Читать книгу Der rote Faden in der Senioren-Betreuung - Karin Ahmad - Страница 6

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Einleitung

Im Jahr 2000 hatte ich am Wochenende einen Nebenjob als Servicekraft in einem Altenheim. Dort hörte ich auch zum ersten Mal etwas über die Krankheit Demenz und wie sie den Menschen verändert. Natürlich versuchte ich schon vorher, mir das seltsame Verhalten einer Bewohnerin zu erklären, die ich immer morgens im Wohnbereich traf. Sie saß nervös und besorgt in der Nähe des Fahrstuhls auf der Bank und wartete mit ihrem Hab und Gut auf den Bus. Sie erzählte mir, dass sie nach Hause zur Mutter fahren wolle und auch ihre Kinder zur Schule schicken müsse.

Solche Begegnungen waren immer sehr bewegend für mich. Ich wusste zur damaligen Zeit nicht, wie ich damit umgehen sollte, darum setzte ich mich für kurze Zeit zu ihr und sagte nichts. Eine Pflegerin erzählte mir einige Tage später, aus welchen Gründen die alte Dame immer auf den Bus warte, und erklärte mir das Krankheitsbild der Bewohnerin.

Beim Verteilen von Frühstück oder Abendessen hatte ich kurze Begegnungen mit den Bewohner*innen. Ich bemühte mich, für den Moment eines Atemzuges Vertrauen und Freude zu schenken. Indem ich mich auf sie einließ und hinhörte, was sie mir erzählten, spürte ich ihre Zufriedenheit und sah in ihren Gesichtern ein Lächeln. Oft konnte ich nicht glauben, dass einige an Demenz Erkrankte doch noch unglaublich fit sind und sich sehr gerne unterhalten.

Nach drei Jahren war der Job wackelig, die Kündigung flatterte mir ins Haus, denn Servicekräfte wurden zu dieser Zeit nicht mehr gebraucht.

Ich bekam die Gelegenheit, mich weiterhin mit alten Menschen zu beschäftigen und kam bei der Hamburgischen Brücke-Gesellschaft für private Sozialarbeit e.V. unter. Es war ein Glück für mich, dass ich an Demenz-Schulungen teilnehmen durfte, und ich vertiefte mein Wissen immer mehr.

Dort lernte ich auch, was die Diagnose Demenz für den betroffenen Menschen und die Angehörigen bedeutet.

Meinen ersten Einsatz hatte ich am 06.12.2003 bei einer an Demenz erkrankten alten Dame, die noch zu Hause lebte und von ihren Angehörigen betreut wurde.

Im Laufe der Betreuungsarbeit lernte ich viele interessante alte Frauen und Männer kennen und blieb bis 2007 bei der Hamburgischen Brücke.

Nachdem ich ein Kunsttherapie-Studium abgeschlossen hatte, wollte ich mich weiterhin mit älteren Menschen beschäftigen und wurde Betreuungskraft.

Mit diesem Buch habe ich die Aktivierungsangebote zusammengestellt, die sich in der Anwendung bewährt haben. Ich zeige, wie es gelingt, alte Menschen zu fördern und ihnen ein Lächeln ins Gesicht zu zaubern. Denn ich meine, das Leben kann auch im Altenheim leicht und beschwingt sein.

Mit dieser Beschäftigungsmethode, die sich durch das ganze Jahr zieht, werden die Bewohner*innen aktiver.

Früher verbrachten die Menschen ihre Zeit anders als der moderne Mensch im einundzwanzigsten Jahrhundert. Sie waren mehr in den Jahreszeiten verankert und feierten die Feste intensiver. Wenn wir daran denken, dass die Religion mit all den Festtagen einen großen Raum einnimmt, erkennen wir, dass die Feste mit den Jahreszeiten zusammengehören. Die Speisen, der Geschmack der Früchte und der Geruch der Jahreszeiten, alles ist auf den Jahreskreislauf abgestimmt.

Die Erfahrung hat mir gezeigt, dass wir mit den Bewohner*innen den Koffer voller Erinnerungen öffnen sollten. Das schaffen wir, indem wir bei den Bewohner*innen an die Lebenserinnerungen der früheren Jahre anknüpfen, und damit kann man dann auch gut in den Gruppen arbeiten.

