Читать книгу Spielend einfach glücklich sein - Karin Krawczynski - Страница 5

1. Vorwort:
Mein (Irr-)Weg zum Glück des Seins

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Wenn man Dich fragen würde, was Glück ist – was wäre Deine Antwort? Gibt man diese Frage in die Internetsuchmaschine Google ein, erhält man 136.000.000 Ergebnisse. Mehr Glück in noch kürzerer Zeit zu finden ist unmöglich. Es gibt also 136.000.000 Möglichkeiten, glücklich zu sein – ein wahnsinniges Angebot. Und trotzdem fühlt sich jeder ab und zu unglücklich, aus den unterschiedlichsten Gründen. Mal, weil man seit zwei Wochen keinen neuen Auftrag bekommen hat, ein anderes Mal, weil die Nachbarin mit Ende 50 schönere Beine hat als man selbst, und dann wieder, weil die Facebook-Seite des Hundes mehr Likes bekommt als die eigene. Man kann also schnell das Gefühl erhalten, dass es mehr als 136.000.000 Gründe gibt, um unglücklich zu sein. Auf dem Konto könnte man mehr haben, auf der Waage gerne etwas weniger, und mehr Liebe und Anerkennung hat noch niemandem geschadet. Doch dieses Glück ist nicht jedem vergönnt. Das Schicksal ist ein Schlawiner. Gedanken wie diese machen alles, nur keinen Spaß. Sie tun sogar weh. Und sie stellen uns immer wieder vor die Herausforderung, Ruhe zu bewahren. „Don't panic!“, wie es so treffend bei „Per Anhalter durch die Galaxis“ heißt, ist einer der weisesten Sprüche, die ich kenne. Er hilft – nicht immer, aber meistens.

Weit verbreitet ist die Auffassung, dass Geld glücklich macht. Nach dem Motto: Mein Haus, mein Boot, mein Hund. Geld ist Status, Geld ist Anerkennung. Geld ist Glück? Nobelpreisträger Angus Deaton, Ökonomieprofessor an der Universität Princeton, hat in seiner Studie mit 450.000 Amerikanern herausgefunden, dass es tatsächlich eine Zahl gibt, die glücklich macht: 75.000 US-Dollar. Laut seiner Umfrage steigt bis zu einem Jahreseinkommen von umgerechnet 61.000 € das Glücksempfinden. Hat man diese Zahl erreicht, ist man glücklich. Danach ist allerdings Schluss. Die Grenze des Glücks ist erreicht. Mehr Geld macht nicht noch glücklicher. Das Glück wäre demnach begrenzt, zumindest finanziell. Glücklicherweise haben die meisten von uns bis zu dieser Grenze noch einen weiten Weg vor sich.

Neben Geld wird ein weiterer Faktor unseres Lebens als der Glücksfaktor schlechthin betrachtet: vertrauensvolle, auf Wertschätzung, Anerkennung und Liebe basierende Beziehungen. Das ist sicher richtig. Alleinsein macht nicht wirklich Spaß. Natürlich ist es wichtig und erholsam, einfach mal für sich selbst zu sein. In sich zu ruhen, zu sich selbst, die innere Erleuchtung zu finden – und im Anschluss den anderen unter die Nase zu reiben, wie glücklich man ist, seit man Yoga, Reiki, Achtsamkeit, Mental Healing, Feng Shui, Gott, Krishna oder Buddha für sich entdeckt hat, ganz nach dem unter PR-Leuten so beliebten Spruch: „Tue Gutes und rede darüber.“ Wenn wir ehrlich sind, will das aber doch niemand hören. Mir wurde bereits im Kindergarten beigebracht, dass es nicht in Ordnung ist, vor anderen Kindern damit zu prahlen, was man alles besser kann. Soll für Erwachsene anderes gelten? Wenn mir jemand erzählt, dass er oder sie zwei Drittel seiner Gage an hungerleidende Kinder in Afrika spendet, dann muss ich darauf antworten: „Oh, das ist aber toll!“ – aber ich fühle mich dann alles andere als glücklich. Ich fühle mich mies. Denn ich spende nicht zwei Drittel meiner Gage, sondern investiere sie in Schokolade, bunte Flip-Chart-Marker und Hundefutter. Würde ich in so einer Situation meinen Gefühlen freien Lauf lassen, wäre es definitiv vorbei mit dem Glücksfaktor „Soziale Beziehung“. Aber glücklicherweise weiß ich, mich zu benehmen.

