Читать книгу Nächster Halt Walding - Karen Sommer - Страница 9

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Beim Erwachen dauerte es einen Moment, bis Hannah wusste, wo sie gelandet war. Walding. Simon. Onkel Toni. Alles stürmte auf sie. Sie blickte sich verwirrt um. Das Schlafzimmer bot Platz für das Doppelbett und einen schmalen Kasten. Vom Bett aus konnte sie aus dem Fenster sehen. Es bot einen überragenden Ausblick auf das Tal.

Sie hatte tief und traumlos geschlafen. Und dabei sagte man, dass Träume in der ersten Nacht in einem fremden Bett in Erfüllung gehen würden. Sie konnte sich jedoch nicht erinnern, was sie geträumt hatte. Es war noch zeitig am Morgen. Sie hatte zwar keine Uhr, aber es dämmerte gerade.

Hannah tastete sich aufs WC und schaltete dabei das Licht im Flur an. Im kleinen Bad fand sie im Kasten frische Handtücher und auch einige Putzutensilien. Sie wusch sich und spähte auch dort aus dem Fenster. Im Haupthaus brannte bereits Licht. Auch im Stall konnte sie einen Lichtschein ausmachen.

Langsam ging sie in die Küche zurück. Am Vortag hatte sie vergessen, Onkel Toni zu fragen, wo sie am nähesten zu Lebensmittel kommen würde, da sie ja nichts dabei hatte. Am Küchentisch fand sie einen halben Laib Brot, Butter, Marmelade und Teebeutel. Simon. War er noch am Abend vorbei gekommen? Oder jetzt am Morgen? Sie hatte ganz vergessen, die Tür abzuschließen. Das Brot war frisch. Eigentlich müsste Hannah Hunger haben. Sie hatte seit dem Mittagessen am Vortag nichts mehr zu sich genommen. Aber alleine schon der Geruch des Brotes verursachte ihr Übelkeit. Sie schaffte es gerade noch so aufs WC und übergab sich mehrmals.

Als sie aus dem WC ausgelaugt herauskam, stand Simon im Flur.

„Bist du krank?“

„Nein. Das war nur eine Überreaktion. Es ist alles in Ordnung.“ Sie wollte ihm nicht auf die Nase binden, dass sie schwanger war. Da würde er sie sicher sofort hinauswerfen.

„Ich habe dir Frühstück hingestellt, weil ich annahm, dass du nichts zu essen dabei hattest. Wie bist du nach Walding gekommen? Hast du kein Auto?“

„Ich habe keinen Führerschein und daher auch kein Auto. Ich bin mit dem Bus gegen Mittag angekommen.“

Simon starrte sie ungläubig an. „Und da willst du hier wohnen?“

Unsicher fragte Hannah: „Ist es weit ins Tal? Mit dem Auto waren es nur wenige Minuten.“

„Cirka einen Kilometer. Aber du kannst nicht alles, was du brauchst, herauftragen.“ Kopfschüttelnd verließ er das kleine Haus.

Hannah schüttelte auch ihren Kopf. Es war egal, was sie machte, dachte oder tat, es passte Simon sowieso nicht und außerdem kam sie aus der Stadt und hatte deshalb sowieso keine Ahnung.

Sie spülte sich den Mund aus, um den faden Geschmack loszuwerden und versuchte es mit einer Tasse Tee in kleinen Schlucken. Das ging. Erneut blickte sie sich um und beschloss erst mal, das kleine Häuschen zu putzen und eine Liste von den Dingen zu machen, die sie brauchte.

Gegen Mittag hatte Hannah das Häuschen blitzsauber in Ordnung gebracht. Sie aß von dem Frühstück, das ihr Simon hinterlassen hatte. Sie traute ihrem Magen noch nicht und nahm sich deshalb reichlich Zeit für diese Mahlzeit.

An diesem Tag schien die Sonne schon relativ warm vom Himmel. Hannah beschloss sich anzuziehen und eine Wanderung ins Tal zu unternehmen. Sie wollte sich Walding etwas genauer ansehen und auch einige Lebensmittel besorgen.

Sollte sie zusperren? Simon ging aus und ein, wie es ihm beliebte. Er fand es nicht mal wert zu klopfen. Aber schließlich war es sein Haus und sie wusste nicht, ob es Simon recht war. Sie hatte ihn seit dem Morgen nicht mehr gesehen. So ließ sie die Haustüre unversperrt. Ihr Geld hatte sie gut in der Reisetasche versteckt. Weitere Wertgegenstände hatte sie keine.

