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Begegnung mit Giulia Farnese

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Auch wenn Rodrigo Borgia inzwischen auf die sechzig zuging, so blieb er für schöne Frauen noch immer leicht entflammbar. Am 21. Mai 1489 war er auf einer glanzvollen Hochzeitsfeier zu Gast, die selbstverständlich in den farbenprächtig ausgemalten Amtsräumen des Vatikans stattfand, der damals gewissermaßen als „gute Stube“ Roms diente. Dort schlossen an diesem Tag Giulia Farnese (1474–1524) und der junge Adelsspross Orso Orsini den sogenannten Bund fürs Leben.

Welch ein Paar! Rodrigo war von der strahlenden Schönheit und anmutigen Erscheinung der Braut völlig überwältigt. Nicht zu Unrecht sprach ganz Rom von La Bella, der Schönen, auch wenn Giulia ihrer Attraktivität ein wenig nachhelfen musste, indem sie die ursprünglich dunklen Haare blond färben ließ.

Kardinal Borgia hatte nur noch einen Gedanken: Wie kann ich die bezaubernde Giulia zu meiner Geliebten machen? Er wusste, dass dazu der schwindende Sex-Appeal eines alternden Mannes keineswegs ausreichte. Aber zum Glück verfügte er ja über weitere Mittel, die ihn bislang noch immer an sein Ziel gebracht hatten: jede Menge Geld. Tatsächlich erklärte sich der junge Ehemann gegen reiche Belohnung bereit, der schönen Giulia ihre Freiheit zu lassen. Doch damit allein war es nicht getan. Rodrigo Borgia hatte zugleich eine starke Verbündete, die im Hintergrund die Fäden zog: Giulias Mutter Giovanna. Als Witwe machte sich Giovanna Farnese natürlich Gedanken um die Zukunft ihrer Kinder. Während der älteste Sohn nach dem Tod seines Vaters dessen Erbe angetreten hatte und somit bestens versorgt war, war Alessandro, der Jüngere, nur ein kleiner Kurienbeamter, der mit Fleiß allein keine Karriere machen konnte. Das könnte sich freilich ändern, dachte Giovanna, wenn er einen solch einflussreichen Mann wie Kardinal Borgia zum mächtigen Fürsprecher hätte. Und so war Mutter Farnese auch gerne bereit, das große „Opfer“ zu bringen und die Liebesaffäre ihrer Tochter mit Rodrigo gutzuheißen.

Und Giulia selbst? Hat sie tatsächlich echte Zuneigung empfunden oder wurde sie nur aus Berechnung die Geliebte Rodrigo Borgias? Welchen Druck hat die Mutter auf sie ausgeübt? Leider müssen diese Fragen unbeantwortet bleiben. Auf jeden Fall hat Giulia alle in sie gesetzten Erwartungen mit Bravour erfüllt. Im Frühjahr 1492 brachte sie eine kleine Tochter zur Welt, die auf den Namen Laura getauft wurde. Offiziell galt das Kind als eine Orsini, selbst wenn das Ehepaar schon längst getrennte Wege ging. Tatsächlich aber wussten alle, dass kein anderer als der inzwischen 61-jährige Kardinal Borgia der stolze Vater war. Zumal er auch selbst keinen Hehl daraus machte.


Die Dame mit dem Einhorn. Gemälde von Luca Longhi, welches möglicherweise Giulia Farnese darstellt. Das Einhorn war das Wappentier der Familie Farnese.

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