In unserem Innern wissen wir unbewusst, was es für dieses Glück braucht. Wir wissen, was von uns erwartet wird und was wir tun können, um diese Erwartungen zu erfüllen – zum Beispiel Lächeln und winken. Und unsere Rolle „spielen“, denn wir sind auf soziale Beziehungen angewiesen. Die größte Fähigkeit des Menschen besteht darin, soziale Beziehungen einzugehen, sich auszutauschen und sich selbst zu reflektieren, um zu geben und zu nehmen, um zu helfen, um zu trauern, um zu lieben, um glücklich zu sein – um einfach zu sein. Besonders die Momente dieses Einfach-Seins sind die wertvollsten.

Ich habe nach einigen Irrwegen des Lebens entdeckt, dass ich diese Momente des Einfach-Seins dann erlebe, wenn ich spiele. Allerdings nur selten bei Brettspielen und absolut nie beim Glücksspiel. Bei Glücksspielen wie Roulette spielt man gegen das Schicksal, und das Schicksal gewinnt immer. Daher ist das nichts für mich. Ich bevorzuge das gute, das echte Spiel. Das Spiel, in dem man einfach sein kann, und das findet man nur im Miteinander – wenn man sich mit jemand anderem im Tun synchronisiert, entweder in einem tollen Gespräch oder einer verbindenden Tätigkeit, die manchmal auch daraus bestehen kann, schweigend am Tisch zu sitzen. Momente wie diese sind mein Glück. Ohne zu bewerten, ohne Gedanken darüber, ob sie gut oder schlecht sind, einfach gemeinsam sein im Spiel des Lebens, ob als Kinder, um zu lernen, oder später, um uns in der Gesellschaft zu orientieren. Menschen haben das Spiel im Blut und wir brauchen es wie die Luft zum Atmen. Wir sind der spielende Mensch, der sogenannte homo ludens, dem die Spielfreude wortwörtlich in den Knochen, in seiner DNA1 steckt.

Die Wichtigkeit des Spiels und die darin enthaltenen Möglichkeiten wurden mir allerdings erst durch mein Studium der darstellenden Kunst bewusst. Von meinem Schulabschluss bis dahin bestand mein Leben aber erst einmal aus Versuch und Irrtum, obwohl ich die ersten 18 Lebensjahre ziemlich grandios bewältigt hatte. Die Rolle der braven Schülerin spielte ich 12 Jahre mit ausgezeichnetem Erfolg. Ich wusste in dieser Rolle, was ich zu tun hatte, um die Erwartungen an mich zu erfüllen. Und das tat ich einfach. Alles, was ich dazu brauchte, waren Fleiß und soziale Intelligenz. Ich fühlte mich in dieser Rolle ziemlich wohl, weshalb ich sie auch nicht aufgeben wollte. Ich spielte sie weiter, mit aller Konsequenz. Die erste Konsequenz traf mich gleich vier Monate nach meinem Abschluss, als sich mein damals einziger Berufswunsch mit einem Schlag in Luft auflöste: Mit 18 wollte ich Grafikdesign studieren. Beim letzten Gespräch eines dreistufigen Bewerbungsverfahrens stellte mir meine geliebte Rolle ein Bein: Vor diesem Abschlussgespräch hatte mir ein Professor der Fakultät nebenbei am Kaffeeautomaten erklärt, meine analoge Armbanduhr wäre digital. Das wunderte mich zwar, doch hatte ich in meiner Rolle als brave Schülerin gelernt, Respektspersonen lieber zu glauben, wenn ich Erfolg haben wollte. Daher antwortete ich brav: „Ah ja, das ist ja interessant!“ Im Gespräch vor der Jury wurde mir dann just von diesem Professor die Frage gestellt, ob ich eine analoge oder digitale Armbanduhr tragen würde. Pflichtbewusst, voller Überzeugung und Enthusiasmus antwortete ich: „Natürlich digital!“ Und das war es dann, mit mir als Grafikdesignerin und als brave Schülerin.

