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Vorwort des Herausgebers

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In meiner langjährigen paartherapeutischer Praxis habe ich es mir zur Gewohnheit gemacht, schon im ersten Gespräch nach der Sexualität des Paares zu fragen. Diese Frage ist ja nicht nur dafür gedacht herauszufinden, ob und in welcher Weise sexuelle Schwierigkeiten oder Konflikte zu den möglichen Problembereichen in der Paarbeziehung gehören. Sie hilft ganz allgemein zu klären, inwiefern Sexualität überhaupt als spezifische Ressource zur Bewältigung von Beziehungsproblemen in Betracht kommt bzw. ob darin womöglich bislang ungehobene oder vernachlässigte Potenziale für die persönliche Entwicklung der Partner verborgen liegen. Interessanterweise begegne ich immer wieder Paaren, die bereits (mehr oder weniger erfolgreiche) paartherapeutische Vorerfahrungen gemacht haben, aber dabei überhaupt nicht über ihre Sexualität als Paar gesprochen haben. Auf die Frage „Wieso nicht?“ erhalte ich als Antwort des öfteren, dass sie schlicht nicht danach gefragt worden seien – und das Thema von sich aus auch nicht angesprochen haben, weil sie unsicher waren, wie die Therapeuten damit umgehen würden; weil sie unsicher waren, wie man über dieses heikle Thema reden könne; und nicht zuletzt, weil schließlich die Therapeuten am besten wissen müssten, was in der Therapie zur Sprache kommen solle.

Dem entspricht auf der anderen Seite die Erfahrung, dass ich in meiner systemtherapeutischen Supervisions- und Weiterbildungstätigkeit häufig mit Ängsten und Hemmungen auch auf Seiten der erfahreneren Kolleginnen und Kollegen konfrontiert bin, das Thema Sexualität in der Arbeit mit ihren Klienten aktiv anzusprechen.

Beide Tendenzen führen im ungünstigen Fall dazu, dass das Thema Sex sowohl auf Klienten- als auch auf Therapeutenseite zwar als bedeutsam, aber auch als so schwierig und heikel empfunden wird, dass ein Gespräch darüber eher vermieden wird. Die damit verbundene – situative – Erleichterung, um ein schambesetztes Thema herumgekommen zu sein, ist aber nur um den Preis zu haben, dass ein therapeutisch höchst relevanter Erlebens- und Erfahrungsbereich in der Therapie ausgeblendet wird oder sehr zu kurz kommt.

Die immer noch verbreitete Idee, dass die Bearbeitung von sexuellen Themen Gegenstand einer eigenen Disziplin, nämlich der Sexologie oder der Sexualtherapie, vorbehalten bleiben sollte, verstärkt dabei eher noch die Hemmungen, diese Bearbeitung in die eigene psychotherapeutische Praxis zu integrieren. Umso erfreulicher ist es, dass mit diesem schlanken und gut geschriebenen Band der dänischen Psychotherapeutin Karina Kehlet Lins ein eindrückliches Plädoyer für einen entspannten, souveränen und leichtfüßigen Umgang mit dem Thema Sexualität in der alltäglichen therapeutischen Arbeit mit Einzelnen und Paaren vorliegt, das dazu ermutigt, sich intensiver mit diesem Thema auseinanderzusetzen. Es bietet zunächst eine Fülle von sachlichen Informationen, die die alltägliche Relevanz des Themas aufzeigen und geeignet sind, das Thema aus der „sexologischen“ Ecke herauszuholen.

Die zentrale Botschaft lautet, dass die Verantwortung für eine behutsame, aber dennoch entschiedene Thematisierung der sexuellen Erfahrungen und Beziehungen der Klienten im therapeutischen Prozess ganz bei den Therapeuten liegt – wobei den Klienten jederzeit die Kontrolle über das Maß und den Zeitpunkt der damit verbundenen Selbstöffnung zugestanden werden muss. Auf diese Weise kann von Anfang an deutlich gemacht werden, dass das Thema Sex im therapeutischen Gespräch einen guten Platz hat, der genutzt werden kann, aber nicht muss.

Wie man ein gutes „Sprechen über Sex“ initiieren kann, dafür gibt es in diesem Buch viele hilfreiche, praxisbezogene Beispiele und Formulierungen. Mindestens genauso wichtig wie die Frage des „Wie“ ist jedoch die Klärung der eigenen Haltung und der möglichen Hemmungen, Tabus, Vorurteile oder negativen Reaktionen der Professionellen: in Bezug auf Sexualität im Allgemeinen wie auf spezifische sexuelle Präferenzen und Praktiken im Besonderen. Ohne eine ausreichende Selbstreflexion und Selbsterfahrung – deren es bedarf, um den therapeutischen Prozess nicht mit eigenen Einstellungen und Projektionen, Ängsten oder Bedürfnissen aufzuladen – wird man den Klienten nicht wirklich gerecht werden können.

Auf alle diese Fragen geht Karina Kehlet Lins auf eine angenehme und direkte Art ein. Sie ermutigt diejenigen, die sich diesem Thema bislang eher zögerlich genähert haben, nicht darauf zu warten, ob und wann es von den Klienten angesprochen wird, sondern es selbst und aktiver als bisher aufzugreifen. Das Buch vermittelt gleichzeitig, dass das Sprechen über Sex nicht anstrengend sein muss, sondern wie auch Sexualität selbst mit Interesse, Neugier und einer positiven Einstellung einhergehen sollte. Sprechen über Sex kann man lernen – das gilt für Klienten und Therapeuten gleichermaßen.

Tom Levold

Herausgeber der Reihe Systemische Therapie und Beratung

Sprechen über Sex

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