Читать книгу Gestrandet in Nairn - Karin Firlus - Страница 10

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Kapitel 4: Hausführung

Lena ging nach oben, um ihre Einkäufe zu verstauen und sich frisch zu machen. Sie war sich nicht sicher, ob sie richtig entschieden hatte. Aber aus irgendeinem Grund hatte Sally es sich in den Kopf gesetzt, dass sie für den Professor arbeiten sollte, und Lena hatte nicht den Mut gehabt, die sympathische Frau zu enttäuschen.

Diese anderthalb Tage würde sie hinter sich bringen, falls der Job ihr überhaupt nicht zusagte. Schließlich würde es nicht gerade eine Knochenarbeit werden, so dass sie genügend Freizeit hätte, um den Ort zu erkunden. Andererseits war es vielleicht gar keine so schlechte Idee; bei leichter Hausarbeit konnte man gut nachdenken und zur Ruhe kommen.

Sie nahm nur ihre Handtasche mit und folgte ihrer energischen Herbergswirtin zu deren Rover. Auf dem Weg zum Supermarkt hielt Sally vor einem schmalen Reihenhaus mit einem winzigen Vorgarten, sprang aus dem Auto und klingelte.

Kurz darauf öffnete eine junge Frau die Tür. Sie hatte einen Zinkleinverband um das linke Bein und stützte sich mit einer Hand auf eine Krücke. Mit der anderen gab sie Sally etwas.

Im Auto legte sie Lena eine Geldbörse und einen Zettel in den Schoß. „Zaster zum Einkaufen!“, verkündete sie fröhlich, dann fuhr sie weiter.

Lena schickte ein Stoßgebet zum Himmel, dass Sally sie in den Supermarkt begleiten würde, denn allein würde sie eine Ewigkeit brauchen, bis sie alles fände, was auf dem Zettel stand. Schließlich gab es hier viele Lebensmittel, die in deutschen Supermärkten nicht zu finden waren.

„Lucy wollte einen Lammeintopf kochen“, meinte Sally. „Aber sie wusste nicht, ob du das zubereiten kannst. Also schlug sie vor, stattdessen einen Nudelauflauf mit Schinken zu machen. Und einen Salat dazu. Das kriegst du hin, oder?“

„Ich denke doch.“ Sie hatte immer noch Zweifel. „Sally, vielleicht ist der Professor nicht zufrieden mit Ihrer Wahl. Oder ich fühle mich in seiner Gegenwart absolut nicht wohl.“

„Seine Gegenwart wirst du kaum zu spüren bekommen, er verschanzt sich in seiner Bibliothek oder ist in der Uni.“

*

Eine halbe Stunde später legten sie drei volle Einkaufstüten in Sallys Kofferraum. Zwei Minuten danach schon hielt sie in einer ruhigen Nebenstraße vor einem stattlichen zweistöckigen Haus. Sie holten die Lebensmittel aus dem Auto, Sally stürmte einen Pfad zwischen hohen Kiefern entlang aufs Haus zu und betätigte den Türklopfer, der in Großbritannien an vielen Haustüren die Klingel ersetzt. Sie klopfte ein zweites Mal und wieder warteten sie.

Lenas Puls beschleunigte sich. ‚Hoffentlich komme ich aus dieser Nummer heraus, wenn es mir hier nicht gefällt‘, dachte sie bang.

Als immer noch niemand öffnete, bückte Sally sich und holte kurzerhand unter der beigen Rauhaarmatte vor der Tür einen Schlüssel hervor.

„Dürfen Sie einfach reingehen, wenn er nicht zu Hause ist?“, fragte Lena vorsorglich.

Sally schloss auf und nickte. „Klar doch, ich hab ja bis vor zwei Jahren hier gearbeitet. Als ich dann von meiner Schwester, Gott hab sie selig, die Pension geerbt habe, hat Lucy meinen Job übernommen.“ Sie eilte vor Lena einen dunklen Gang entlang und verschwand in einer Tür zur Linken.

Lena folgte ihr langsam über einen dicken Perserteppich, vorbei an Fotos von alten Steinen im Wüstensand und einigen Artefakten, die beidseits die Wände zierten.

Sally stand in einer großzügigen, modernen Wohnküche und packte die Lebensmittel aus.

„Bist du sicher, dass wir hier einfach so hereinplatzen dürfen, wenn er nicht da ist?“ Lena kam sich wie ein Eindringling vor.

