Читать книгу Gestrandet in Nairn - Karin Firlus - Страница 11
ОглавлениеKapitel 5: Mann, was für ein Mann!
Als erstes stellte Lena einen großen Topf mit Wasser auf und suchte in den Schränken nach Salz. Dann nahm sie ein Brett und begann, den Schinken in kleine Würfel zu teilen.
Um viertel vor sieben war der fertige Auflauf im Ofen, sie hatte den Tisch im Esszimmer gedeckt und den Salat angemacht, nur die Kräuter fehlten noch. Also ging sie hinaus in den Garten. Sie bückte sich übers Kräuterbeet und schnitt Petersilie und Schnittlauch.
Sie war gerade dabei, auch Dill zu holen, als sie das Gefühl hatte, beobachtet zu werden. Sie streckte sich, sah beiläufig hinter sich und hätte beinahe vor Schreck Schere und Kräuter fallen gelassen.
Zwei Meter hinter ihr, in der Tür, die zum Garten herausführte, stand ein Mann, der sie kritisch musterte. Er war groß, schlank und trug schwarze Jeans mit einem hellgrauen Poloshirt. Die dunkelbraunen, kurz geschnittenen Haare umrahmten ein schmales Gesicht, und er konnte höchstens Anfang vierzig sein.
‚Also nicht der Professor‘! schoss es ihr durch den Kopf. Sie bekam Angst, weil sie nicht wusste, wie sie den Eindringling wieder loswerden konnte. Sie umfasste krampfhaft die Schere in ihrer Rechten. „Wer sind Sie und was wollen Sie hier?“, fragte sie kampfeslustiger als ihr zumute war.
Einen Moment starrte er sie ungläubig an, dann sagte er ruhig: „Das war eigentlich meine Frage. Aber sie ist nicht ernst gemeint, denn wir wissen beide, wer wir sind, oder?“
Als sie keine Antwort gab, zeigte er auf ihre Hände. „Offensichtlich sind Sie dabei, das Abendessen vorzubereiten und folglich sind Sie die Aushilfe für Lucy. Und da ich hier wohne, bin ich wohl Gordon McNeil.“
Lena stand da mit offenem Mund. „Sie sind der Professor?“
Ein belustigter Ausdruck huschte kurz über seine ernsten Züge. „Ich denke schon. Wen hatten Sie denn erwartet?“
„Nun,…“ verlegen hielt sie inne. „Nachdem, was Sally mir erzählt hat, dachte ich, Sie seien älter.“
„Ah.“ Er sah sie wieder mit dieser Mischung aus kritischer Überprüfung und belustigter Überlegenheit an. „Tja, es tut mir leid, Sie enttäuschen zu müssen. Aber sobald Sie sich von Ihrem Schrecken erholt haben, wäre ich Ihnen sehr verbunden, wenn Sie mein Abendessen fertig zubereiten würden. Ich bin hungrig.“
Lena schnitt schnell noch Dill ab, aber dann ging sie betont gemütlich in die Küche. ‚Ganz schön arrogant‘, dachte sie. ‚Aber auch ziemlich attraktiv‘ …
Der Auflauf roch schon von der Tür her verführerisch nach Knoblauch und Cheddarkäse. ‚Hoffentlich ist er nicht angebrannt‘, dachte sie. Während sie ihn mittels zwei dicken Topflappen aus dem Ofen bugsierte, wurde ihr bewusst, dass Professor McNeil von der Stelle aus, von der er sie beobachtet hatte, direkt auf ihr Hinterteil geschaut haben musste, das sie ihm nichtsahnend entgegengestreckt hatte. Vor Scham ließ sie beinahe die Auflaufform fallen.
Sie stellte sie zum Abkühlen auf ein Brett und wusch die Kräuter, dann schnitt sie sie klein und streute sie über den Salat.