Abgesehen davon, dass mich dieser Professor absichtlich getäuscht hatte, hatte er mein uneingeschränktes Vertrauen in Autoritätspersonen stark beschädigt. Daher beschloss ich, diesen Verrat zu rächen und selbst zur Autoritätsperson zu werden. Mein neuer Berufswunsch war Lehrerin. Ich fand, das sei eine gute Idee, weil sich meine geliebte Rolle so nicht allzu sehr verändern müsste. Lediglich die Perspektive würde sich um 180 Grad drehen: Statt einer Person (aus der Perspektive der Schülerin) hätte ich nun einfach 26 (aus der Perspektive der Lehrerin) vor mir. Sport und Englisch auf Lehramt, das war jetzt mein Plan. Zwar war ich in meiner Jugend im Volleyball- und Badminton-Verein, doch die Rolle der Sportlerin mit Leib und Seele hatte ich nie richtig ausgefüllt, das war mir dann doch zu anstrengend. Für das Studium wäre es jedoch ganz gut gewesen, sich nicht nur vorzustellen, diese Rolle einnehmen zu können, sondern sie auch tatsächlich zu verkörpern. Dass dies nicht auf mich zutraf, wurde mir selbst erst klar, als ich bei der Sport-Aufnahmeprüfung in der Disziplin 60-Meter-Kraulen im wahrsten Sinne des Wortes unterging. Es war einfach zu viel. Zu viel Wasser in meiner Nase, in meinen Ohren, in meinen Augen – und zu wenig Kondition in meinen Muskeln. Ich zog mich mit letzter Kraft aus dem Schwimmbecken, schleppte mich in die Umkleide, traf dort auf Sara, die die Aufnahmeprüfung ebenfalls nicht geschafft hatte, fragte sie, was sie denn jetzt machen würde, und als sie antwortete: „Ich schreibe mich für Wirtschaftspädagogik ein!“, stand auch mein nächstes Berufsziel fest: Wirtschaftspädagogik. Klang gut, das genügte. Bis dahin hatte ich mit Wirtschaft noch nie etwas zu tun gehabt. Ich hatte ein mathematisch-naturwissenschaftliches Gymnasium besucht. Aber darüber machte ich mir keine Gedanken, schließlich kannte ich Sara, und das genügte mir. Das Studium war eine noch größere Unbekannte als vermutet. Da gab es Themen, die ich noch nie zuvor gehört hatte: Kostenrechnung und Buchhaltung. Aber ich stellte mich dieser Herausforderung. So lange, bis mich mein Kostenrechnungs-Professor im vierten Semester fröhlich mit den Worten begrüßte: „Herzlich willkommen zum dritten Anlauf, liebe Kollegin. Der Inhalt ist Ihnen ja schon bekannt. Ich werde also in diesem Semester versuchen, Sie mit meinem neuen Anzug zu begeistern.

Über drei Jahre hinweg wurde mir eindrücklich bewiesen, dass jeder Beruf, von dem ich gedacht hatte, dass er der richtige für mich sein könnte, unerreichbar war. Ich konnte nichts von dem, von dem ich dachte, dass ich es könnte. Außerdem war mir die Rolle der Studentin irgendwie suspekt. So konnte es nicht weitergehen. Ich musste etwas ändern, und zwar: meine Vorgehensweise. Ich begann, Dinge auszuprobieren, von denen ich bis dahin überzeugt gewesen war, dass ich sie überhaupt nicht konnte: Singen, Gitarre spielen und Schauspielern. Zu jedem dieser Bereiche gab es einen Kurs an der Volkshochschule und ich kehrte 2002 glücklich zurück in meine geliebte Rolle als brave Schülerin.

