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Sklaverei

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Als letzter Komplex innerhalb des Bereiches der Wirtschaftsentwicklung ist die Sklaverei zu erörtern, von der einzelne Aspekte bereits gestreift wurden. Zunächst zu deren Ausmaß, zu den Fragen der Sklavenzufuhr und des Sklavenhandels. Nachdem, wie oben erwähnt, mit der lex Poetelia von 326 v. Chr. die Schuldsklaverei beseitigt war, nahmen für einen längeren Zeitraum versklavte Kriegsgefangene die wichtigste Stelle in der Zufuhr von Sklaven auf dem Arbeitsmarkt ein. Nach einer Berechnung von T. Frank sind allein in dem Zeitraum zwischen 200 und 150 v. Chr. rund 250.000 Kriegsgefangene als Sklaven verkauft worden, nach einer keineswegs unkritischen Aufstellung von Frau Schtajerman liegt die Gesamtzahl der verkauften Kriegsgefangenen zwischen dem 2. Punischen Krieg und der Zeit Caesars mindestens über 500.000 Personen. Nun besagen solche Zahlen an sich noch nicht allzuviel. Sie gewinnen ihre richtigen Proportionen erst dann, wenn sie zur Zahl der Gesamtbevölkerung in Beziehung gesetzt werden: Die Gesamtzahl aller freien männlichen römischen Bürger über 17 Jahren, einschließlich der Freigelassenen und der besitzlosen Proletarier, belief sich nach den rö mischen Censuslisten zum Beispiel im Jahre 179 v. Chr. auf 258794. Die Schätzung von T. Frank erscheint demnach ziemlich plausibel, daß um die Mitte des 2. Jahrhunderts v. Chr. im Italien südlich des Rubico eine freie Gesamtbevölkerung von etwa 4 Millionen Einwohnern lebte, während die Gesamtzahl der Sklaven 1 Million noch nicht erreichte.

Immerhin rechtfertigen es diese Zahlen und die Funktion der Sklaven im Rahmen der allgemeinen Wirtschaftsentwicklung durchaus, in ihnen das charakteristische Element der Wirtschaftsformation zu sehen. Denn, um einen Hinweis von M. I. Finley aufzunehmen: Auch in den Südstaaten der USA bildeten die Negersklaven am Vorabend des Bürgerkriegs lediglich rund ein Drittel der Gesamtbevölkerung, während umgekehrt drei Viertel der Weißen überhaupt keine Sklaven besaßen. Dennoch wird die entscheidende Rolle der Sklaverei in der Wirtschaftsstruktur der Südstaaten der USA in der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts nicht bestritten.

Die Tatsache, daß zunächst weithin ehemalige Kriegsgefangene das Hauptkontingent der Sklaven stellten, darf nun freilich nicht so einseitig bewertet werden, wie dies einst bei Max Weber geschah. Da Weber die „natürliche Reproduktion“ der Sklaven praktisch ausschloß, waren für ihn die großen Eroberungskriege Roms auch das wichtigste Mittel zur Deckung des Sklavenbedarfs. Als sie eingestellt wurden, mußte daher nach Weber auch das ganze, auf Sklavenarbeit gestellte Wirtschaftssystem scheitern. Diese These setzte sich in den ersten Jahrzehnten unseres Jahrhunderts weithin durch, sie wurde auch von der sowjetrussischen Forschung aufgegriffen und erst in den letzten beiden Jahrzehnten durch ein wesentlich differenzierteres Gesamtbild ersetzt, in dem nun auch die Heranbildung von im Haus geborenen Sklaven, der vernae, und die Versorgung des Sklavenmarktes durch Seeräuber sowie andere Formen gewaltsamer Versklavung, aber auch zum Beispiel die Aussetzung von Kindern und andere Phänomene gebührend berücksichtigt wurden.