Als sie die Schüssel in den Essraum brachte, saß er mit einer Zeitung vorm Gesicht an dem Platz, den sie für ihn gedeckt hatte. Sie stellte den Salat ab und wandte sich um, um den Auflauf zu holen, als er seine Zeitung senkte. „Sind Sie denn nicht hungrig?“
Seine Frage überrumpelte sie. „Nun, ich bin nicht davon ausgegangen, dass ich mit Ihnen essen soll.“
Er nickte knapp. „Normalerweise tun Sie das auch nicht, aber heute Abend machen wir eine Ausnahme. Ich kenne Sie nicht, muss Ihnen aber während der folgenden Wochen mein Haus anvertrauen, wenn ich nicht da bin. Deshalb würde ich gerne ein wenig über Sie wissen.“ Als sie sich immer noch nicht vom Fleck bewegte, weil sie nicht wollte, dass er sie nach Strich und Faden ausfragen würde, zeigte er auf die schwere Eichenvitrine. „Nun holen Sie sich schon ein Gedeck und bringen Sie endlich den verdammten Auflauf herein.“
Sie tat wie geheißen und dachte wieder, ‚arroganter Sack‘! Was glaubte er eigentlich, wer er war? Er sollte froh sein, dass sie so spontan für diese Lucy eingesprungen war, sonst hätte er auswärts essen oder sich mit trockenem Brot begnügen müssen.
Er hatte seine kleine Schüssel auf den Essteller gestellt und sich Salat genommen, was ihr zu ihrer großen Erleichterung ersparte, den Auflauf einigermaßen appetitlich auf seinem Teller anrichten zu müssen. Sie war nicht sehr geschickt in solchen Dingen. Er schob ihr die Schüssel mit dem Salat herüber und begann zu essen.
Lena stieß ihre Gabel in die grünen Blätter und fragte sich, wieso Sally ihn als grantig bezeichnet hatte. Er war eher hochnäsig und sie hatte ständig das Gefühl, sie stünde unter kritischer Beobachtung. Wahrscheinlich war sein Benehmen ihr gegenüber von seinem Zuhause antrainiert, was nicht weiter verwunderlich war, wenn er daran gewöhnt war, von klein auf Dienstboten um sich zu haben.
Sie schaufelte stumm Eisbergsalat in sich hinein und dachte gerade, wann fängt er denn endlich mit seiner Befragung an, als er sich zurücklehnte und anerkennend sagte: „Dieser Salat war schon mal gut; ich mag ihn mit diesem Öl-Essigdressing lieber als mit Joghurt. Und die richtigen Kräuter haben Sie auch verwendet.“
Sie hatte das Gefühl, als lobe er sie für eine Leistung, die sie nicht erbracht hatte. „Nun, das ist ja keine große Kunst.“
Er zog die Augenbrauen hoch. „Für Lucy wohl doch. Sie schüttet Joghurt und Salz über die Salatblätter und irgendwelches obskures Grünzeug, was vom Geschmack her eher in Tomatensauce als im Salat seine Berufung hat.“
Sie musste lächeln, weil ihr bewusst wurde, dass sie zumindest den ersten Test bestanden hatte. Als auch sie kurz darauf aufgegessen hatte, nahm Gordon McNeil die beiden großen Löffel und häufte sich geschickt Nudelauflauf auf seinen Teller.
Als er ihr die Löffel hinhielt, nickte er ihr aufmunternd zu. „Jetzt erzählen Sie mir mal ein bisschen was über sich. Ich weiß nur, dass Ihr Auto den Geist aufgegeben hat und Sie hier unfreiwillig gestrandet sind.“
Überrascht blickte sie von ihrem Teller auf. „Wer hat Ihnen denn das erzählt?“
„Sally. Ich bin zu ihr gefahren, um sie zu fragen, ob sie eine Aushilfe für Lucy gefunden hat. Aber ich hätte mich nicht zu sorgen brauchen, auf Sally ist Verlass.“ Er sah Lena kurz an, dann sagte er: „Allerdings sagte sie mir, Sie seien noch nicht sicher, ob Sie den Job so lange machen wollen, bis Lucy wiederkommt.“
„Nun ja, ich bin schließlich keine Haushälterin von Beruf, und bin eigentlich in Urlaub hier. Ich hatte geplant, eine Rundreise durch Schottland zu machen. Aber dann sagte ihr Bruder mir, dass er mein Auto nicht mehr reparieren könne, und so bin ich bei Sally in der Pension gelandet. Und irgendwie habe ich mich von ihr ein bisschen überreden lassen. Sie sagte, sie finde auf die Schnelle keinen Ersatz für Lucy, ich könne aber zunächst nur mal auf Probe hier arbeiten. Dann sehen wir weiter.“
Gordon McNeil grinste. „Ja, wenn Sally will, kann sie sehr stur und überzeugend sein, sie ist eben Schottin. Man kann ihr dann schlecht etwas abschlagen. Aber ich schätze sie sehr und Verlass ist auf sie.“ Er sah Lena noch einmal kritisch an, dann fügte er hinzu: „Auf ihren Bruder übrigens auch. Wenn er behauptet, dass Ihr Wagen nicht mehr repariert werden kann, dann ist das auch so.“
Sie nickte. „Ich hab ihm ja geglaubt, aber es ist schon ein Schock für mich, von einem Tag auf den anderen kein Auto mehr zu haben. Zu Hause bin ich darauf angewiesen. Wie das werden soll, wenn ich wieder zur Arbeit muss, weiß ich nicht.“
„Gibt es denn keine öffentlichen Verkehrsmittel, die Sie für den Weg zur Arbeit benutzen können? Ist nebenbei auch umweltfreundlicher.“
„Wenn ich wüsste, wo ich ab September arbeiten werde, könnte ich Ihnen die Frage beantworten.“
Er schoss ihr einen Blick zu, der besagte, dass er sie für bekloppt hielt. „Sie wissen nicht, wo Sie arbeiten?“
Sie erzählte ihm von ihrer momentanen beruflichen Situation.
