Читать книгу Morgen, Pony, wird's was geben - Karen Christine Angermayer - Страница 9

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Am nächsten Morgen schlüpfte Holly als Erste aus dem Stall. In ihrer alten Heimat war es noch mitten in der Nacht, doch Holly war durch das heisere Krähen des Hofhahnes Baldur wach geworden. Es zog sie hinaus. Draußen schneite es. Dicke Flocken wirbelten durch die kalte Winterluft, nahmen auf Hollys Nasenrücken Platz und schmolzen sofort. Holly kicherte. Das kitzelte! Sie nahm einen tiefen Atemzug. Tat das gut, die frische Luft. Sie beschloss, einen kleinen Spaziergang zu machen, sich das Hofgelände näher anzusehen und ein wenig auf der angrenzenden Weide herumzutollen. Alles war dicht mit Schnee bedeckt, kein Grashalm zu sehen, und nur die Zaunpfähle ließen erkennen, bis wohin die Weide reichte.

Während Holly draußen immer wacher wurde, schnarchte im Haus jemand anderes noch tief und fest: Mäuserich GarNicht war auf seinem Regalbrett eingeschlafen und lag so dicht am Rand, dass er drohte, herunterzufallen …

Andy, der Sohn der Bäuerin, schlief auch noch tief und fest. Unter der Bettdecke lugte nur ein wildes Büschel dunkler Locken hervor. GarNicht hatte mit ihm die ganze Nacht einen Wettbewerb auf dem Computer angeschaut. Das hieß Challenge, sprach man aber Tschälländsch aus. GarNicht wusste das so genau, weil Andy es gerade gestern seiner Mutter erklärt hatte. Die schimpfte oft mit ihm, weil er ihrer Meinung nach so viel Unsinn im Internet ansah, statt gute Schulnoten nach Hause zu bringen.

Er hatte ihr gesagt, dass eine Challenge kein Unsinn sei, sondern dass es Menschen gab, die viel Geld damit verdienten. Sie mussten nur genügend Follower haben, das waren Zuschauer, die das Ganze verfolgten. So wie früher, hatte Andy erklärt, wenn seine Mutter auf ein Konzert gegangen war oder sich Wetten, dass? im Fernsehen angeschaut hatte.

Die Bäuerin hatte bloß den Kopf geschüttelt und erwidert, dass es für sie auch jedes Mal eine echte Challenge sei, seine Noten in Mathe und Englisch anzuschauen und dass er ihr jetzt mal ganz flott in den Stall followen sollte, um die Kühe zu melken und ihr beim Misten zu helfen. Damit verdiente nämlich sie ihr Geld, hatte sie gesagt. Und noch keine Millionen.

Andy war mit ihr nach unten gegangen und später noch zu einem Freund gefahren, hatte aber vergessen, den Computer auszuschalten. Und so hatte sich GarNicht einen gemütlichen Abend vor dem Bildschirm gemacht. Ein paar Knabbereien hätten es perfekt gemacht, die musste er sich unbedingt besorgen und fürs nächste Mal hinter der Lautsprecherbox deponieren.

Unten im Hof schlug eine Wagentür. GarNicht wachte davon auf, sah, wie nah er an der Regalkante lag, und rückte schnell ein Stück zurück. Er reckte und streckte sich genüsslich im Sitzen und dachte an den schönen Traum, den er gerade gehabt hatte: Er war ein gefeierter Star im Netz, wie man das Internet auch nannte. Die erste Maus der Welt mit einem eigenen Kanal und Millionen von Followern! GarNicht lächelte bei der Erinnerung daran. Er konnte fühlen, dass der Traum eines Tages wahr werden würde, sah schon die begeisterten Kommentare seiner Fans vor sich, die ihm schrieben und zujubelten. Vielleicht war eine süße Maus dabei, die ihn heiraten wollte? Ach, was, Hunderte von süßen Mäuschen würden ihm Herzchen senden und Likes … Es würde wunderbar sein, sein Leben als Star!

Andy bewegte sich in seinem Bett und gähnte. Flink flitzte GarNicht vom Regalbrett die Wand hinunter, durch die leicht geöffnete Zimmertür und die Treppe hinab.

Im Stall wurde um diese Zeit kräftig geschmatzt und geschlürft. Gerda, die nicht gesehen hatte, dass Holly schon im Freien unterwegs war, schüttelte den Kopf, als sie den unberührten Eimer Haferschrot und das Stroh sah, auf dem Holly nicht geschlafen hatte.

„Hat ihr der Platz nicht gefallen?“, fragte sie sich laut. „Es ist doch die schönste und hellste Stelle … Und Hunger hat sie anscheinend auch nicht gehabt.“ Die anderen Tiere sahen sich an, sagten aber nichts. Die Bäuerin hätte es eh nicht verstanden. Sie ging wieder aus dem Stall.

