Читать книгу Alles Mythos! 20 populäre Irrtümer über die Ritter - Karin Schneider-Ferber - Страница 9
IRRTUM 3: Ritter kämpften nicht für Geld
ОглавлениеMan sollte meinen, ein Ritter ohne Furcht und Tadel wäre nur für die eigene Ehre und für den eigenen Ruhm aufs Schlachtfeld gezogen. Doch weit gefehlt! Ritter kämpften ganz banal auch gegen Bezahlung. Denn in den Krieg zu ziehen, war nicht nur eine Gefahr für Leib und Leben, sondern eine kostspielige Angelegenheit, bei der jeder Teilnehmer verständlicherweise darauf achtete, am Ende eines Feldzuges nicht mit leeren Taschen dazustehen.
An sich wäre ein Lehnsaufgebot eine feine Sache für Könige und Fürsten gewesen: Sie vergaben ein Stück Land zum Unterhalt an einen Gefolgsmann, dieser leistete ihnen dafür Kriegsdienst auf eigene Rechnung. Bei langwierigen oder sehr häufigen Kriegszügen wäre der Vasall auf seinen Mehrkosten sitzen geblieben, während der Lehnsherr bequem auf die Einhaltung der Lehnspflichten hätte pochen können. Doch so einfach lief es schon seit dem Hochmittelalter nicht mehr. Zum einen wurden die Lehen erblich, sodass viele Lehnsinhaber ihren Gutsbesitz als Lohn für bereits geleistete Dienste ansahen und sich für die Zukunft weniger verpflichtet fühlten. Zum anderen kam es im Laufe der Zeit zu einer stärkeren Verrechtlichung der Lehnsbeziehungen, das heißt, die Pflichten des Vasallen wurden genauer definiert, was de facto auf ihre Einschränkung hinauslief. Nicht zu jedem Feldzug musste der Lehnsnehmer antreten und schon gar nicht für einen unbegrenzten Zeitraum. Zunehmend spielte es sich ein, dass der Vasall nur noch 40 bis 60 Tage Militärdienst zu leisten hatte, und zwar in erster Linie für Aktionen im eigenen Land, für Feldzüge in weit außerhalb liegende Gebiete galt dies in der Regel nicht. Für einen cleveren Ritter gab es folglich jede Menge Gründe, sich vor einem Kriegszug zu drücken, wenn ihm Risiko und Kosten zu hoch erschienen – neben umstrittener Lehnspflichten gehörten Alter, Krankheit oder Minderjährigkeit dazu. So konnte es also durchaus vorkommen, dass selbst mächtige Herrscher wie der Stauferkaiser Friedrich II. bei ihrer Ritterschaft auf taube Ohren stießen, wenn sie zu neuen Heldentaten bliesen. Die Kölner Königschronik berichtet, dass Friedrich II. 1236 in Koblenz niederdeutsche Ritter zu einem Feldzug gegen die Lombarden aufrief, „aber nur wenige leisteten diesem Aufruf Folge“. Die gleiche Erfahrung machte Simon von Montfort während des Albigenserkreuzzuges 1209, als immer wieder Ritter mit ihrem Gefolge abzogen, weil sie befanden, ihre 40-Tages-Pflichten seien bereits erfüllt.
Könige und hochrangige Fürsten nahmen daher zu einem Argument Zuflucht, dessen Charme zu jeder Zeit unwiderstehlich war: Geld. Militärische Dienstleistungen, die nicht durch die Lehnsbindung gedeckt waren oder über die 40-Tage-Frist hinausgingen, wurden eben bezahlt. Streng genommen wandelte sich der Ritter damit zum Söldner, doch tat dies seinem Selbstverständnis keinen Abbruch. Die Kosten für ein schweres Schlachtross, Waffen, Knappe, Knecht sowie die dazugehörige Verpflegung verschlangen, wenn sich ein Feldzug oder eine Belagerung in die Länge zogen, ein Vermögen. Dazu kamen Verluste infolge der Kriegshandlungen. Ein Pferd konnte getötet, eine Rüstung zerbeult, ein Schwert verloren gehen. Bei Gefangennahme des Ritters drohten zudem saftige Lösegelder. Die landwirtschaftlichen Erträge eines durchschnittlichen Lehnsgutes deckten die Unkosten meist bei Weitem nicht. Für die Zeit Kaiser Friedrichs II. ließ sich die Ausrüstung eines Panzerreiters bestehend aus Helm, Kettenhemd und Streitpferd auf etwa 23 sizilische Goldunzen berechnen, während ein Lehen mittlerer Größe im Jahresmittel gerade einmal 20 Unzen abwarf. Die meisten Ritter waren auf die Zahlungen ihrer Dienstherren daher angewiesen, wollten sie in der nächsten Friedensperiode nicht am Hungertuch nagen. Wie hoch die „Gage“ für die kämpfenden Reiterkrieger ausfiel, war individuell verschieden. Vornehmere Adlige mit besserer Ausrüstung und größerem Gefolge erhielten mehr als einfache Ritter mit Standardausrüstung.
