Читать книгу Morgen, Pony, wird's was geben - Karen Christine Angermayer - Страница 6

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Achttausend Kilometer weit entfernt fegte Bäuerin Gerda ihren Stall sauber. Es sollte alles sehr schön und ordentlich aussehen, wenn das neue Pony kam. Sie steckte eine lockige, dunkelbraune Strähne wieder unter ihr orangefarbenes Haarband, das gut zu der orangefarbenen Fleecejacke passte, die sie zu dunkelgrünen Jeans und dunkelgrünen Gummistiefeln trug. Dann lächelte Gerda und arbeitete weiter. Ihr Gesicht verriet, dass sie viel an der frischen Luft war und gerne lachte.

Mäuserich GarNicht saß auf seinem Beobachtungsposten, einem alten, nussbraunen und sehr eingestaubten Klavier an der Stallwand, schob die Brille, die er auf der Nase trug, etwas höher und reckte sein Näschen neugierig in alle Richtungen. Was tat die Bäuerin da? So lange fegte sie hier doch sonst nicht! Ohne, dass sie ihn sah, flitzte er zu Rufus und Emma rüber, um an Hintergrundinformationen zu kommen.

Emma, die Kuh, kaute wie gewöhnlich vor sich hin. Rufus machte kleine Schlitze aus seinen Schweinsäuglein, wie immer, wenn er etwas nicht verstand oder seine Ruhe haben wollte.


„Hey, pst, was macht sie da?“, wandte sich GarNicht an Rufus.

„Ähm … fegen?“, fragte Rufus behäbig. Er rülpste. Schmatzen und Rülpsen waren die beiden Hauptgeräusche, an denen man das Schwein erkannte.

GarNicht verdrehte die Augen. „Mein lieber stattlicher Stallkollege, das sehe ich“, sagte er. Er benutzte bewusst stattlich, denn er hatte im Internet gelesen, dass „dick“ oder „fett“ als Schimpfwörter galten – bei den Menschen zumindest. Tatsache war, Rufus hatte ordentlich Speck auf den Rippen, ob man es nun sagen durfte oder nicht.

Hast du gerade gedacht: Mäuse kommen doch nicht ins Internet? Doch, GarNicht konnte im Internet surfen und mit einem Computer umgehen, so wie Holly fliegen konnte. Er schaute Andy, dem sechzehnjährigen Sohn der Bäuerin nämlich jeden Abend über die Schulter, wenn der vor dem Computer saß. Dadurch bekam GarNicht alles mit und hatte selbst schon ein paar Versuche unternommen, wenn der Junge es nicht sah.

Andy verbrachte sehr viel Zeit vor dem Bildschirm. Sehr zum Ärger seiner Mutter. Weder sie noch er hatten je mitbekommen, dass auf dem Regalbrett gegenüber dem Schreibtisch immer auch ein kleiner, schnurrhaariger Zuschauer hockte. Neben einer kleinen Lautsprecherbox, hinter der er im Notfall schnell hätte verschwinden können, saß GarNicht und saugte alles in sich auf, was die virtuelle Welt zu bieten hatte. Am liebsten Fremdwörter und die Hintergründe der Mathematik, Physik und Relativitätstheorie – und was zum Funktionieren der Welt sonst noch so alles gehörte. Leider beschränkten sich Andys Sehgewohnheiten und Internetbesuche nur auf irgendwelche verrückten Videos.

„Ich meine den Grund: Warum fegt sie? Was ist das Resultat?“, fragte GarNicht und überschlug sich fast, so schnell sprach er.

Rufus kannte das Wort Resultat nicht. In seiner Welt gab es nur sehr einfache Worte.

GarNicht versuchte es noch einmal. „Wieso fegt sie?“, fragte er und hatte Mühe, seine Ungeduld zu zügeln.

Emma kaute erst einmal in Ruhe fertig, falls man von einer Kuh jemals behaupten kann, dass sie fertig ist. Denn Kühe kauen immer. Nach einer gefühlten Ewigkeit, in der der zappelige GarNicht am liebsten schon drei Mal schreiend aus dem Stall und wieder hineingerannt wäre, drehte sie in aller Gemütsruhe ihren riesengroßen Kopf in seine Richtung.

„Wenn du nicht ständig vor dem Computer sitzen würdest, dann hättest du es mitgekriegt“, sagte sie.