Brrrr … GarNicht fror entsetzlich, als er das warme Haus verließ und durch die Katzenklappe in den Hof schlüpfte. Von Weitem sah er Holly über die Weide traben. Dieses Pony war verrückt, wenn es bei dieser Kälte freiwillig nach draußen ging! Und es war pfeilschnell, stellte er fest, denn plötzlich stand es neben ihm. Er musste sich erst mal von dem Schreck erholen.

„Guten Morgen“, sagte Holly. Ihre Stimme klang freundlich, aber GarNicht sagte nichts. Er würde sich von ihr nicht um den kleinen Finger wickeln lassen.

„Kannst du nicht sprechen?“, fragte Holly nach. „Bei uns in Kanada plappern die Mäuse den ganzen Tag!“, lachte sie. „Das kann einen ganz verrückt machen, dieses Gemurmel unter der Erde.“

„Verrückt heißt auf Englisch crazy!“, rutschte es GarNicht raus. Ups, er schlug sich mit der Pfote auf den Mund. Er wollte doch nichts sagen.

Holly tat so, als hätte sie es nicht gesehen. „Hey, du bist gut!“, schmunzelte sie. „Eine internationale Maus. Not bad!“ Das hieß: nicht schlecht!

GarNicht fühlte sich geschmeichelt, ließ es sich aber nicht anmerken. „Hör zu“, sagt er. „Ich glaube, es ist besser, wenn du wieder von hier verschwindest.“ Er warf einen prüfenden Blick in Richtung Stalltür, wollte nicht, dass die anderen Tiere sahen, dass er mit der Fremden redete. In dem Moment kam Bollo aus dem Stall. Ohne ein weiteres Wort rannte GarNicht an ihm vorbei ins Warme. Holly sah ihm kopfschüttelnd nach.


GarNicht lief zu den Futtertrögen, um zu sehen, ob noch ein paar leckere Möhrenstücke, Apfelreste oder Brot für ihn da waren. Ein saftiges Stück Käse und Salami würde er sich nachher aus der Speisekammer der Bäuerin holen.

Das kleine Entenküken, das Holly gestern bereits mutig angesprochen hatte, sah Holly durch die leicht geöffnete Stalltür draußen im Hof stehen und sagte: „Ich will auch mal so lange Haare haben, Mama.“

„Das wirst du“, sagt seine Mutter.

GarNicht, der den Enten zugehört hatte, runzelte die Stirn und berichtigte die Entenmutter: „Du weißt schon, dass die Wahrscheinlichkeit, dass Enten lange Haare bekommen, ziemlich genau gegen null geht, oder?“

Die Entenmutter war schlagfertig und zischte zurück: „Die Wahrscheinlichkeit, dass aus Mäusen Internet-Stars werden, geht auch ziemlich genau gegen null, mein Lieber! Also misch dich lieber nicht in meine Erziehung ein!“

Sie lief mit einer Mordsgeschwindigkeit, die man ihrem rundlichen Körper gar nicht zugetraut hätte, auf ihn zu. GarNicht, der normalerweise nichts auf die Kommentare der anderen Tiere gab, hatte hohen Respekt vor ihrem Schnabel. Er machte sich aus dem Staub, aber nicht, ohne ihr noch zuzurufen: „Eine Therapiestunde beim Psychiater kostet hundert Euro! Wenn du die später mal bezahlen willst, weil du dein Kind schamlos angelogen hast und es mit seinem Leben nicht klarkommt, dann mach so weiter!“ Dann flitzte er unters Klavier. Dorthin kam die Ente nicht. Dazu war sie zu – äh, stattlich.

„Worüber hast du mit der Neuen geredet?“, fragte Emma neugierig und kaute zum hundertsten Mal auf den gleichen Grashalmen herum.

Diese Widerkäuerei, dachte GarNicht angeekelt. Wenn ich mir vorstelle, den ganzen Tag auf ein und demselben Stück Käse rumkauen zu müssen, wird mir speiübel!

„Über nichts“, antwortete er der Kuh und setzte sein Ehrlich-Gesicht auf.

„Bollo hat es gesehen“, sagte Emma und kaute mit ungerührter Miene weiter.

Dieser verflixte Hofhund war eine Petze, dachte GarNicht.

„Stimmt ja gar nicht!“, rief er trotzdem und lenkte schnell ab auf ein anderes Thema: „Los! Wir müssen den Platz des Ponys in Unordnung bringen, damit es so aussieht, als hätte sie alles verwüstet! Umso größer ist unsere Chance, dass die Bäuerin sie schnell wieder vor die Tür setzt. Die Fremde macht einen auf freundlich und so. Bestimmt schleimt sie sich bald bei der Bäuerin ein – und dann müssen wir alle gehen!“

Die anderen Tiere sahen sich erschrocken an. War das wahr?

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