„Einfache“ Ritter gab es im Mittelalter genug. Nicht jeder Reiterkrieger bekam ein Lehen ab, das ihm ein standesgemäßes Leben ermöglichte. Viele Herren mussten sich mit sehr kleinen Rittergütern begnügen oder erhielten erst gar keines, was bei nachgeborenen Söhnen aus dem Niederadel häufig vorkam. Sie waren von vornherein darauf angewiesen, einen Dienstherrn zu finden, in dessen Truppe sie gegen Bezahlung kämpfen konnten. Trat ein Ritter in die Gefolgschaft eines Höherrangigen ein, schloss er dazu einen Dienstvertrag ab, der Umfang, Dauer und Bezahlung des Kampfeinsatzes regelte. Es gab Verträge, die auf Lebenszeit abgeschlossen wurden oder nur für die Dauer eines Feldzuges, zuweilen auch nur für wenige Monate galten. „Vereinbart wird zwischen dem edlen Humfrey de Bohun, Earl von Hereford, auf der einen Seite und Sir Peter de Uvedale, Ritter, andererseits, dass besagter Sir Peter sein Leben lang bei besagtem Earl bleiben wird, wofür er Gewänder und Sättel – wie auch seine übrigen Ritter – und Verpflegung bei Hof empfangen wird, dazu Heu und Hafer für vier Pferde und Lohn für vier Burschen in Friedenszeiten, wenn er auf Geheiß des Earls zu Hofe kommt. Und in Kriegszeiten sowie zu Turnieren Heu und Hafer für acht Pferde und Lohn für acht Burschen. Und Entschädigung für Streitrösser, die er im Krieg in Diensten des Earls verliert“, hieß es beispielsweise in einer englischen Vereinbarung von 1318. Wer nicht auf Lebenszeit abschloss, konnte nach getaner Arbeit den Dienstherrn wechseln und in ein anderes Gefolge eintreten. Die Truppe eines Anführers konnte so von Feldzug zu Feldzug wechseln. In Italien hießen diese Verträge condotta, woher der Begriff des condottiere (Söldner) stammt.
Auf diese Weise kamen manche Ritter weit herum. Gerade im Spätmittelalter gab es eine Reihe von Kriegsschauplätzen, die Arbeit suchenden Rittern genügend Beschäftigung bot. Da gab es einmal den Hundertjährigen Krieg zwischen England und Frankreich, der über einen langen Zeitraum hinweg (von 1337 bis 1453) Söldnerscharen in Arbeit und Brot hielt, da gab es in Italien und Flandern reiche Handelsstädte, die im Kampf gegen Adel und Könige gutes Geld an jeden tüchtigen Ritter zahlten, der bereit war, für sie zu kämpfen, da gab es das französisch beherrschte Königreich Neapel, das einen langen Krieg mit Sizilien ausfocht, das der König von Aragon für sich beanspruchte, und nicht zuletzt bot auch der römisch-deutsche König mit seinem Vielfrontenkampf gegen Papsttum und lombardischen Städtebund ein reiches Betätigungsfeld.