GarNicht stemmte seine kleinen Pfoten in die Hüfte. „Regel Nummer eins in friedvoller Kommunikation: ‚Du sollst keine Du-Botschaften aussenden!‘ Du solltest lieber sagen: ‚Ich nehme wahr, dass du viel Zeit vor dem Computer verbringst, lieber GarNicht. Das hat zur Folge, dass –‘“

Die Kuh stöhnte auf. „Schon gut, schon gut. Hör zu, du hast mir eine Frage gestellt und ich habe sie beantwortet, du Oberschlaumeier!“

GarNichts Schnurrhaare zitterten jetzt, denn er wurde langsam zornig. „Stimmt ja gar nicht! Genau genommen habe ich dir eine Frage gestellt, und du hast mir mit einem Vorwurf geantwortet! Es geht dich überhaupt nichts an, wie lange ich vor dem Computer sitze, ich bilde mich nämlich fort! Ich verdaue jede Menge Wissen sozusagen – und nicht nur jede Menge Gras wie du, du Kuh!“

Emma muhte erbost auf. Die Bäuerin, die natürlich kein Wort verstanden hatte, aber mitbekam, dass Emma sich über irgendetwas aufregte, hielt mit dem Fegen inne.

„Emma, was ist denn los?“

„Die Maus nervt“, beklagte sich Emma, obwohl sie wusste, dass die Bäuerin sie nicht verstehen konnte. „Ständig kommt sie mit Zeug aus dem Internet!“

„Stimmt ja gar nicht!“, verteidigte sich GarNicht wieder. Er sagte diese vier Worte so oft am Tag, dass sie ihm seinen Namen eingebracht hatten. An seinen echten Namen erinnerte sich auf dem Hof keiner mehr. „Ich weiß einfach viel, und ich lasse euch daran teilhaben. Leben ist lernen!“, rief er enthusiastisch und machte eine große Geste mit seinem rechten Arm. Außerdem würde ihm das Internet dabei helfen, berühmt zu werden. Sein Traum war es, eines Tages einen eigenen Video-Kanal auf YouTube zu besitzen, der von Millionen Zuschauern verfolgt wurde. Doch er wusste, dass er mit solchen Visionen bei den anderen hier nur auf Unverständnis stieß, beziehungsweise auf Strohdummheit. Er kicherte innerlich über seinen eigenen Gedankenwitz, denn in einem Stall gab es ja ziemlich viel Stroh.

„Nein, leben ist fressen“, verbesserte Emma den Mäuserich und machte einen großen Schritt auf ihn zu. Ihr Kopf erschien ihm riesig wie der eines Monsters. Vorsorglich wich er ein Stück zurück.

„Wir bekommen Zuwachs, wenn du es so genau wissen willst“, sagte Emma. GarNicht starrte ehrfürchtig in ihre riesigen Nasenlöcher, in denen er hätte verschwinden können, wenn er gewollt hätte. Wollte er aber nicht.

„Wie schön, herzlichen Glückwunsch! Du und Bernie, auf eure alten Tage noch mal Eltern. Cool.“ GarNicht hob den Daumen. Emma machte noch zwei Schritte auf ihn zu. Huch, hilfe, dachte er. Ich will nicht zertrampelt werden. Nicht, bevor ich berühmt bin!

„Quatschkopf! Wir doch nicht. Außerdem macht man keine Witze über das Alter von Älteren!“, blaffte Emma ihn an. „Wir bekommen eine neue Mitbewohnerin hier im Stall. Die Bäuerin hat mit dem Bauern darüber geredet. Das Pony soll etwas ganz Besonderes sein“, fügte sie hinzu. „Was immer das heißen mag.“

„Ein Pony?“, fragte GarNicht.

„Ja, und es kommt aus Kanadistan!“, fügte Rufus, in den plötzlich Leben gekommen war, hinzu und fühlte sich wichtig.

„Wo liegt das?“, fragte GarNicht. Von Kanadistan hatte er noch nie gehört.

„Kanada“, verbesserte Emma.

„Sag ich doch!“, grunzte Rufus.

GarNicht überlegte. Er wusste, wo Kanada lag. Dann kam das Pony ja über den Atlantischen Ozean! Konnte es schwimmen? Am Ende sogar surfen? Am weiteren gedanklichen Ende konnte es vielleicht sogar im Internet surfen wie er selbst und hatte schon seinen eigenen Kanal. Und ganz am Ende aller Enden war es vielleicht sogar schon … BERÜHMT?! Dem Mäuserich sank das Herz in die Hose.

Morgen, Pony, wird's was geben

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