Jedenfalls wurde schon bald ein regelrechter Sklavenmarkt organisiert, dessen Zentren zunächst in Rhodos, in Puteoli in Kampanien, damals dem wichtigsten Einfuhrhafen Roms, in Aquileia und in Tanais an der Donmündung lagen. Nach den Repressalien Roms gegen Rhodos wurde Delos zum wichtigsten Umschlagplatz in der Ägäis. Dort wurden vor allem auch die von den Seeräubern im östlichen Mittelmeer versklavten Gefangenen weiterverkauft, Sklaven, die ursprünglich häufig aus Bithynien, Pontos, Kappadokien oder Syrien stammten. Das Gesamtvolumen dieser Sklavenmärkte läßt sich nicht sicher ermitteln. Immerhin wissen wir aus einem Nebensatz Strabos (14, 5, 2), daß Delos über Einrichtungen so großen Ausmaßes für den Sklavenmarkt verfügte, daß dort angeblich an einem Tag 10.000 Sklaven umgesetzt werden konnten.

Der Durchschnittspreis eines gesunden und kräftigen Sklaven ohne besondere Spezialkenntnisse, also eines Sklaven, der etwa in der Landwirtschaft eingesetzt werden konnte, lag bei 500 Denaren. Um auch hier einen Vergleichswert zu bieten, sei erwähnt, daß die Löhnung eines römischen Legionärs zu Anfang des 2. Jahrhunderts v. Chr. auf ca. 120 Denare pro Jahr veranschlagt wird. Daraus ergibt sich, daß der Preis für einen Sklaven so hoch war, daß sich ein Kleinbauer nur in Ausnahmefällen einen Sklaven leisten konnte. Selbstverständlich lagen die Preise für Spezialisten und für besonders qualifizierte Sklaven noch wesentlich höher. Für einen guten Handwerker oder einen gebildeten Haussklaven mußte man schon 1500 Denare ausgeben — mehr hat Cato allerdings auch nie für einen Sklaven angelegt. Den höchsten Preis, der angeblich je für einen Sklaven bezahlt worden ist, brachte im 1. Jahrhundert v. Chr. der Grammatiker Lutatius Daphnis in der Höhe von 175000 Denaren ein — aber das war ein völlig atypischer Spezialistenpreis.

Schon aus diesen Preisen läßt sich ablesen, daß die Lage der Sklaven, je nach ihrer Beschäftigung in Landwirtschaft, Handwerk oder Haushalt, völlig verschieden war. Am härtesten blieb ohne Zweifel stets das Los jener Sklaven, die im Bergbau, dabei speziell bei der Erzgewinnung, ruiniert wurden, wie im Falle der schon erwähnten 40.000 Sklaven in den Gruben bei Neukarthago. Es ist charakteristisch, daß eine solche Konzentration von Sklaven in Italien grundsätzlich vermieden wurde und daß man gegen Ende der Republik dazu überging, die Lücken bei den Bergwerkssklaven dadurch zu schließen, daß Strafgefangene ad metalla verurteilt wurden.

Von der Lage der auf den Villen arbeitenden Sklaven wurde bereits gesprochen. Noch drückender als die Arbeitsbedingungen war dort die Tatsache, daß — im Gegensatz zur Situation bei Handwerks- und Haussklaven — praktisch keine Chance auf Verbesserung ihrer Situation, vor allem auf Freilassung, bestand. Wesentlich unabhängiger konnten sich die in der Weidewirtschaft tätigen Sklaven bewegen. Zur Zeit Varros rechnete man hier für eine Herde von ca. 700 bis 1000 Schafen mit etwa 15 Sklaven, die über gewisse Spezialkenntnisse verfügen mußten, da sie weithin auf sich allein gestellt waren. Ähnlich wie bei den Landwirtschaftssklaven wurde es auch hier im Laufe der Zeit üblich, durch ein Sondereigentum, ein peculium, hier im günstigsten Fall durch einige Stück Vieh, den Arbeitswillen der Sklaven zu stimulieren.