Für die fürstlichen Auftraggeber war der bezahlte Ritterdienst Fluch und Segen zugleich. Einerseits kämpften die bezahlten Panzerreiter zuverlässig für ihre Dienstherren, und zwar so lange, wie sie Sold erhielten, andererseits trieb der Solddienst die Kriegskosten in exorbitante Höhen. So musste der Stauferkaiser Friedrich II. seine Justitiare im Königreich Sizilien immer wieder dazu anhalten, ihm Geld für die Anwerbung von Rittern zukommen zu lassen. Im September 1238 suchte er um 8000 Solidi nach, um seine Männer während der Belagerung von Brescia finanzieren zu können. Im Jahr 1240 bezahlte er den Rittern in seinem Heer fünf Goldunzen pro Monat. Basierend auf diesen überlieferten Zahlen hat man hochgerechnet, dass der Kaiser für ein Kontingent von 3000 Rittern in sechs Monaten bereits 90.000 Goldunzen aufbringen musste, den Lohn für mehrere Tausend Fußsoldaten und Kriegsknechte noch nicht mitgerechnet. Für eine komplette Truppe hatte der Staufer wohl um die 110.000 Goldunzen auf den Tisch zu legen. Da eine Viertel Unze bzw. eine Goldaugustale das Gewicht von 5,2 bis 5,3 Gramm Gold besaß, belief sich der Gegenwert hochgerechnet auf 2200 Kilogramm Gold – wohlgemerkt nur für einen sechsmonatigen Waffengang.
Friedrich II. zeigte sich in seinem Königreich Sizilien äußerst erfinderisch, diese Beträge aus seinem Land zu ziehen. Eine Vielzahl direkter und indirekter Steuern und eine strikt nach staatlichen Erfordernissen gelenkte Wirtschaft dienten dem Ziel, Gelder für den Krieg zu requirieren. Und doch reichte das Geld hinten und vorne nicht. Pro Jahr flossen ihm direkte Steuern in Höhe von etwa 120.000 bis 130.000 Goldunzen zu, den Rest musste er als Kredit bei italienischen Bankiers aufnehmen. Unschöne Finanztricks wie das Schlagen schlechter Münzen, die Enteignung von in Ungnade gefallenen Amtsträgern oder das Schröpfen kirchlicher Würdenträger hoben nicht gerade die Stimmung bei den Untertanen und schlossen die Finanzierungslücke nur unzureichend. Ein ums andere Mal beklagte sich der Kaiser in seinen Briefen, wie bitter nötig er das Geld habe. Der Sieg, schrieb er 1247 resigniert, hänge nur vom Aufbringen der nötigen Geldmittel ab. Ein Jahr später musste er gar die eigene Lebensführung einschränken, um „das nötige Geld zum Sieg“ zusammenzubekommen. Als Friedrich II. 1250 starb, hinterließ er ein verarmtes und ausgeplündertes Sizilien.
Den englischen und französischen Königen erging es während des Hundertjährigen Krieges nicht besser. Um überhaupt jemanden für den Krieg in „Übersee“ zu begeistern, versprach der englische König Edward III. bei Ausbruch der Kriegshandlungen 1337 seinen Kämpfern doppelten Lohn. Doch wenig später zahlte er wieder den bis dahin üblichen Preis von zwei Shilling pro Tag für jeden Ritter und einen Shilling für jeden Knappen. Schon im 12. Jahrhundert waren die englischen Könige dazu übergegangen, die Lehnsverpflichtungen in Geldzahlungen umzuwandeln, was praktisch auf eine Besteuerung der Lehen hinauslief. Jeder Vasall hatte eine bestimmte Geldzahlung, ein Schildgeld, zu entrichten, falls er keine Lust auf eine persönliche Teilnahme am Kriegszug hatte. Dies bescherte der englischen Krone einen regelmäßig hohen Geldeingang, mit dem sie besser motivierte Panzerreiter anwerben konnte, wovon sie im Hundertjährigen Krieg reichlich Gebrauch machte.