„Sie unterrichten also. Ich habe mich schon gewundert, wieso Sie so fließend Englisch sprechen. Das erklärt es natürlich.“ Er nahm sich noch eine zweite Portion Nudeln, was darauf schließen ließ, dass sie nicht gänzlich ungenießbar waren. „Und an der Uni arbeiten wollen Sie nicht?“ Auf ihren fragenden Blick hin meinte er: „Nun, wenn Sie an der Schule keine Anstellung finden, sollten Sie vielleicht einfach weiter studieren und Ihren Doktor machen. Und währenddessen eine Tutorenstelle annehmen. Danach sehen Sie weiter.“
„Tja, darüber habe ich auch schon nachgedacht. Aber ein Studium in der augenblicklichen Situation ist finanziell nicht machbar. Ich habe seit einer Woche keine Bleibe mehr. Würde ich weiterstudieren, müsste ich wieder bei meinen Eltern einziehen, und das will ich auf Dauer nicht.“
Er legte seine Gabel hin. „Wieso haben Sie keine Wohnung?“
Sie zuckte mit den Schultern. „Ich bin aus der bisherigen aus gewissen Gründen ausgezogen. Aber das ist eine lange Geschichte.“
Er schien ihre Zurückhaltung hinsichtlich einer detaillierteren Information zu spüren, denn er bestand nicht auf einer weiteren Erklärung.
„Vielleicht ist das ja der Punkt, um eine Veränderung herbeizuführen.“ Auf ihre stumme Frage hin spreizte er die Hände vor seiner Brust. Der Blick aus seinen blauen Augen hielt sie gefangen. „Nun, ich meine, keine feste Arbeit und kein fester Wohnsitz eröffnen ganz neue Möglichkeiten. Sie sind somit frei und können einen kompletten Neuanfang wagen.“ Er spießte ein letztes Stück Schinken auf, dann fügte er wie als Nachgedanke hinzu: „Das heißt, wenn Sie nicht privat gebunden sind.“
„Nicht mehr.“ Es kam kurz und sachlich heraus, und sie hatte nicht im Mindesten Lust, sich auf dieses Thema einzulassen.
Er bemerkte dies wohl, denn er sagte wegwerfend: „Entschuldigen Sie, das geht mich nichts an.“
Sie stand auf und nahm ihren leeren Teller. „Möchten Sie etwas trinken?“
Er sah sie abwartend an, dann sagte er: „Ich hätte gern ein kühles Bier. Sie können es mir in die Bibliothek bringen.“ Sie drehte sich um, da fügte er an: „Und wenn Sie abgespült haben, können Sie Schluss machen für heute.“
Sie nickte erleichtert. Sie wäre froh, endlich aus diesem Haus und vor seinen neugierigen Fragen fliehen zu können. Außerdem gefiel es ihr nicht, dass sowohl Sally als auch der Herr Professor meinten, an ihrer verzweifelten Situation etwas Gutes erkennen zu müssen und ihr zu raten, eine Veränderung herbeizuführen.
Gordon McNeil ging in seine Bibliothek und setzte sich an den Schreibtisch. Aber er konnte sich nicht auf den angefangenen Artikel konzentrieren. Deshalb stand er auf und ging zum Fenster hinüber.
