Читать книгу Aufregung im Advent - Wo ist Herr Polymorf? - Kaja Paulan - Страница 7

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„Das Frühstück steht in der Küche und das Mittagessen im Kühlschrank“, sagte Mama, bevor sie sich am nächsten Morgen verabschiedete. „Wärmt es euch in der Mikrowelle auf! Und ruft sofort an, wenn es Probleme gibt!“

Es war der 1. Dezember. Kurze Zeit später waren die beiden Kinder sich selbst überlassen.

Paul zog sich einen Bademantel und dicke Socken an. Dann setzte er sich ans Fenster und hielt Ausschau nach einem Weihnachtsboten.

Anja überlegte, ob sie einfach selbst einen Brief an Paul schreiben und so tun sollte, als käme er vom Weihnachtsmann persönlich. Aber noch fühlte sie sich zu schwach und blieb lieber im Bett liegen. Hunger hatten beide Kinder nicht.

Plötzlich bemerkte Paul einen grauen Fleck am Himmel, der war so dunkel, dass er sich noch von den Regenwolken abhob. Er wurde größer und formte sich schließlich zu einer menschenähnlichen Gestalt mit Flügeln. Die hielt genau auf das Haus Nummer drei in der Spielmannstraße zu.

„Anja, komm schnell! Ich glaube, der Weihnachtsbote ist da.“ Paul machte sich am Fenstergriff zu schaffen.

Anja sprang aus dem Bett, stürzte zu ihrem Bruder und blickte hinaus. Sie konnte nicht fassen, was sie dort sah. Eine fledermausähnliche Erscheinung näherte sich dem Haus in rasender Geschwindigkeit.

„Fenster zu! Das ist ein Vampir“, schrie Anja.

Gerade noch rechtzeitig, denn im selben Moment, als Paul das Fenster verriegelte, prallte das geflügelte Wesen auch schon gegen die Scheibe. Dann fiel es mit einem lauten Schrei herunter.

„War das wirklich ein Vampir?“, fragte Paul. „Seit wann fliegen Vampire mitten am Tag durch die Gegend?“

„Keine Ahnung.“ Anja war sich auf einmal nicht mehr sicher.

„Wir haben den Weihnachtsboten umgebracht“, flüsterte Paul erschrocken.

Anja schaute schuldbewusst.

Die Kinder zogen sich ihre Jacken über und rannten nach draußen.

Ein kleiner Mann, höchstens fünfzig Zentimeter groß, lag auf dem Beet vor dem Haus. Er trug einen Zylinder und einen schwarzen Anzug und er machte ein mürrisches Gesicht. Mühsam rappelte er sich auf und strich seine zerknautschten Fledermausflügel glatt. Dann zog er seinen Hut.

„Gestatten, Herr Polymorf! Abkommandiert vom Amt für zur Adventszeit allein gelassene Kinder.“ Er sagte dies vorwurfsvoll mit gerümpfter Nase und verkniffenem Mund und fügte dann sehr schnell hinzu: „Das war aber kein netter Empfang.“

Dabei sah er sich ängstlich um, als würde ihn jemand verfolgen.

„Oh, Entschuldigung“, stammelte Anja, „wir dachten, du wärst ein Vampir.“

„So ein Blödsinn!“, entgegnete Herr Polymorf. „Ich bin doch kein Blutsauger.“

„Was bist du dann?“, fragte Paul.

„Ein Verwandlungskünstler und Geschichtenerzähler.“

Paul prustete los. „Ein Verwandlungskünstler, haha. Dann zeig doch mal, wie du dich verwandeln kannst.“

„Das ist kein Spaß“, schimpfte Herr Polymorf. „Ich kann mich wirklich verwandeln. Aber ich darf meine Zauberkraft nur in ausgesprochenen Notfällen benutzen.“

„Du bist nicht gerade freundlich.“ Anja zupfte ihren Bruder am Ärmel. „Lass uns ins Haus gehen! Wir dürfen nicht mit Fremden reden.“

„Ihr könnt nicht einfach weglaufen“, rief Herr Polymorf. „Meine Flügel sind nass und mein Anzug ist schmutzig. Euer Vater ist nicht da. Ich bin für euch verantwortlich. Ihr müsst mich reinlassen.“

„Müssen wir nicht“, antworteten die Geschwister wie aus einem Mund.

„Ich glaube, dies ist ein Notfall“, seufzte Herr Polymorf und begann, geräuschvoll Luft einzusaugen. „Schaut her!“, rief er. „Ich verwandle mich jetzt in einen Hubschrauber. Beeilt euch, ich fliege gleich in euer Fenster hinein und ich möchte die Scheibe nicht zerstören.“

Im nächsten Moment begann er zu rattern und auf seinem Kopf wuchs ein Propeller, der sich immer schneller drehte. Sein Bauch blähte sich auf, Arme und Beine schrumpften.

Anja und Paul liefen die Treppe hoch und öffneten das Fenster, damit er landen konnte.

Der Hubschrauber setzte hart auf und Herr Polymorf, der sich einen Augenblick zu früh zurückverwandelte, wurde unsanft über den Teppich geschleudert.

„Das war toll!“, rief Paul. „Machst du das noch mal?“

Doch Herr Polymorf war zu keinem Kunststück mehr zu überreden. Er verschwand im Bad, duschte dort lange und ausgiebig und kam, in ein Handtuch gehüllt, wieder ins Kinderzimmer zurück.

„Ich brauche frische Sachen. Mein Anzug muss in die Reinigung. Heute noch.“

Lange wühlte Anja in den Kleidern ihrer größten Babypuppe, bis sie etwas halbwegs Passendes fand. Einen grünen Overall mit gelben Punkten.

Herr Polymorf rümpfte die Nase: „Ich bin doch kein Clown.“

Seufzend zog er das bunte Teil über.

„Bis zum Heiligabend bleibe ich jetzt hier“, sagte er, „und vertreibe euch die Zeit. Dazu brauche ich ein dunkles, ruhiges Plätzchen, in eurer Truhe vielleicht. Und jeden Tag eine kleine Mahlzeit.“

„Was isst du denn gern?“, fragte Paul.

„Gummibärchen, Chips oder Pommes. Mit Mayo, wenn es recht ist. Dazu Cola oder Eistee. Mit ganz viel Zucker.“

„Oha!“, Anja lachte. „Lauter gesunde Sachen.“

„Wenn du etwas dagegen hast, kann ich ja wieder abschwirren“, schimpfte Herr Polymorf. „Ich finde, Kinder sollten Erwachsenen etwas mehr Respekt zeigen. Und ich mag es nicht, wenn über mich gelacht wird. Ganz und gar nicht.“

„Nein, nein, ich lache nicht. Es ist alles in Ordnung“, versicherte Anja schnell.

Doch Paul wurde stutzig.

„Hat dich wirklich der Weihnachtsmann geschickt?“, fragte er. „Dann solltest du eigentlich etwas netter sein.“

Herr Polymorf blickte ihn erstaunt an. „Sollte ich das?“

„Auf jeden Fall!“, bestätigte Anja.

Herr Polymorf seufzte: „Ich werde mich bessern, hoffe ich. Aber jetzt muss ich mich ausruhen, ich habe einen weiten Weg hinter mir.“

Die Kinder räumten ihre Truhe aus und richteten ihm einen Schlafplatz darin her. Kurze Zeit später hörten sie sein lautes Schnarchen.

Aufregung im Advent - Wo ist Herr Polymorf?

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