Die Luft roch ganz anders als in Wien. Rein. Frisch. Schneereste lagen noch auf den Wiesen. Sie lief bergab und es dauerte nicht lange und sie erreichte die ersten Häuser. Der ganze Ort schien wie aus einem Heimatfilm entsprungen. Die urigen Häuser, oftmals mit Holzverkleidungen. Die Gärten, die jetzt noch im Winterschlaf waren. Wie gern würde sie hier wohnen. Am Marktplatz steuerte sie auf den Laden zu, den sie gestern schon gesehen hatte.

Sie suchte sich die wichtigsten Lebensmittel zusammen, die sie für die nächsten Tage brauchen würde. Sie nahm nur kleine Packungen, da ihr bewusst war, dass sie alles den Berg hinauf tragen musste. Dennoch hatte sie am Ende zwei voll gepackte Taschen in der Hand. In der Kühlvitrine fiel ihr das Hinweisschild „Frischer Ziegenkäse vom Sonnhof“ in die Augen.

„Ist der Sonnhof hier in der Gegend?“

„Ja, gleich hinter der Kirche hoch. Der Käse wird immer frisch gemacht und ist sehr beliebt.“ Der Hof musste ganz in der Nähe von Simons Hof liegen.

„Ich hätte gerne ein Stück davon.“

Mit den zwei vollbepackten Taschen verließ sie den Laden. Hannah wollte auch noch bei Andrea vorbeischauen und sie über die neuesten Entwicklungen informieren und sich mit ihr absprechen.

„Die Küche ist in einem tadellosen Zustand. Ich habe das Backrohr eingeschalten, es läuft. Ich denke, ich kann dir baldigst Mehlspeisen zu verkosten anbieten. Das einzige Problem ist, dass ich noch nicht weiß, wie und wo ich die Zutaten besorgen soll.“

„Das denke ich, können wir hinbekommen. Du schreibst mir eine Liste der Dinge, die ich im Großmarkt besorgen soll und ich bringe sie mit. Wie geht es mit Simon?“

„Er … er scheint nicht gerade glücklich, dass ich bei ihm oben bin.“

„Das gibt sich. Er ist es einfach gewohnt, alleine zu wohnen. Aber er ist kein Unmensch. Im Gegenteil. Simon ist der hilfsbereiteste Mensch, den ich kenne.“

„Ich muss dir noch etwas sagen. Wegen der Anstellung.“ Hannah knetete verlegen ihre Fingern.

„Ja, also. Ich kann dich nicht im Moment nicht so richtig anstellen. Mir wäre es lieber, ich zahle dir einfach einen fairen Preis für deine Mehlspeisen. Du müsstest dich dann halt selbst versichern.“

Hannah fiel ein Stein vom Herzen. Sie durfte auf keinen Fall auffallen und sich irgendwo bei einer Versicherung oder ähnlichem melden lassen. Das würde Felix über irgendeinen Kanal erfahren.

„Das ist kein Problem. Ich kann mich selbst versichern. Aber, es gibt da noch etwas anderes.“ Hannah seufzte tief. Konnte sie Andrea vertrauen? Sie musste. Sie hatte keine andere Wahl. „Es weiß noch niemand und ich bitte dich, es niemandem zu erzählen.“

Andrea blickte interessiert. „Du brauchst keine Angst zu haben. Du bist meine neue Fast-Angestellte und ich würde niemanden etwas erzählen, wenn du es nicht willst.“

„Ich bin schwanger.“

Nach einem Moment der Stille sprang Andrea schwungvoll auf und umarmte Hannah liebevoll. „Das ist doch toll. Ich freue mich. Du dich doch auch, oder?“ Andrea schob Hannah von sich

„Ja, ich freue mich schon. Aber die Umstände.“

Andrea drückte fest ihre Hände. „Du musst mir nichts erzählen, was dir passiert ist. Nur wenn du es von dir aus möchtest. Ich verstehe, dass du bei dem Vater deines Kindes nicht bleiben konntest.“ Sie zeigte bedeutungsvoll auf das blaue Auge. „Aber mach dir nicht so viele Sorgen. Es wird sich alles geben. Und hier in Walding halten wir zusammen. Ich helfe dir. Und ich bin sicher nicht die einzige.“

„Aber was ist mit der Anstellung?“

„Du bäckst, wann immer es dir möglich ist. Und im Mutterschutz werden wir dann schon sehen. Und später freue ich mich, wenn du das Baby mitbringst. Aber wir planen viel zu weit voraus. Schauen wir mal einen Tag nach dem anderen.“

Hannah wusste nicht, wie ihr geschah. In Walding war jeder so freundlich zu ihr. Ihr wurde geholfen, ohne dass sie danach fragen musste. In ihren Augen sammelten sich Tränen.

