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Böses Erwachen

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Jetzt nämlich wusste ganz Paris Bescheid, dass Abaelard verheiratet war. Wieder geriet der Meister in Panik. Er hatte fest daran geglaubt, dass niemand sein Geheimnis ausplaudern und die schöne Heloise mit der Zeit in Vergessenheit geraten würde. Jetzt aber sah er nur eine Lösung: Seine Frau musste für immer aus der Öffentlichkeit verschwinden. Nur so würde es keinen Beweis für seine heimliche Heirat geben. Er beschloss daher 1119, Heloise in einer erneuten Nacht-und-Nebel-Aktion aus der Bretagne fortzuschaffen und sie in einem Kloster zu verstecken: Als ich davon erfuhr, brachte ich Heloise in das Nonnenkloster Argenteuil bei Paris, wo sie in ihrer früheren Jugend aufgezogen und unterwiesen worden war, und ich veranlasste sie dazu, die Gewandung anzulegen, die das Klosterleben erfordert – mit Ausnahme des Schleiers.

Heloise war keineswegs damit einverstanden, dass sie nun hinter den Klostermauern von Notre-Dame d’Argenteuil verschwinden sollte, auch wenn sie zunächst kein Gelübde abzulegen brauchte. Allein aus Liebe zu Abaelard und Rücksicht auf seine Karriere war sie bereit, dieses große Opfer zu bringen. Dass der kleine Astralabe jäh von seiner Mutter getrennt wurde und bei seiner Tante in der Bretagne zurückbleiben musste, darauf konnte und wollte Abaelard keine Rücksicht nehmen. Es ging ihm immer nur um sich selbst.

Dass Heloise jetzt im Kloster der Benediktinerinnen lebte, in dem sie auch ihre Ausbildung erhalten hatte, war für den Philosophen aber offenbar kein Grund, von nun an auf den Genuss der körperlichen Liebe zu verzichten. Ein Brief, den er später an Heloise schickte, offenbart nämlich sehr aufschlussreiche Details: Ihr erinnert Euch: Als Ihr nach unserer Verheiratung bei den Nonnen im Kloster von Argenteuil lebtet, kam ich einmal zu heimlichem Besuch zu Euch, und Ihr wisst wohl noch, wie weit ich mich in meiner unbändigen Leidenschaft mit Euch vergaß, und zwar in einem Winkel des Refektoriums selber, da wir sonst keinen Ort hatten, wohin wir uns hätten zurückziehen können. Ihr wisst, dass die Ehrfurcht vor einem der Heiligen Jungfrau geweihten Ort unsere Unzucht nicht aufhielt.

Unterdessen hatte auch Domherr Fulbert erfahren, dass seine Nichte Heloise inzwischen im Kloster lebte. Unter anderen Voraussetzungen hätte er das vielleicht befürwortet, doch dass man eine junge Mutter von ihrem kleinen Kind trennte, war einfach unverzeihlich. Und natürlich steckte auch diesmal kein anderer als dieser verdammte Abaelard dahinter. Für den Philosophen hingegen schien es sich eindeutig um ein Missverständnis zu handeln: Nun aber glaubten Fulbert und seine Verwandten, ich hätte sie jetzt erst recht hintergangen und Heloise zur Nonne gemacht, um sie loszuwerden. Doch war es nicht tatsächlich so? Wie auch immer – für Onkel Fulbert war das Maß jetzt endgültig voll. Er beschloss, Abaelard für seine hinterhältigen Gemeinheiten so zu bestrafen, dass er es sein Lebtag nicht vergessen würde – gewissermaßen nach alttestamentarischem Gebot: Auge um Auge, Zahn um Zahn. Also machte sich der Onkel zusammen mit ein paar Freunden auf den Weg zu Abaelards Haus, um an dem heißhungrigen Wolf Rache zu nehmen, und zwar so grausam und beschämend, dass die Welt erstarrte.

Doch lassen wir Abaelard selbst zu Worte kommen: Während ich zu Hause in meinem abgelegenen Schlafzimmer ruhte, führte sie einer meiner um teures Geld bestochener Diener herein und sie unterwarfen mich der grausamsten und schmachvollsten aller Rachen. Sie schnitten mir vom Leib die Organe ab, mit denen ich sie gekränkt hatte. Dann ergriffen sie die Flucht. Mit anderen Worten: Man hatte Abaelard kastriert. Mit der Liebe, zumindest mit der körperlichen, war es jetzt ein für alle Mal vorbei.

Die Nachricht von der grausamen Verstümmelung des berühmten Philosophen verbreitete sich in Paris wie ein Lauffeuer. Viele kamen zu Abaelard, um ihm ihr Mitgefühl zu bekunden, was diesem gar nicht recht war: Hauptsächlich die Kleriker und ganz besonders meine Schüler vermehrten meine Qual durch ihre unerträglichen Klagen; ihr Mitleid war mir schmerzlicher als meine Wunde selber; ich spürte mehr meine Schande als meine Verstümmelung, die Verwirrung bedrückte mich mehr als der Schmerz. Man kann sich gut vorstellen, wie elend Abaelard sich fühlte. Statt seinen brillanten Geist zu bewundern, beklagte man nun den traurigen Zustand seines Körpers. Welche Schmach für den großen Philosophen: Welchen Ruhm genoss ich eben noch; mit welcher Leichtigkeit war er im Handumdrehen erniedrigt und zerstört worden. Mitleid hin oder her – hinter seinem Rücken spottete man über Abaelard, den Mann, der seine Männlichkeit für immer verloren hatte.

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