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Vorwort

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Wenn ich in meiner eigenen Praxis signalisiere, dass das Ansprechen sexueller Themen willkommen ist, erlebe ich immer wieder, wie erleichtert meine Klienten darüber sind – viele Menschen haben Fragen oder Sorgen sexueller Art. Auch in meinen Kursen für medizinische Behandler im Gesundheitswesen wird deutlich, dass die Nachfrage nach qualifizierter Hilfe bei sexuellen Problemstellungen groß ist. Viele Therapeuten, Ärzte und andere Fachkräfte äußern das Bedürfnis zu lernen, wie sie sexuelle Themen leichter ansprechen und ein konstruktives Gespräch über Sex führen können. Leider gibt es dazu erstaunlich wenig Literatur. Ich bin auch gebeten worden, dieses Buch zu schreiben, weil es immer noch viele Pflegekräfte, Therapeuten und Ärzte gibt, die sich nicht trauen, das Thema anzusprechen.

Es hat mir großes Vergnügen bereitet, dieses Sachbuch zusammenzustellen, und zugleich war es eine große Herausforderung. Das Thema ist nahezu unerschöpflich, und es fiel mir nicht immer leicht, mich zu beschränken. Das Anliegen, im Gesundheitswesen häufigere und gute Gespräche über Sexualität anzuregen, ist mir so wichtig, weil die Befähigung dazu potenziell vielen Menschen nützt (Graugaard, Møhl og Hertoft 2006). Von daher ist es problematisch, dass viele Fachkräfte im Gesundheitsbereich sich in dieser Hinsicht nicht gut vorbereitet fühlen, weil sie nie darin geschult worden sind, über Sex zu sprechen.

Darüber hinaus stellen die zahlreichen komplexen Problemstellungen, die mit dem Thema Sexualität verbunden sind, eine Herausforderung dar. Es besteht Unsicherheit, wie man mit schwierigen Themen wie z. B. nachlassender Lust oder Affären umgehen kann. Viele Menschen glauben, dass man über besonderes Spezialwissen verfügen muss, um über sexuelle Fragestellungen zu sprechen. Auch Ärzte und Therapeuten weichen aus diesem Grund oft vor Gesprächen über Sex zurück.

Die Beschäftigung mit der Sexualität ist jedoch schon deshalb wichtig, weil ein gutes Sexualleben bei 90 % aller Dänen ganz oben auf dem Wunschzettel steht. Im deutschsprachigen Raum liegt die Zahl etwas niedriger, aber es stimmen immerhin 75 % der Befragten der Aussage »Sex ist mir wichtig« zu.1 Die Wahrscheinlichkeit, dass Menschen ihr Leben als gesund, sinnvoll und gut empfinden, erhöht sich, wenn sie ein erfülltes Sexualleben haben (Graugaard, Pedersen og Frisch 2015).

Klienten, denen es schwerfällt oder die es als grenzüberschreitend erleben, selbst ein sexuelles Thema anzusprechen, nehmen es oft als befreiende Einladung auf, wenn sie nach ihrem sexuellen Befinden gefragt werden. Leider »vergessen« viele Fachkräfte, ihr Sachwissen einzubringen, wenn ihre Klienten Bedürfnisse und Probleme sexueller Art haben (Johansen, Thyness og Holm 2001).

In den Medien wird nahezu ununterbrochen über Sex gesprochen. Paradoxerweise tragen die vielen gut gemeinten Ratschläge, die beispielsweise in Zeitschriften verbreitet werden, in weiten Teilen der Bevölkerung noch zusätzlich zur Unsicherheit bei (Tiefer a. Hall 2010). Sexuelle Herausforderungen sind ganz normal – alle Menschen haben irgendwann im Laufe ihres Lebens Probleme mit ihrer Sexualität. Viele Untersuchungen aus den vergangenen Jahrzehnten verdeutlichen den Widerspruch zwischen den saftigen Beschreibungen in den Medien, wie Sex sein sollte, und dem spartanischen sexuellen Alltag, den viele Menschen erleben (Schmidt 1996).