Die französischen Könige gingen noch einen Schritt weiter. Sie legten die Kriegskosten über indirekte Steuern auf die gesamte Bevölkerung um. Auslöser für diese Entwicklung war zunächst ein unvorhergesehener Unglücksfall: In der Schlacht von Poitiers (1356) fiel der französische König Johann II., der Gute, in englische Gefangenschaft. Für seine Auslösung musste ein horrendes Lösegeld von drei Millionen Écu aufgebracht werden. Da ein Écu rund 4,2 Gramm Gold enthielt, entsprach der Gesamtwert des Lösegeldes über 12 Tonnen Gold. Diese übermäßig hohe Summe war nur über indirekte Verbrauchssteuern zu finanzieren, die alle Franzosen gleichermaßen bezahlten. Nach Abzahlung des Lösegeldes wurde diese bequeme Einnahmequelle einfach beibehalten: Die Franzosen hatten damit eine erste regelmäßige Besteuerung aufgebrummt bekommen, die Könige eine erquickliche Finanzierungsmöglichkeit erschlossen, mit der sich Söldnerheere über einen längeren Zeitraum hinweg unterhalten ließen. Am Ende des Hundertjährigen Krieges mündete diese Entwicklung in den Aufbau eines stehenden Heeres, das auch in Friedenszeiten vom König bezahlt wurde. Man nannte diese Truppen nach den königlichen Erlassen Ordonnanztruppen. 1450 zählten diese Einheiten 10.800 Mann, 1478 bereits 25.000 Mann.
Einmal mehr war der Krieg zum Vater aller Dinge geworden: Um ein stehendes Heer zu unterhalten, bedurfte es regelmäßiger Steuereinnahmen, die wiederum nur durch eine effektive Steuerverwaltung mithilfe bezahlter Beamten einzutreiben waren. Der Aufbau einer modernen Bürokratie, an deren Spitze als oberster Dienstherr der König stand, war dafür vonnöten. Während Frankreich und England durch ein so gestärktes Königtum den Weg in einen frühneuzeitlichen Staat beschritten, zeichneten sich innerhalb des Kriegswesens ebenfalls folgenreiche Veränderungen ab. Aus dem mittelalterlichen Ritter ging der bezahlte Reitersoldat hervor, der unabhängig von Lehnsdiensten langfristig in einem stehenden Heer diente und weniger als Einzelkämpfer denn als Anführer einer größeren Truppeneinheit hervortrat. Der Ritter wandelte sich allmählich zum Offizier, eingebunden in ein vom König kontrolliertes, von strenger Disziplin und strikter Hierarchie geprägtes Heerwesen.
Für die Ritter hatte das System des bezahlten Dienstes durchaus seine Vorteile. Sie konnten sich über steigende Löhne freuen. Im kriegszerrütteten Italien zahlte man um die Mitte des 14. Jahrhunderts für einen einfachen Ritter mit Beipferd zwischen neun und 11 Gulden im Monat, was ein einträgliches Geschäft war. Gerade die finanzstarken italienischen Kommunen, die im beständigen Streit untereinander lagen, bezahlten ihr militärisches Personal gut, achteten dafür aber auch besonders auf die Qualität der Waffen und Pferde und überprüften diese auch. Trotzdem plagte die Ritter die Angst vor der „Arbeitslosigkeit“. Schließlich konnten bezahlte Truppen genauso schnell entlassen wie angeworben werden. Gerade im Winter, der für Feldzüge eher ungeeigneten Jahreszeit, wurden die Truppenstärken oft drastisch reduziert. So standen während einer französischen Operation von 1339/40 im Winter weniger als 2000 Mann unter Waffen, während im Frühjahr, zu Beginn der Feldzugssaison, 4000 Mann angeworben und diese Zahl bis zum September auf 22.000 Mann erhöht wurde. Ein kurz darauf abgeschlossener Waffenstillstand erbrachte dann die Entlassung fast der kompletten Truppe.
Was tun, wenn man aus heiterem Himmel plötzlich auf der Straße stand? Viele Ritter blieben dann einfach zusammen und suchten sich gemeinsam ein neues Betätigungsfeld. So geschah es nach dem Tod Kaiser Heinrichs VII. 1313 in Italien. Sein Tod zog die sofortige Auflösung seines Heeres nach sich, doch viele seiner Ritter weigerten sich, nach Deutschland zurückzukehren, und sahen sich nach neuen Auftraggebern in Italien um. Weitere Ritter kamen im Gefolge Ludwigs des Bayern 1327 nach Italien und blieben dort, als Ludwig seinen Leuten keinen Sold mehr bezahlen konnte. Die „freischaffenden“ deutschen Ritter bildeten 1339 einen größeren Zusammenschluss, eine Kompanie, die sich nach dem Ritterheiligen St.-Georgs-Kompanie nannte. Sie arbeitete als mobile Söldnerschar sowohl zum eigenen Vorteil wie auch für wechselnde Auftraggeber. Unter dem Oberbefehl des aus Mailand vertriebenen Lodrisio Visconti zog die Kompanie brennend und sengend durch die Lombardei, bis sie von einem Mailänder Heer in der blutigen Schlacht von Parabiago geschlagen wurde.
