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3. Kapitel
ОглавлениеFrancesco
Dass Onkel Luigi mich zweimal in einer Woche zu sich zitiert, ist noch nie vorgekommen. Die Einfahrt ist wie immer zugepflastert mit Autos, die meinen Cousins und Brüdern gehören. Sie wohnen alle hier auf Onkel Luigis Anwesen, nur Toria und ich ziehen es vor, in Toronto zu leben.
»Buongiorno, Tante Olivia.« Ich küsse ihre Wange. Die kleine, rundliche Frau mit den schwarzen Haaren, die bereits graue Strähnen tragen, blickt mich mit wachen Augen an. Ihr entgeht nichts. Sie ist die starke Frau, die hinter ihrem Mann steht, auch wenn sie es niemals zugeben würde. »Wo finde ich Onkel Luigi? Er wollte mich sprechen.«
Das Haus ist ein Wirrwarr von lärmenden Kindern und lautstarken Erwachsenen, die sich in temperamentvollem Italienisch unterhalten, als wären wir auf dem Marktplatz von Verona.
»Oh, er sitzt schon wieder in seinem Arbeitszimmer und raucht. Dabei soll er nur eine Zigarre am Tag rauchen. Es wird ihn noch umbringen. Das ist schon seine dritte und er denkt, ich merke es nicht … Stupido!«
»Tante Olivia, du solltest dich nicht immer so aufregen. Denk an deinen Blutdruck. Das wird dich noch umbringen.« Ich küsse ihre Schläfe und sie streicht mir über das Kinn. »Du bist so ein guter Junge. Eine Schande, dass du nicht hier bei uns leben willst. Du bist viel zu viel allein.«
Ich schenke ihr ein Lächeln und laufe die zwei Stufen zur Empore hinauf, wo das Arbeitszimmer von Onkel Luigi liegt. Ich klopfe an und als ein gebrummtes »Ja« ertönt, öffne ich die Tür, trete ein und schließe sie lautlos hinter mir.
Onkel Luigi sitzt wie immer hinter seinem Schreibtisch. Der Raum wird nur von der kleinen Schreibtischlampe erhellt.
»Ah, Franco! Schön, dich zu sehen. Setz dich zu mir.« Onkel Luigi winkt mir aufgeregt und fördert eine Zigarre zutage, die er unter dem Tisch versteckt hat.
Ich nehme meinen üblichen Platz auf dem Besucherstuhl vor dem Tisch ein, lege den Knöchel auf das Knie des anderen Beins und warte angespannt ab.
»Ich habe es mir mit dem Haus anders überlegt …«, beginnt er.
»Was?«, unterbreche ich ihn. Das kann er doch nicht machen.
»Jetzt warte doch erst mal ab, Junge.« Er pafft wieder eine Rauchwolke in den Raum. »Ich werde dir das Geld für den Hauskauf leihen. So wirst du der Besitzer des Hauses, denn ich glaube, dir liegt mehr daran als mir.«
Ich kenne meinen Onkel gut und weiß, dass er nie etwas tut, ohne einen Gefallen dafür zu erwarten. »Was muss ich dafür tun?«
»Ahhh, mein Junge. Du kennst mich, aber muss ich für eine gute Tat immer einen Gefallen erbitten?« Er zieht eine Augenbraue in die Höhe.
»Ich kenne dich sogar sehr gut, Onkel Luigi. So bist du nun mal.«
»Schon gut, schon gut. Du hast ja recht. Ich habe hier eine Einladung und möchte, dass du für mich daran teilnimmst.«
Er reicht mir einen Umschlag und ich ziehe die Karte heraus.
»Das ist eine Einladung zum Ball des Bürgermeisters«, stelle ich überrascht fest. »Ich muss in Begleitung erscheinen«, lese ich vor.
»Ja, aber das dürfte für dich doch kein Problem sein, oder? Zur Not kannst du eines von Davides Mädchen fragen.«
Seine Stimme nimmt einen merkwürdigen Ton an und ich blicke von der Einladung auf. »Nein, ich werde schon jemand finden, der mich begleitet«, murmele ich ausweichend.
»Sehr gut, mein Sohn. Ich möchte, dass du dem Bürgermeister das hier übergibst.« Er reicht mir einen braunen Umschlag, der nicht beschriftet ist. Er ist schmal und dick. Mir ist klar, dass dort eine Menge Geld drinsteckt. Zu oft habe ich schon solche Umschläge überbracht. Mich würde interessieren, welchen Gefallen Onkel Luigi dem Bürgermeister abverlangt, doch ich bin schlau genug, ihn nicht danach zu fragen.
***
Ein ganz anderes Problem quält mich. Ich habe am Abend einen Gast und weiß weder, was ich anbieten soll, noch, ob die Umzugsleute mit der Wohnung fertig sind. Ich fahre bei Lorenzo vorbei. Er betreibt ein Nobelrestaurant und ist ganz nebenbei mein jüngerer Bruder. Die Hintertür ist geöffnet, weil die Aushilfen die Einkäufe vom Großmarkt in die Küche tragen.
»Francesco, wir haben noch geschlossen, was willst du hier?«
»Ich brauche dringend ein Menü, das ich gleich mitnehmen kann. Etwas, das eine Frau vom Hocker haut, aber aussieht, als hätte ich es gekocht.«
Lorenzo bricht in lautes Lachen aus. »Du und kochen? Wem willst du diesen Bären denn aufbinden?«
Er weiß um meine nicht vorhandenen Fähigkeiten in der Küche. »Ich muss etwas Außergewöhnliches auf den Tisch bekommen«, erkläre ich beinah hilflos.
»Warum? Willst du eine Frau beeindrucken?«
Natürlich trifft er direkt ins Schwarze. »Sie ist mir wichtig und ich möchte ein wenig Eindruck schinden. Kannst du mir nicht etwas mitgeben, das ich später warm mache?«
Enzo verzieht angewidert das Gesicht. »Wenn du punkten willst, kannst du ihr doch kein aufgewärmtes Essen vorsetzen.«
»Na toll, und was soll ich jetzt machen?« Ich sehe uns schon vor einer Tiefkühlpizza sitzen.
Enzo blickt auf seine Uhr. »Wann hast du denn dein Date?«
»Zwanzig Uhr.«
Erneut verzieht mein Bruder das Gesicht. »Zur besten Essenszeit natürlich. Also, pass auf, ich bin um neunzehn Uhr bei dir und bringe alles mit. Ich koche und bin um zehn vor acht wieder verschwunden. So sieht es aus, als hättest du gekocht, auch wenn das ein Ding der Unmöglichkeit ist«, setzt er nach.
»Das war jetzt unnötig«, erwidere ich beleidigt.
»Ich bringe die Rechnung direkt mit. Halt schon mal deine Kreditkarte bereit, du kennst meine Preise für ein Home Cooking.«
»Ich bin dein Bruder, gibt es da nicht wenigstens einen Rabatt?«
Enzo lacht laut. »Unglaublich, du willst wirklich einen Rabatt für ein erstes Date?« Er schüttelt den Kopf und dreht mir den Rücken zu. »Sieben Uhr. Sieh zu, dass deine Töpfe sauber sind und dein Herd funktioniert.«
Welche Töpfe?, geht es mir durch den Kopf.
»Wie viele Töpfe brauchst du denn?«, rufe ich ihm hinterher, als er schon auf dem Weg in die Restaurantküche ist.
»Mindestens vier«, kommt es aus der Küche. »Und zwei Pfannen! Und kauf keinen Billigscheiß!«