Das Ziel dieses Buches ist es, professionellen Helfern im Gesundheitswesen Unterstützung zu bieten, um besser auf Gespräche über Sex vorbereitet zu sein. In diesem Bereich kommen alle Fachkräfte auf die eine oder andere Weise mit der Sexualität von Klienten in Berührung. Und es wäre schön, wenn wir auch hier eine Fachkompetenz einbringen könnten, wie wir sie uns während der Ausbildung angeeignet haben. Dieses Buch stellt daher eine Ergänzung zu dem bereits vorhandenen Wissen dar. Es besteht aus einer Mischung aus Theorie, Praxis und Übungen. Zusammen mit Einführungen in die verschiedenen Aspekte, die zu einem guten Gespräch über Sex dazugehören, geben sie dem Leser das Rüstzeug für die weitere Arbeit mit. Die Lektüre ersetzt jedoch keinesfalls die Erfahrung – Übung kann man nur dann erlangen, wenn man den Anstoß für die entsprechenden Gespräche gibt. Ist man offen für das Thema, werden sie sich schnell von selbst ergeben.

Ich benutze den Begriff »Sprechzimmer« nicht nur, um die Arbeitsräume des Therapeuten zu bezeichnen; das Wort wird hier in einem weiteren Sinne verwendet und bezieht auch solche Gesprächssituationen und -räume mit ein, die sich bei passender Gelegenheit ergeben, z. B. in einem Krankenzimmer oder Behandlungsraum.

Auch wenn das Thema Verhütung für manche Leser in Gesprächen über Sexualität die größte Rolle spielen mag, werde ich dieses Thema hier nicht behandeln. Ich bin eine begeisterte Anhängerin von »Safer Sex« und hoffe, dass ich niemanden daran erinnern muss, dass dieser sowohl Schwangerschaften als auch vielen geschlechtlich übertragenen Krankheiten vorbeugen kann.

Wenn ich in diesem Buch das Wort »Paar« benutze, dann fasse ich den Begriff so inklusiv wie möglich und meine damit sowohl verheiratete Paare als auch Paare, die »ohne Trauschein« zusammenleben, Paare in offenen Beziehungen, Paare, die nicht zusammenwohnen, und polyamouröse Beziehungen.

Da ich Psychologin bin und niemanden unnötig als krank bezeichnen möchte, ziehe ich meistens den Begriff »Klient« dem des Patienten vor und schließe Menschen aller sexuellen Orientierungen und Geschlechteridentitäten ein.

Das Buch enthält keine erschöpfende Darstellung sexueller Problemstellungen und Therapien, da es dazu bereits viele gute Bücher und Artikel gibt. Wer sich in das eine oder andere Gebiet vertiefen möchte, sei auf das Literaturverzeichnis am Ende des Buches verwiesen.

Das Buch enthält kleine Übungen, und ich empfehle Ihnen, die Antworten aufzuschreiben, statt sie nur zu denken. Durch das Aufschreiben zwingen Sie sich selbst dazu, Gefühle und Erlebnisse in Worte zu fassen, und können sich viel besser in die Details vertiefen. Dadurch können neue und wichtige Einsichten entstehen. Außerdem lassen sich auf diese Weise Themen zu einem späteren Zeitpunkt wieder aufgreifen. Sie können die Fragen selbstverständlich auch in Gedanken für sich bearbeiten oder mit Freunden und Kollegen besprechen.

Wie sich im Verlaufe des Buches zeigen wird, gibt es keine bestimmten Regeln dafür, wie Gespräche über Sex geführt werden sollten. Daher enthalten die folgenden Kapitel kein geradliniges Rezept. Stattdessen versuche ich, mit meinen Ratschlägen eine Richtung vorzugeben, und verstehe sie als Katalysatoren, die das Gespräch in Gang bringen können. Ich wünsche mir, dass Sie auf der Grundlage Ihrer eigenen Erfahrungen Ihren ganz persönlichen Stil entwickeln.

Wer mit seinen Klienten bereits über sexuelle Themen spricht, kann mithilfe dieses Buchs sein Wissen auf den neuesten Stand bringen. Der eine oder andere neugierige Leser möchte vielleicht auch einfach in seinem Privatleben bessere Gespräche über Sexualität führen. Ich hoffe, dass dieses Buch dazu beiträgt. Wie die folgenden Kapitel zeigen werden, ist der Bedarf danach groß.

Viel Spaß beim Lesen!

Karina Kehlet Lins

Kopenhagen, im Januar 2020

This ain’t about the body, it’s about the mind.

PRINCE – SEXY M.F.

1Vgl. https://de.statista.com/statistik/daten/studie/413487/umfrage/umfrage-in-deutschlandzur-wichtigkeit-von-sex-nach-alter/.

Sprechen über Sex

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