Diese junge Frau, die Sally ihm da angeschleppt hatte, war verdammt hübsch. Lange schwarze Haare, schlank, und irgendwie ging trotz ihrer Zurückhaltung ihm gegenüber eine Ausstrahlung von ihr aus, der er sich nur schwer entziehen konnte. Als er sie in seinem Garten über das Kräuterbeet gebückt stehen sah, erfasste ihn spontan eine solch starke Begierde, wie er sie lange nicht mehr gespürt hatte. Sie beunruhigte ihn und er wusste nicht, ob es ihm lieber wäre, wenn sie nach der Probezeit gehen oder für die nächsten Wochen bleiben würde. Da klopfte es an der Tür.
Als Lena in die Bibliothek kam, stand er mit dem Rücken zur Tür an einem der hohen Fenster. „Wo soll ich Ihnen das Bier hinstellen?“
Er drehte sich um. „Dort auf den Schreibtisch.“ Er ging hinüber und setzte sich. „Sagen Sie, wo übernachten Sie eigentlich?“
„Bei Sally.“
„Und wie viel verlangt Sie Ihnen pro Nacht?“
Überrascht stellte sie fest, dass sie das noch gar nicht wusste. „Wir haben bisher nicht darüber gesprochen.“
„Ah.“ Er musterte sie wieder kritisch, dann sagte er: „Nun, wenn Sie wollen, können Sie auch hier im Haus übernachten. Oben gibt es eine kleine Kammer. Ich fürchte, sie ist nicht sehr gemütlich, weil viel altes Gerümpel dort steht. Aber Sie könnten kostenlos hier wohnen und müssten morgens nicht so früh aus den Federn, um mein Frühstück zu richten.“
Sie war überrascht über sein Angebot. „Das würde Sie nicht stören?“
Er schenkte sich Bier ein. „Wieso sollte es? Sie sind oben und ich unten, wir kommen uns also nicht in die Quere.“
„Okay, ich überleg‘s mir.“
Er trank, dann meinte er wie beiläufig: „Da Sie hier Kost und Logis frei haben, dachte ich, dass zweihundert Pfund pro Woche angemessen wären. Sind Sie damit einverstanden?“
„Falls ich bleibe, ja.“ Damit ging sie hinaus, kam aber gleich darauf noch einmal zurück. „Und wann frühstücken Sie morgens?“
Er blätterte in irgendwelchen Unterlagen und schien sie schon vergessen zu haben. „Eh … dienstags bis donnerstags bin ich an der Uni, da muss das Frühstück um sieben fertig sein. An den restlichen Tagen etwa um acht.“
Sie ging hinaus, räumte die Küche auf und machte, dass sie zu Sally kam. Sie hatte zwar nicht viel gearbeitet und erst gegen Abend damit angefangen, aber irgendwie war sie total platt.
Auf dem kurzen Weg zur Pension sah sie ihn vor sich, wie er am Fenster stand, als sie in die Bibliothek kam. Er war zwar unnahbar, aber er reizte sie dennoch. Ob er eine Freundin hatte? Ganz bestimmt, so wie er aussah …
Als sie die Pension betrat, kam Sally ihr entgegen. „Na, du bist aber spät dran. Ich dachte schon, du bleibst heute im großen Haus.“
„Wie denn? Ich hab ja meine ganzen Sachen hier. Aber würde es dir etwas ausmachen, wenn ich ab morgen bei dem Professor übernachte? Er hat es mir angeboten.“
Sally grinste. „Du hast dich also schon entschieden, Lucy zu vertreten, ja? Dann ist es wirklich sinnvoll, dort zu übernachten. Ich meine, du führst ihm den Haushalt und auf Dauer gesehen könnte ich dich nicht für umme hier wohnen lassen. Er ist zwar meist ein bisschen etepetete, aber das kann er sich denken. Nur für heute Nacht kannst du gerne hier bleiben, wo du jetzt schon mal da bist. Und ich verlang dir auch nix dafür.“
Lena bedankte sich bei ihr und ging, sobald die Höflichkeit es erlaubte, in ihr Zimmer. Durstig, wie sie war, trank sie die halbe Flasche Wasser leer, die sie mittags gekauft hatte, dann schlüpfte sie ins Bett. Wenn sie am nächsten Morgen rechtzeitig wach sein sollte, brauchte sie dringend etwas Schlaf.