„Sch … sch … ich würde mich freuen, wenn du mich als deine Freundin betrachtest. Ich denke, wir kommen gut miteinander aus.“ Andrea streichelte ihr beruhigend über den Rücken.

Hannah wischte sich die Tränen aus den Augen. „Ich weiß nicht, ob ich morgens gleich beginnen kann. Derzeit kämpfe ich stark mit Übelkeit. Aber ich schreibe dir gleich jetzt eine Liste und wenn du Zeit hast, bringst du mir die Sachen einfach mit. Und ich backe einige Kostproben und bringe sie irgendwie vorbei.“

Sie setzte sich mit Stift und Papier an einen Tisch und überlegte, womit sie die Gäste im Café überzeugen konnte. Sie wollte für den Beginn drei verschiedene Kuchen bieten, um zu sehen, ob sie überhaupt ankamen. Sie entschied sich für eine Sachertorte, eine Schwarzwälder-Kirsch-Torte und einen Apfelstrudel. Die Zutaten wusste sie noch alle auswendig und schrieb zur Sicherheit gleich mehr auf die Liste, sollte es sich als Haupttreffer erweisen. Andrea wollte ihr die Sachen bereits am nächsten Morgen aus dem nächsten größeren Ort mitbringen. Glücklich und zufrieden verließ Hannah das Café und machte sich an den Anstieg mit den beiden schweren Taschen.

Sie hatte den Berg – für die Waldinger war das sicher nur ein Hügel - wahrlich unterschätzt. Für ihre eigenen Einkäufe brauchte sie eine andere Lösung. Ihre Schritte wurden immer kleiner und sie benötigte immer öfter eine Pause. Bei der Hälfte der Strecke steuerte sie auf einen Baumstumpf zu, um zu verschnaufen. Sie kämpfte mit Schwindel und Übelkeit.

Der Geländewagen von Simon fuhr den Berg hinan. Er bremste scharf vor Hannah. Sie blickte ihn an und bewegte sich nicht. Simon ließ das Fenster hinunter und brummte nur: „Einsteigen.“

Hannah zog die Tür auf und hiefte sich mit ihren beiden Taschen auf den Beifahrersitz. „Bei der freundlichen Einladung.“

„Du kannst deine Einkäufe nicht den Berg hinauftragen. Das ist zu schwer und dauert zu lange. Sag mir einfach Bescheid, wenn du einkaufen möchtest, und ich nehme dich mit ins Tal.“

Hannah nickte nur. Sie wollte nicht darüber nachdenken. Sie war von dem Tag schon sehr müde. Sie lehnte sich erschöpft im Beifahrersitz zurück. Seit einigen Tagen ermüdete sie schneller. Auch ihr Kreislauf spielte manche Stücke mit ihr. Waren das bereits die ersten Anzeichen für die Schwangerschaft?

Im Hof ging Hannah in das kleine Häuschen und blickte nicht zu Simon zurück. „Danke.“

Sie verstaute die Lebensmittel und war erstaunt, dass der Tag fast zu Ende war. Sie kostete den Ziegenkäse und war vom Geschmack restlos begeistert. Obwohl sie kein Freund von Ziegenkäse war, schmolz dieser auf der Zunge und hinterließ einen würzigen Nachgeschmack. Den wollte sie sich wieder besorgen. Der Geschmack konnte mit keinem industriell gefertigten mithalten.

Im Küchenkasten hatte sie am Vormittag beim Putzen einen kleinen Radio gefunden, den sie nun einsteckte und einen Sender suchte. Ein lokaler Radiosender

In der Küche neben der Eckbank befand sich auch ein kleines Bord, in dem sich noch einige alte Bücher – wahrscheinlich von Simons Mutter – befanden. Sie nahm eines zur Hand und machte es sich auf der Eckbank gemütlich. Es war ein handgeschriebenes Kochbuch mit den Rezepten von Simons Mutter.


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