Sally nickte. Sie verstaute Käse, Schinken und Butter im Kühlschrank. „So, jetzt gehen wir durchs Haus und ich zeige dir alles, was du wissen musst.“

Mit der Küche machte sie kurzen Prozess; offensichtlich nahm sie an, dass die junge Frau nicht so ungeschickt wäre, um sich nicht im Allerheiligsten einer Hausfrau zurechtzufinden.

Auf dem Weg nach oben fragte Lena, ob sie nicht den Professor anrufen und ihm mitteilen sollten, dass sie hier war. Schließlich wollte sie nicht, dass der alte Mann vor Schreck einen Herzinfarkt bekam, wenn er sie unangekündigt in seinem Haus antraf.

„Nee, das will er nicht, wir dürfen nur im Notfall anrufen. Außerdem weiß er von Lucys Unfall.“

Lena fragte sich, was für ihn wohl ein Notfall war; eine deutsche Touristin, die sich in seinem Haus breitmachte, während er nicht da war, offensichtlich nicht.

Im oberen Stockwerk gab es drei Zimmer und ein Bad. Zwei der Zimmer waren tabu, wie Sally ihr erklärte.

„In dem einen übernachtet Lucy, wenn es abends mal später wird, z.B. wenn er Gäste hat. Sie hat ihren Kram da drinnen und wird, wenn sie wieder gesund ist, dort selbst aufräumen und saubermachen wollen.“

Das zweite Zimmer war das seiner verstorbenen Frau. „Ich glaube, der Professor ist nicht mehr dort reingegangen, seit der Polizist ihm sagte, dass seine Frau verunglückt ist. Es ist abgeschlossen und der Schlüssel steckt zwar, wie du siehst, aber es wird wie gesagt seit Jahren nicht mehr betreten.“

In dem dritten Zimmer stand ein Sammelsurium an allem, was woanders wohl nicht hatte untergebracht werden können. Auch ein Bett und ein schmaler Schrank standen an der einen Wand.

„Hier kannst du übernachten, wenn’s mal spät wird.“ Sie ging in den Gang zurück und öffnete die Tür rechts neben diesem Zimmer. „Und hier ist das Bad, das du benutzt.“

Lena spähte hinein und entdeckte zu ihrem Entzücken eine großzügig bemessene Wanne mit Duschvorrichtung sowie Becken und Toilette.

„Handtücher und Badeschaum findest du hier.“ Damit öffnete Sally einen Eckschrank, der alle Utensilien enthielt, die man sich für ein Badezimmer nur erträumen konnte.

Lena sah kunstvoll geformte Flakons mit Dusch- und Badeschaum, flauschige Hand- und Duschtücher und Lavendelseifen.

„Und dem Professor macht es nichts aus, wenn ich sein Bad mitbenutze?“, fragte sie erstaunt.

Sally lachte. „Sein Bad ist im Erdgeschoss. Er hat dort unten auch sein Schlafzimmer. Das war schon immer so. Er hat Probleme mit dem Durchschlafen und deshalb von Anfang an sein eigenes Schlafzimmer gehabt, damit seine Frau durch seine nächtlichen Wanderungen nicht geweckt wurde.“

Sie ging vor Lena die Treppe hinunter. „Und erschrick nicht, wenn du früh morgens in die Bibliothek kommst, um zu lüften oder zu saugen, und er in seinem Sessel sitzt. Manchmal liest er sich nachts fest und schläft über einem Buch ein.“

Lena stellte sich vor, wie der alte Herr in einem gestreiften Morgenmantel in einem bequemen Ohrensessel saß und schnarchte, ein aufgeschlagenes Buch auf den Knien. Diese Vorstellung machte ihn ihr fast sympathisch. Beim Lesen einzuschlafen war für sie ein bekanntes Phänomen.

Sally ging an der Küche vorbei. „Hier ist das Esszimmer und dahinter das Wohnzimmer.“ Sie ging wieder in den Gang hinaus und durch eine Tür am hinteren Ende des Flurs. „So, und hier ist sein Reich.“

Der kleine Flur hatte drei Türen: eine führte in das Schlafzimmer, das Professor McNeil benutzte, eine andere in ein angrenzendes Ankleidezimmer und die dritte in ein modernes Duschbad.

Sally drehte sich zu Lena um und hob warnend den Zeigefinger: „In diesem Bereich saugst und putzt du nur. Aber aufgeräumt wird hier nicht, auch in der Bibliothek nicht. Das wäre ein Sakrileg! Das Bad kannst du nach Herzenslust schrubben, aber hier drin nur die Böden säubern.“

Lena fand dies nicht einmal besonders seltsam. Sie selbst würde auch nicht wollen, dass jemand Fremdes sich allzu lange in ihrem Schlafzimmer aufhielt, geschweige denn irgendwelche Gegenstände vom Nachttisch hochhob.