Unter der tatkräftigen Hand des aus einem schwäbischen Rittergeschlecht aus der Nähe Rottweils stammenden Werner von Urslingen reorganisierte sich die Kompanie nach dieser Niederlage jedoch bald wieder neu. Werner von Urslingen kannte keine Skrupel, wenn es ums Geschäft ging. Provokanterweise nannte er sich „Herzog Werner, Herr der großen Kompanie, Feind Gottes, des Mitleids und des Erbarmens“. Während der Herzogstitel eine leere Anspielung auf die lang zurückliegende Belehnung seiner Familie mit dem Herzogtum Spoleto durch die Staufer ohne realpolitischen Gehalt war, war der Rest des Wappenspruches durchaus ernst gemeint. Im Auftrag diverser italienischer Stadtherren verbreitete Werner von Urslingen gezielten Terror gegen die Bevölkerung der gegnerischen Partei, plünderte Kleinstädte und Dörfer, raubte Kirchen und Klöster aus. Die Gewaltbereitschaft der Kompanie war so gefürchtet, dass schon die Androhung der Brandschatzung genügte, um Städte und Bürger zu saftigen Prämienzahlungen zu bewegen. Die hohen Einnahmen führten der Kompanie immer neue kampfbereite Ritter zu. Zu Spitzenzeiten umfasste sie mehr als 4000 Panzerreiter, wobei viele dieser kriegserfahrenen Herren nur eine oder maximal bis zu drei Feldzugssaisons blieben. Vor allem Ritter aus Schwaben, Bayern, Franken und dem Rheinland fanden ihren Weg über die Alpen, im 14. Jahrhundert insgesamt schätzungsweise mehrere Zehntausend. So herrschte in der Kompagnie ein ständiges Kommen und Gehen, das nur durch ein strenges Reglement in der Truppe zu zügeln war, um keine Streitigkeiten und Eifersüchteleien aufkommen zu lassen. Die einzelnen Fähnleinführer oder Bannerherren besaßen ein hohes Mitspracherecht bei allen Entscheidungen. Sie schlossen gemeinsam mit Werner von Urslingen die Soldverträge ab. Es gab eine gemeinsame Kasse, in der die gesamte Beute wie auch die Lösegeldzahlungen flossen und aus der jeder Teilnehmer seinen geregelten Anteil erhielt. Über die Einnahmen und Ausgaben wurde genau Buch geführt. Für die meisten Ritter lohnte sich der Dienst in der Kompagnie, sie kehrten reich mit Beute beladen in ihre Heimatregionen zurück, so auch Werner von Urslingen selbst, der 1351 schließlich mit einem satten Vermögen in der Tasche zurück nach Schwaben reiste.
Nach Werner von Urslingen führten Montreal d’Albano und nach dessen Hinrichtung in Rom (1354) Konrad von Landau die große Kompanie. Landau, der zu einer Nebenlinie des württembergischen Grafengeschlechts von Grüningen-Landau gehörte, umriss seinen Auftrag ganz im Sinne seines Waffenbruders Werner von Urslingen mit folgenden treffenden Worten: „Es ist unser Brauch, zu rauben, zu plündern und jeden zu töten, der Widerstand leistet. Unser Einkommen speist sich aus dem Vermögen der Provinzen, in die wir einfallen: wem sein Leben lieb ist, der zahlt für Frieden und Ruhe vor uns einen gesalzenen Preis.“ Zunächst kämpfte er im Auftrag einer gegen die Visconti-Herrschaft gerichteten Liga gegen Mailand, dann trat er in die Dienste Sienas, um gegen Perugia zu kämpfen. Er verdiente so gut, dass er seine verschuldeten Güter auslösen und seine Stammburg zurückkaufen konnte. Seine zügellosen und brutalen Plünderungen provozierten 1358 jedoch einen Aufstand der von ihm gequälten Landleute, die ihm und seinen Gesellen an einem Tal-Engpass eine schwere Schlappe beibrachten.
