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Publicani

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Die dynamischsten und deshalb auch wirtschaftlich bedeutsamsten Organisationen aber bildeten die Gruppen der publicani, ein Begriff, der mit den üblichen Übersetzungen „Staatspächter“ oder „Steuerpächter“ nur völlig unzulänglich erfaßt wird. Denn diese Gesellschaften übernahmen, spätestens seit dem 3. Jahrhundert v. Chr., alle wirtschaftlichen und finanziellen Großaufträge, die der römische Stadtstaat wegen seiner nur rudimentären Verwaltung gar nicht in eigener Regie erledigen konnte. Den publicani fielen so große Teile der Heeresversorgung ebenso zu wie die Errichtung von Großbauten, vor allem jedoch der Einzug von Steuern und Abgaben in den römischen Provinzen, Zöllen, Pachtbeträgen und anderen Leistungen, aber auch die Ausbeutung der Minen und Salinen.

In allen diesen Fällen schossen die Gesellschaften dem römischen Staat die entsprechenden Beträge vor, für einzelne Aufgaben war somit ein ganz erhebliches Kapital erforderlich, um sie übernehmen zu können. Andererseits lockte eine zumindest ausreichende Profitrate, die im Laufe der Zeit immer stärker anstieg. Die vorgeschossenen Summen wurden jedenfalls in den Provinzen mit Zins und Zinseszinsen und allen nur denkbaren Aufschlägen, Sporteln, Gebühren und Entschädigungen unter dem Schutz der staatlichen Autorität kassiert. Die für moderne Begriffe fast unbegreifliche Schlüsselstellung, die somit die publicani der späten Republik einnahmen, erklärt sich nur durch den erstaunlich weiten Freiraum in den Sektoren der Administration und Wirtschaft, den sie gemäß der Struktur des Stadtstaates Rom ausfüllen konnten.

Es wäre sicher falsch, die Rolle der publicani von Anfang an zu dämonisieren, denn das System der so weitgehenden Übernahme öffentlicher Aufgaben durch private Unternehmer konnte sich theoretisch durchaus bewähren, solange es von wirklich unabhängigen Persönlichkeiten der römischen Führungsschicht effektiv überwacht wurde. Andererseits sollte man aber auch die durch dieses System eben geradezu provozierten Ansätze zu Betrug, Ausbeutung und Exzessen aller Art nicht beschönigen, wozu neuerdings wohl einige Neigung besteht. Es läßt sich nicht leugnen, daß schon beim ersten literarisch faßbaren Auftreten der publicani im 2. Punischen Krieg — im Jahre 215 v. Chr. begegnen 3 Gesellschaften mit insgesamt 19 Mitgliedern — betrügerische Manipulationen erkennbar werden, die immer dann eintreten mußten, wenn der Staat Bürgschaften und Schadensersatzgarantien übernahm.

Die Rolle der publicani in der späten Republik ist nur dann zu verstehen, wenn das prinzipielle Verhältnis dieses Staates zum Bereich der Wirtschaft bedacht wird. Grundstruktur, Interessenlage und kollegiale Regierungspraxis des Senates erklären den konsequenten Verzicht auf die Übernahme wirtschaftlicher und finanzieller Großaufgaben in unmittelbare staatliche Regie. An der Ausbildung einer kontinuierlich wirkenden Wirtschafts- und Steuerverwaltung, ja Bürokratie überhaupt, für die es in den hellenistischen Staaten längst Vorbilder gab, konnte die römische Aristokratie kein Interesse haben, da sie die Gefahr der Verselbständigung solcher Organe und der aus ihnen erwachsenden neuen Abhängigkeiten sah.

Es ist zudem nicht zu verkennen, daß die römische Führungsschicht des 3. und 2. Jahrhunderts v. Chr. lange Zeit in den alten agrarischen Perspektiven befangen blieb. Es wurden ihr weder die wirtschaftlichen Rückwirkungen der römischen Expansion noch die großen sozialen Veränderungen im Staat rechtzeitig bewußt. Auf Spezialkenntnisse und Erfahrungen, zum Beispiel im Finanzbereich, ohne die eine Administration des Imperiums nicht mehr auskommen konnte, hatte sie großenteils verzichtet. Diese wuchsen jetzt dem Ritterstand zu und erklären zum Teil, warum gerade er dann unter dem Principat hier sein weitestes Betätigungsfeld fand. Der Mangel an einem ausreichenden Instrumentarium der Römischen Republik zur Herrschaftssicherung, Steuer- und Wirtschaftsorganisation und -Verwaltung erklärt naturgemäß auch die Bevorzugung der indirekten Beherrschung des hellenistischen Ostens.