„So.“ Sally führte sie in die Bibliothek auf der anderen Seite des Flurs. „Auch hier drinnen nur saugen.“

Lena folgte ihr in einen großen, quadratischen Raum, der an drei Wänden von Bücherregalen gesäumt wurde, die bis an die Decke reichten. An der gegenüberliegenden Wand gaben die hohen Fenster den Blick auf Buchshecken frei, die wohl an der Seite des Hauses wuchsen.

Vor der Bücherwand zur Rechten stand ein massiver Schreibtisch aus Mahagoniholz, davor ein Stuhl mit hellgrünem Lederbezug. Er sah so bequem aus, dass Lena sich fragte, ob man je wieder aufstehen wollte, wenn man sich einmal darauf gesetzt hatte. Er zog sie magisch an, aber Sally schien es schon als Sakrileg zu betrachten, die Bibliothek überhaupt betreten zu haben, wenn der Professor nicht da war, denn sie scheuchte Lena auf den Gang hinaus, bevor sie auch nur einen kurzen Blick auf die tausende von Büchern werfen konnte, die hier geduldig darauf warteten, in die Hand genommen und gelesen zu werden.

Sally übernahm wieder die Führung, durch die Küche und in einen Raum dahinter.

„Wie du siehst, ist hier die Vorratskammer und dahinter die Waschküche. Von dort geht es raus.“ Sie trat zu einer Tür, neben der zwei Paar Gummistiefel standen, schloss sie auf und ging hinaus in einen verwilderten Garten.

Steine begrenzten Beete, die wohl einmal ordentlich angelegt worden waren. Jetzt wucherte Unkraut, kaum eine Pflanze war zu erkennen. Nur ein Beet war penibel sauber; es wuchsen Petersilie, Schnittlauch und einige andere Kräuter darin, die Lena kannte.

Sally zeigte darauf. „Das ist das einzige Beet, das in Ordnung gehalten wird. Gartenarbeit war das große Faible seiner Frau. Seit sie nicht mehr ist, ist der Garten total verkommen, wie du siehst. Schade eigentlich. Aber Lucy hat absolut keinen grünen Daumen und der Herr Professor würde wahrscheinlich alles herausreißen, was nicht niet- und nagelfest verwurzelt ist. Nur die Kräuter sind ihm wichtig, weil er die gerne isst.“

‚Aha‘, dachte Lena, ‚da haben wir eine Gemeinsamkeit‘. Sie kochte gern und viel mit Kräutern.

Sie schlenderte den Pfad entlang. Weiter hinten wuchsen ein paar Obstbäume, Kirschen und Äpfel. Davor war ein Brunnen; er stand in der Nähe einer Bank, die fast komplett von Efeu verdeckt war. Lena zog an einer Ranke und hielt bald einen endlos langen Strang in den Händen. Sie knotete ihn zusammen und warf ihn in die Biotonne, die mit Deckel, aber leer, neben dem Brunnen stand.

„Funktioniert er noch?“, fragte sie.

Sally nickte. „Ja, klar, mit dem Wasser wässert Lucy die Obstbäume und das Kräuterbeet.“

Nur widerstrebend kehrte Lena mit Sally ins Haus zurück. Es lag eine friedliche, anheimelnde Atmosphäre über dem Garten, obwohl er total vernachlässigt war. Aber hier draußen spürte sie eine Leichtigkeit, die das Haus nicht vermittelte. Es wirkte ziemlich düster auf sie.

‚Kein Wunder‘, dachte sie, ‚dass der alte Mann grantig wirkt. Wenn er sich immer nur in diesen dunklen Räumen aufhält, muss er ja mit der Zeit depressiv werden‘.

Sally sah auf ihre Uhr. „So, Mädchen, ich lasse dich jetzt allein. Ich hab um halb einen Termin. Und du musst dich allmählich ums Abendessen kümmern, wenn es pünktlich um sieben auf dem Tisch stehen soll.“

Ein Blick zur Uhr sagte Lena, dass sie sich wirklich sputen musste. Sie dachte glücklicherweise noch daran, sich von Sally zeigen zu lassen, wie sie den Gasherd zum Laufen bekam, sie hatte nämlich bisher nur auf Elektroherden gekocht. Dann verabschiedete sich Sally.

Gestrandet in Nairn

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