Ich trete mit den Betreuungsangeboten auf Augenhöhe an die Bewohner*innen heran, denn es bleibt ein bitterer Nachgeschmack zurück, wenn sie das Gefühl haben, bevormundet zu werden.

Es ist es meiner Meinung nach unbedingt nötig, dass Senioren*innen ihren Körper und Geist altersentsprechend trainieren. Unser Gehirn denkt in Farbe, außer wenn wir in einer depressiven, traurigen Stimmung sind.

Wenn wir dieses Wissen mit in unseren Betreuungsalltag nehmen, wird die Stimmung in den Gruppen und Tagesräumen lockerer und leichter.

Das vorliegende Buch ist aus der Praxis für die Praxis und enthält einfache, aber wirksame Aktivierungsangebote für Gruppen und Einzelbetreuung.

Diese oft sinnlichen Erfahrungen unterbrechen das eintönige Leben. Wenn der alte Mensch seinen Körper spürt, wird er wieder wach und sich selbst bewusst.

Darum ist die Vorgehensweise sehr hilfreich, die Bewohner*innen in die Gestaltung von Gruppenaktivitäten mit einzubinden, wo immer es geht.

Wenn uns das gelingt, können wir die Arbeit als Herausforderung annehmen und merken, dass es den Bewohner*innen Spaß macht, sich einzubringen. Es ist wichtig, dass bei den alten Menschen die Seele bewegt wird, denn das holt sie aus dem Gefühl der Abhängigkeit heraus. Zufriedene Gefühle erwachen wieder, wenn etwas Interessantes zu sehen, zu hören, zu riechen oder zu schmecken ist.

Mit diesem Buch wage ich den Versuch und nehme die Bewohner*innen durch Beschäftigungs-Angebote mit durch die Jahreszeiten. Die Lieder und Bräuche, die Gezeiten, Tag und Nacht, Auf- und Untergang der Sonne: Alles hat etwas mit uns Menschen zu tun, darum können wir die tägliche Routine ändern und auf die Jahreszeiten zurückblicken und uns ihnen anpassen.

So oft es geht, sollten wir die Sinnesbrücke verwenden. Die Erklärung dazu ist, dass unsere Sinne – Hören, Fühlen, Schmecken, Sehen und natürlich auch der Geruchssinn, der sehr ausgeprägt ist – sofort einen Impuls ins Gehirn leiten, der Erinnerungen wachruft.

Und nun noch ein kurzer Hinweis: Ich habe die Beschäftigungsangebote, die für die Einzelbetreuung hervorragend geeignet sind, aus den Kapiteln entnommen und noch einmal in den passenden Kapiteln der Einzelbetreuungen dargestellt.

Das dient der schnellen Auffindbarkeit der Angebote und es ist nicht unbedingt nötig, das Buch daraufhin durchzuschauen.

So ist es zum Beispiel ganz einfach, für eine bettlägerige Bewohnerin ein passendes Beschäftigungsangebot zu finden, das sonst nur im Kapitel Gartenarbeit beschrieben steht. Das Gleiche gilt für die Einzelbetreuung mit fittem Bewohner*innen und für die Einzelbetreuung demenzerkrankter Bewohner*innen.

Es sei noch erwähnt, dass Validation nicht so schwer ist, wie wir eventuell glauben.

Durch Blickkontakt zu den Bewohner*innen bauen wir eine Beziehung auf. Es ist eine Umgangstechnik mit einer urteilsfreien Grundhaltung. Wenn wir den Gefühlen und Handlungen der Bewohner*innen zustimmen und mit Struktur den roten Faden beim Gespräch und der Handlung leiten, fühlen sich die Bewohner*innen gesehen und verstanden. Für uns ist es wichtig, die Körpersprache wahrzunehmen und nachzuahmen. Wir gehen mit Einfühlungsvermögen auf die Bewohner*innen ein.

Natürlich ersetzen die Hinweise im Buch keine Validations-Schulung, worin sich jede Betreuungskraft schulen lassen sollte.

Man hört und sieht nur mit dem Herzen gut.

Zitat aus „Der kleine Prinz“

Das bestätigt mich. Blicke sind die Sprache der Seele.

Der rote Faden in der Senioren-Betreuung

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