Zum Verhängnis wurde Konrad von Landau aber nicht der Zorn der Bevölkerung, sondern die zunehmende Konkurrenz auf dem italienischen Kriegsschauplatz. Das lukrative Geschäft mit dem Terror entdeckten nämlich auch andere für sich. Als der Vertrag von Brétigny 1360 die Kampfhandlungen zwischen Frankreich und England vorläufig beendete, bildeten englische und gascognische Ritter eigene Kompanien unter selbst gewählten Anführern und verwüsteten das Land. Eine der Kompanien war so mächtig, dass sie eine ganze Stadt, Pont-Saint-Esprit im Rhonetal, einnehmen konnte und von dort aus verheerende Raubzüge startete. Selbst der Papst sah sich angesichts des allgemeinen Unwesens zum Handeln genötigt und rief 1361 zum Kreuzzug gegen die Kompanien auf, doch vergeblich. Sogar ein königliches französisches Heer unter der Führung Jacques de Bourbons kam den kampferprobten Haudegen in offener Feldschlacht nicht bei und musste sich bei Brignais 1362 geschlagen geben.
Besonders gefürchtet war die Weiße Kompanie – so genannt nach den weiß glänzenden Brustpanzern ihrer kämpfenden Mitglieder –, die anfangs unter der Führung eines Deutschen, Albert Sterz, stand und sich durch eine außerordentlich gute Kommandostruktur auszeichnete. Der Markgraf von Montferrat schätzte ihren Kampfwert so hoch ein, dass er sie nach Italien holte, um sie gegen die Truppen Konrads von Landau einzusetzen. Albert Sterz, dessen Geburtsort unbekannt ist, hatte sein Handwerk in den Kämpfen des Hundertjährigen Krieges von der Pike auf gelernt. Plündernd zog er durch die Lombardei. Konrad von Landau versuchte noch, durch einen Waffenstillstand das drohende Unglück zu verhindern, doch 1363 wurde er von der Weißen Kompanie unter Albert Sterz besiegt und fand in der Schlacht den Tod. Sterz trieb sein Unwesen in Italien noch eine Weile weiter, bis er 1365 in Perugia durch den Henker den Tod fand.
Zum erfolgreichsten Söldnerführer seiner Zeit stieg jedoch John Hawkwood auf, der seit 1361 in der Weißen Kompanie nachweisbar ist. Er stammte aus Essex und war der zweitgeborene Sohn eines Gerbers und Kleinpächters. Angeblich soll er bei einem Schneider in London zur Lehre gegangen sein. Hawkwood gelangte über die Werbungen König Edwards III. auf den Kontinent, wo er sich in den Kämpfen gegen Frankreich bewährte und zum Ritter geschlagen wurde. Als Führer der Weißen Kompanie stand er seit den 1360er-Jahren in Diensten Pisas, Mailands, des Papstes und schließlich von Florenz. Seine militärischen Leistungen brachten ihm so viel Ruhm ein, dass er 1377 sogar die uneheliche Tochter Bernabo Viscontis, des Herrn von Mailand und einer der reichsten Männer Italiens, ehelichen durfte. Bei seinem letzten Arbeitgeber, der Stadt Florenz, genoss er eine außergewöhnliche Popularität. Er erhielt einen fürstlichen Sold von 130.000 Golddukaten im Jahr und bekam den Titel eines Capitano del popolo verliehen. Als der Engländer nach einem erfüllten Leben 1394 starb, richtete ihm die dankbare Stadt ein würdevolles Begräbnis aus und verewigte ihn sogar mit einem Fresko in Florentiner Dom, das in der späteren Fassung von Paolo Uccello (1436) den Helden in fürstlicher Pose auf seinem Streitross zeigt. Die Inschrift auf dem Podest des gemalten Reiterdenkmals weiß die Verdienste des Condottieres gebührend herauszustellen: „John Hawkwood, britischer Ritter, galt als bedachtsamster und im Kriegswesen erfahrenster Heerführer seiner Zeit.“ Sein beispielhafter Aufstieg vom plündernden Söldner zum anerkannten Kriegsunternehmer sollte in der Frühen Neuzeit noch Schule machen.