An den Gesellschaften der publicani waren von Anfang an einzelne Ritter beteiligt, equites, die freilich weder als geschlossene „Offiziersklasse“ noch als „Kapitalistenklasse“ bezeichnet werden sollten, obwohl sich — stark vereinfacht gesehen — ihre soziale Stellung zwischen diesen Polen bewegte. Jedenfalls ergab sich angesichts der oben skizzierten Lage für die Römische Republik das dringende Problem, die wirtschaftlich führenden, dynamischen und immer weiter expandierenden Gruppen, die politisch keineswegs adäquat repräsentiert waren, voll zu integrieren. Dabei ist davon auszugehen, daß der Senat als einzige Korporation innerhalb der Republik, die faktisch die Politik bestimmte, in sozialer Hinsicht auch noch im 2. Jahrhundert v. Chr. nahezu ausschließlich eine Versammlung von mittleren oder größeren Großgrundbesitzern war. Die lex Claudia de nave senatorum von 218 v. Chr., die römischen Senatoren den Besitz von Schiffen untersagte, welche mehr als 300 Amphoren befördern konnten, und sie damit von allen großen Transport- und Fernhandelsgeschäften ausschloß, kann durchaus auch so interpretiert werden, daß noch zu Beginn des 2. Punischen Krieges gerade diese sozio-ökonomische Geschlossenheit der führenden Gruppe konserviert werden sollte, was dann auch tatsächlich geschah.

Es ist immer wieder darauf hingewiesen worden, daß es zwischen Rittern und Senatoren keine unüberwindlichen Schranken gab und daß Ritter zunächst in einzelnen Fällen, unter Sulla sogar in einem großen Schub in den Senat aufgenommen wurden. Doch bleibt festzuhalten, daß die Ritter niemals in einer ähnlichen Weise korporativ organisiert waren, daß sie niemals als Stand so geschlossen in Erscheinung traten und wirkten, wie dies bei den Senatoren der Fall gewesen ist. Dabei ist freilich zu berücksichtigen, daß die Ritter wie die übrigen wirtschaftlich besonders aktiven Bürger und erst recht natürlich die Freigelassenen gar kein Interesse daran besaßen, selbst die Lasten der politischen Karrieren zu übernehmen, von denen später noch zu sprechen sein wird.

Ganz im Gegensatz zu dem Druck, den die reichen Plebejer im Ständekampf ausgeübt hatten, einem Druck, der schließlich zur vollen politischen Gleichberechtigung der reichen plebejischen Geschlechter führte, entwickelten die Ritter anfangs keine übertriebenen politischen Ambitionen, jedenfalls stellten sie in der 1. Hälfte des 2. Jahrhunderts v. Chr. den politischen Führungsanspruch des Senates nicht in Frage. Sie hatten dazu auch so lange gar keinen Grund, als ihnen die Senatspolitik jedes wirtschaftliche Betätigungsfeld, das sie sich nur wünschen konnten, öffnete und sie umgekehrt keine größere politische Verantwortung zu tragen brauchten. Blicken wir voraus, so erfolgte die Politisierung dieser sozialen Gruppe, die im wirtschaftlichen Sektor führend werden sollte, erst unter den Gracchen, ihren größten Einfluß im politischen und administrativen Sektor erreichten die Ritter erst in der Kaiserzeit. Parallel zu dieser Entwicklung lief nun freilich eine zweite, die schon hier wenigstens in einem Satz angedeutet werden muß, nämlich die im Laufe der Zeit immer stärkere unmittelbare Betätigung der Senatoren in allen Wirtschaftszweigen, die in dieser Weise für die frühe Republik undenkbar war.

Als weiterer Hauptfaktor der Entwicklung sind die Auswirkungen einer intensivierten Geldwirtschaft gerade in der wirtschaftlichen Expansionsphase nach den Punischen Kriegen zu berücksichtigen. Zwischen 213 und 211 v. Chr. ist in Rom im Denar jene Währungseinheit geschaffen worden, die innerhalb weniger Jahrzehnte zur Weltwährung des gesamten Mittelmeerraumes werden sollte. Damit hatte Rom in seinem engeren, lokalen Wirtschaftsgebiet eine Entwicklung nachgeholt, die in den alten Handelszentren des Ostens schon drei Jahrhunderte vorher initiiert worden war, aber damit wurde es nun auch sehr bald in jene Folgen verstrickt, welche die fortgeschrittene Wirtschaftsweise überall, nicht nur für die Intensivierung der Produktion und des Handels, sondern gleichzeitig auch für die Konzentration der Vermögen nach sich zog. Sehr bald kam es jetzt zur Bildung außerordentlich großer Vermögen auf der einen und zu drückender Armut auf der andern Seite. Wir werden auf diese soziale Polarisierung unten ausführlicher eingehen, hier muß es genügen, festzuhalten, daß einerseits die Gewinnmöglichkeiten der im Agrarsektor tätigen Kleineigentümer und jene der freien Handwerker sehr bescheiden waren, während andererseits Senatoren und Ritter über fast unbegrenzte Chancen zur Vermögensanhäufung verfügten.

Krise und Untergang der römischen Republik

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