In den Kursen für Singen und Gitarre spielen hatte ich ziemlich schnell Erbarmen mit meinen LehrerInnen. Nach nur vier Wochen beendete ich unsere gemeinsame Qual. Aber der dritte Kurs, das Schauspielern, schaffte es tatsächlich, mich, mein Denken und mein Handeln zu verändern. Am Ende dieses Kurses trat ich nach Grafikdesign und Sport zu meiner dritten Aufnahmeprüfung an. Diesmal an einer Schauspielschule. Es wurde mein erster Erfolg nach drei Jahren.

Ich war angekommen und durfte von da an Momente des wahrhaftigen Schau-Spiels erleben, in denen man nicht denken durfte, sondern sein musste. Das oberste Ziel des Schauspielers ist es, im Moment, in der Situation, in der Figur zu sein. Und ich war einfach. Ich war im Spiel und damit in der Essenz meiner Existenz angekommen. Mein erster Moment des Glücks, der nach bestandener Aufnahmeprüfung meine Mutter zu folgendem, denkwürdigen Satz veranlasste: „Du willst jetzt nicht etwa Schauspielerin werden, oder?“ Allen Hindernissen zum Trotz: Ja, ich wurde Schauspielerin. Seitdem ist das Spiel mein ständiger Begleiter. Auf der Bühne, als Methode im Training und als Haltung im Miteinander. Mein Ziel ist heute, jede Begegnung, jede soziale Interaktion als gutes und glückliches Spiel zu gestalten. Mit dem Ernst, den es verdient, und der Leichtigkeit, die es braucht.

Wie bei jedem Spiel bedarf es auch für das Spiel des Lebens einer Spielanleitung, um es erfolgreich spielen zu können und darin sein Glück zu finden. Eine solche Spielanleitung soll dieses Buch sein. Eine Anleitung, die ich aus meinen Erfahrungen heraus für mich und mein Leben entwickelt habe. Sie basiert auf Theorien und Methoden aus dem Schauspiel, meinen Erkenntnissen zu sozialen Rollen als Supervisorin und Coach, der Auseinandersetzung mit Theorien von Mead bis Goffman bis hin zu meiner jahrzehntelangen Praxis im sozialen Rollenspiel. Auf diesen Pfeilern hat sich meine Idee darüber entwickelt, wie wir uns das Leben leichter machen können. Dabei handelt es sich um eine Idee, eine Anregung, eine Sichtweise und um eine Wahrheit. Nicht um die Wahrheit, sondern um (m)eine Wahrheit. Auf der Welt gibt es davon unzählige.

Viele Menschen behaupten, sie hätten die eine Wahrheit gefunden und nur sie wären im Recht. Das mag für sie selbst schon stimmen, aber eben auch nur für sie selbst. In meiner Rolle als Anhängerin des Konstruktivismus darf ich dieser Haltung vehement und mit Leidenschaft widersprechen. Im Verständnis des Konstruktivismus lebt jeder von uns in seiner eigenen Welt, in seiner eigenen Wirklichkeit und in seiner subjektiven Wahrnehmung. Ich will Dir daher nicht sagen, was Du tun sollst/kannst/musst, um glücklich zu sein. Das kann ich nicht, denn es ist Dein Leben. Ich kann Dir nur Handwerkszeug zur Verfügung stellen, das Dich Deinem Glück ein Stück näher bringen kann. Wie eine Art Goldwaschpfanne, die Dir dabei hilft, die Goldnuggets des Glücks im Kies und Geröll des Lebens zu finden. In den Fluss musst Du aber selbst steigen, um Dein Gold zu waschen. Das heißt: Du musst selbst etwas tun. Nur dieses Buch zu lesen wird keine Veränderung bringen. Das wusste bereits Goethe, obwohl er mein Buch gar nicht kannte, als er feststellte: „Der Worte sind genug gewechselt, lasset mich endlich Taten sehen.“

Daher: Lasset das Buch beginnen!

1 Hüther & Quarch (2018)

Spielend einfach glücklich sein

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