelte er gequält. „In Tamtaram aber richten Wirrlinge noch viel größeres Unheil an als anderswo. Ich weiß nicht, wie lange dieser Wirrling sich bei mir versteckt hielt, aber ich denke, er tat es schon eine ganze Weile, denn immer wieder passierten mir Missgeschicke. Laufend stolperte ich über Sachen in meiner Wohnung, die an ganz andere Plätze gehörten, fiel im Wohnzimmer über meinen Wäschekorb, im Bad über den Zeitungsständer und stieß mich im Treppenflur an meinem Geschirrspüler. Ich riss mir am Türdrücker den Pulloverärmel auf, holte mir Beulen an offenen Schranktüren, kurzum, ich fühlte mich rundherum vom Pech verfolgt. Am schlimmsten aber war es an meinem 580. Geburtstag.“

„580. Geburtstag?“, rief Paul. „Jetzt flunkerst du aber!“

Herr Polymorf wurde ernst. „Deine Bemerkung zeugt nicht von Respekt. Ich flunkere nie, merk dir das.“

„Entschuldige.“

Herr Polymorf lächelte. „Wie ihr wisst, sind meine Nachbarn Großgewachsen und seine Frau Bohnenstange sehr hoch aufgeschossen. Fast drei Meter groß. Ich bekomme regelmäßig Genickstarre, wenn ich ihnen in die Augen schaue. Ihretwegen musste ich das Dach meines Hauses abnehmen, sonst hätten sie nicht hineingepasst. Als sie mir mein Geschenk, eine Flasche Colalikör, überreichen wollten, glitt es ihnen aus den Händen und zerbrach. Das war vielleicht eine Bescherung. An den Scherben zerschnitten wir uns alle drei die Finger. Ich holte Wein aus dem Keller, aber der schmeckte wie Essig. Mit säuerlichen Gesichtern tranken wir ihn und es wollte keine rechte Stimmung aufkommen. Meine Pizza, die nur eine halbe Stunde lang im Backofen war, sah aus wie eine Riesenkohle, und das restliche Essen war total versalzen. Zu allem Übel kam auch noch ein Dachdecker vorbei und deckte klammheimlich das Dach meines Hauses. Nun saßen wir schön in der Patsche. Meine Gäste konnten sich nicht mehr rühren und ich musste die Feuerwehr rufen, um sie zu befreien. Wutentbrannt zogen sie ab und meine schöne Geburtstagsfeier war verdorben. Jetzt dämmerte mir, dass ich einen Wirrling im Haus haben musste. Ich wandte mich an den Wirrlingsbekämpfungsdienst, WBKD genannt, und der fand, sage und schreibe, fünf Wirrlinge in meiner Wohnung, die sich an den verschiedensten Stellen eingenistet hatten. Doch das war noch nicht das Ende meiner Leidensgeschichte. Denn einen Wirrling hatte ich versehentlich in meine Jackentasche gesteckt. Jetzt geriet ich auf der Straße in die peinlichsten Situationen, rempelte Leute an, stolperte über meine eigenen Füße, verpasste alle meine Termine. Der Bus, mit dem ich zur Arbeit fuhr, landete am Laternenmast, die Straßenbahn entgleiste, kurzum, es war eine einzige Katastrophe. Endlich brachte ich meine Jacke in die Reinigung und die ganzen Verwirrungen hörten auf. Die Reinigungsfirma allerdings schloss eine Woche später, ihr Chef hatte einen Nervenzusammenbruch. Meine Jacke sah ich nie wieder.“ An dieser Stelle seufzte Herr Polymorf schwer. „Und genau an dem Tag, als ich ins Weihnachtsland fliegen wollte, hatte ich schon wieder so einen Wirrling erwischt. Einen von der ganz schlimmen Sorte. Aber das ist eine andere Geschichte.“

„Erzähl schon!“, riefen die Kinder.

Herr Polymorf schüttelte den Kopf. „Morgen. Jetzt brauche ich erst mal meine Ruhe. Die Erinnerung an all diese schlimmen Ereignisse wiegt schwerer, als ich dachte.“

Aufregung im Advent - Wo ist Herr Polymorf?

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