Читать книгу Aufregung im Advent - Wo ist Herr Polymorf? - Kaja Paulan - Страница 13
ОглавлениеDen nächsten Tag, es war der 4. Dezember, verbrachte Herr Polymorf zunächst im Bett. Ab und zu hörten Anja und Paul ihn husten, schnauben und schimpfen. „Kein Wunder, wenn man bei dieser schlechten Behandlung krank wird. Überall zieht es und man findet keine Ruhe, nirgendwo.“
Da der kranke Herr Polymorf ihnen leid tat, durchsuchten Paul und Anja die Truhe, fingen die Maus und richteten ihrem Gast seinen alten Schlafplatz wieder her. Trotzdem ließ er sich nicht erweichen. Eingeschnappt blieb er in der Truhe sitzen.
Plötzlich klopfte es ans Fenster. Anja und Paul, die sich mittlerweile schon an merkwürdige Dinge gewöhnt hatten, wunderte es nicht, dass ein Engel auf dem Fensterbrett saß. Er sah fast so griesgrämig aus wie Herr Polymorf, wenn er eingeschnappt war.
„Ich wollte mich nur mal erkundigen, ob ihr mit eurem Vorweihnachtsbesuch zufrieden seid. Er soll euch die Zeit vertreiben.“ Misstrauisch sah er sich im Kinderzimmer um. „Wo steckt er denn gerade?“
„Er ruht sich aus“, sagte Paul.
„Am helllichten Tag?“ Das Gesicht des Engels hellte sich selbst ein wenig auf und die Kinder fragten sich besorgt, was den Engel so fröhlich stimmte. Herr Polymorf hatte erzählt, dass er Ärger bekommen könnte, wenn die Kinder sich über ihn beschwerten.
Wartete der Engel etwa darauf, dass sie sich beschwerten? War er der Ärgermacher?
„Herr Polymorf musste uns schon hundert Geschichten erzählen, wir lassen ihn kaum in Ruhe“, logen die Kinder schnell und nahmen so ihren seltsamen Gast in Schutz.
„Das ist richtig so“, meinte der Engel, doch er sah nicht mehr so zufrieden aus. „Er hat Strafe verdient. Schont ihn auf gar keinen Fall. Und ruft an, wenn ihr eine Beschwerde habt. Hier ist meine Nummer.“ Er kratzte Zahlen auf das Fensterbrett. „Ich schicke euch sofort eine Ablösung, wenn er euch nicht wunschlos glücklich macht.“
„Wir sind wunschlos glücklich“, versicherte Anja schnell.
Der Engel erhob sich in die Lüfte. Doch plötzlich drehte er sich noch einmal um.
„Er hat doch hoffentlich nicht um Eistee und Gummibärchen gebettelt.“
Die Geschwister sahen sich an. „Er hat sich gestern Mühe gegeben“, flüsterte Paul.
„Okay“, flüsterte Anja zurück. „Letzte Chance.“
Der Engel sah wirklich aus, als könnte er Ärger machen.
„Na?“, fragte er lauernd.
„Nein, nein“, schwindelten die Geschwister, „er ist sehr lieb und ernährt sich wirklich äußerst gesund, stellt überhaupt keine Ansprüche und fällt uns nicht zur Last.“
„Richtig glauben mag ich es ja nicht, aber wenn ihr meint.“ Kopfschüttelnd schwirrte der Engel ab und rief noch aus der Ferne: „Ihr braucht keine Angst vor ihm zu haben. Er ist ein alter, harmloser Mann.“
Herr Polymorf, der alles gehört haben musste, krabbelte aus seiner Truhe. Er sah zerknirscht aus.
„Das war wirklich nett von euch“, flüsterte er so leise, dass es kaum zu hören war.
„Was passiert eigentlich, wenn wir nicht zufrieden mit dir sind?“, fragte Paul.
„Dann muss ich zehn Jahre lang ein Weihnachtsengel sein.“ Herr Polymorf schüttelte sich vor Entsetzen. „Wäre das nicht schrecklich? Ich würde genauso vergnatzt aussehen wie dieser olle Zauselkopf eben.“
Anja konnte das nicht verstehen. „Du hast doch gestern behauptet, dass es dein Wunsch war, in der Weihnachtsstadt zu arbeiten.“
„Aber nicht als Engel“, rief Herr Polymorf empört. „Da muss man ein ganzes Jahr lang nur gute Laune verbreiten und Weihnachtslieder singen. Das ist der stressigste Job, den es gibt. Schokoladenverkoster, das ist was Reelles oder Spielzeugausprobierer. Aber Weihnachtsengel … igitt … das ist nur schrecklich.“
„Wie geht denn so was? Ein ganzes Jahr lang Weihnachten vorbereiten?“, fragte Anja.
Herr Polymorf runzelte die Stirn. „Weihnachtslieder singen, das hatte ich schon erwähnt, dazu kommen noch solch langweilige Beschäftigungen wie Kränze flechten, Adventskalender basteln, Fensterschmuck entwerfen, gute Taten vollbringen, den Weihnachtsmann hofieren, Geschichten erfinden, Kugeln blasen, Kerzen ziehen, reicht das?“
Anja nickte.
„Es ist nicht zum Aushalten“, sagte Herr Polymorf. Dann legte er seinen Zeigefinger an den Mund. „Pst! Ich glaube, der Engel belauscht uns. Lasst uns Karten spielen.“
Kaum hatten Anja, Paul und Herr Polymorf sich mit den Karten an den Tisch gesetzt, klopfte es schon wieder heftig gegen die Fensterscheibe. Der Engel.
„Habt ihr wirklich keine Beanstandungen? Seid ihr rundum zufrieden?“
Paul und Anja schüttelten erst den Kopf, dann nickten sie eifrig.
„Ich kann ihn sofort ablösen lassen“, bot der Engel an. „Ist er nicht manchmal mürrisch oder gereizt? Nörgelt er an seinem Bett herum oder ähnliches?“
„Du hörst doch, dass die Kinder zufrieden sind, also zisch ab!“, knurrte Herr Polymorf.
„So nicht!“, wies der Engel ihn zurecht. „So spricht man nicht mit dem obersten Bevollmächtigten des Weihnachtsmannes. Du hast Glück, Polymorf. Du hast wirklich Glück mit diesen geduldigen, wenn auch etwas verlogenen Kindern. Aber treib es nicht zu weit! Irgendwann erwische ich dich bei der Vernachlässigung deiner Pflichten.“
„Wir sind nicht verlogen“, protestierte Anja. „Und wir sind super, super zufrieden.“
Der Engel antwortete nicht, sondern flog wortlos ab. Noch im Davonfliegen wandte er sich um. „Irgendwann Polymorf … und vergiss nicht … verwandeln darfst du dich nur im Notfall.“
Bald war er nur noch ein kleiner Punkt am Horizont.
„Was hat der nur?“, wunderte sich Paul.