Auch im Bereich des Handwerks nahm der Anteil der Sklaven während des 2. und 1. Jahrhunderts v. Chr. sichtlich zu, doch im Unterschied zur Lage auf den Villen und Weidebetrieben wurde hier die freie Arbeit nicht so stark zurückgedrängt. Immerhin machte sich der Zustrom qualifizierter unfreier Handwerker aus dem hellenistischen Osten bald fühlbar. In Keramik- und Textilproduktion kam es zu merklichen Qualitätsverbesserungen, im Baugewerbe schritt die Differenzierung der handwerklichen Arbeitsprozesse parallel zur stürmischen Ausweitung des Bauvolumens fort. Handwerkssklaven arbeiteten indessen nicht nur in den Klein- oder Mittelbetrieben ihrer Besitzer, sie wurden sehr häufig auch von Eigentümern für bestimmte Aufgaben oder in Werkstätten verdingt. Die rechtlichen Unterschiede zwischen freiem oder unfreiem Arbeiter fielen hier in der Praxis nicht ins Gewicht. Was zählte, war allein die Qualität der Arbeit. Die Anreize durch Gewinnbeteiligung oder andere Belohnungen waren deshalb von Anfang an größer. Qualifizierte Handwerkssklaven leiteten nicht selten selbständig Betriebe; sie verfügten zum Teil über Untersklaven, die vicarii, und sie erwarben oft die Mittel, um sich von ihrem Besitzer freizukaufen, und kamen dann als Freigelassene relativ bald zu größerem Vermögen. Auch für die Integration in die Gesellschaft gab es hier durch Aufnahme in die Handwerkerkollegien und durch die Übernahme niederer Priesterämter zumindest Ansätze.

Zu noch größerem Einfluß konnten die Haussklaven gelangen. Die zwangsläufige Zunahme der repräsentativen Funktion der Stadthaushalte der römischen Aristokratie erforderte eine ständig zunehmende Zahl spezialisierter Haussklaven. Da gab es zum Beispiel Pförtner, Köche, Bäcker, Kellermeister, Servierer, Kammerdiener, Musiker, Tänzer, Schauspieler, Lehrer, Ammen, Ärzte, Bibliothekare, Sekretäre, Agenten, Boten, Stenographen, Geschäftsführer und vieles andere mehr. Je nach Reichtum, Mentalität und gesellschaftlichem Prestige des Hausherrn schwankte die Zahl dieser Haussklaven zwischen 10 und 200. Es ist einleuchtend, daß es sich hierbei zum Teil um ausgesprochene Vertrauensstellungen handelte, deren Inhaber eine Welt von den im Agrarsektor tätigen Sklaven trennte. Um es vorwegzunehmen: Diese ganz erstaunliche Spannweite in den Arbeitsbedingungen, Erwartungen, in Lebenshaltung, Einfluß und Ansehen der verschiedenen Sklavengruppen ließ das nie aufkommen, was heute als „Solidarität einer Klasse“ bezeichnet wird.

Den Testfall für diese These bilden die großen Sklavenkriege in Sizilien, an deren 1. zwischen 136 und 132 v. Chr. immerhin rund 60—70.000 Aufständische teilnahmen, während sich im 2. der Jahre 104—100 v. Chr. rund 40.000 Sklaven erhoben. Natürlich ist es kein Zufall, daß es gerade auf Sizilien zu diesen großen Aufständen kam, denn dort hatte sich die Form des Großbetriebes schon unter den Karthagern wesentlich rascher ausgebreitet als in Italien. Arthur Rosenberg hielt deshalb auch Sizilien für das einzige Gebiet innerhalb des Römischen Reiches, in welchem die Zahl der Sklaven jene der freien Bevölkerung übertroffen habe, doch ist diese Zahlenrelation sehr umstritten. Unbestritten ist dagegen die starke Konzentration der zu einem beträchtlichen Teil aus Syrien stammenden Sklaven, die hier vor allem in der Landwirtschaft, das heißt beim Getreideanbau, und in der Weidewirtschaft tätig waren.

Möglicherweise führte der Zwang, das sizilische Getreide zu einem besonders billigen Preis nach Rom zu liefern, hier zu verstärkter Ausbeutung, jedenfalls aber wurden die sizilischen Sklaven nach dem berühmten Bericht Diodors besonders brutal behandelt: „Da die Sizilier (nach der Niederwerfung Karthagos) ihre Lebenshaltung sehr gesteigert und gewaltige Reichtümer angehäuft hatten, kauften sie eine Menge von Sklaven zusammen. Herdenweise trieben sie sie aus den Sklavenzuchtanstalten weg und drückten ihnen sogleich Kennzeichen und Brandmale auf ihre Körper. Die jüngeren von ihnen verwendeten sie als Hirten, die andern so, wie jeder gerade zu gebrauchen war. Sie nutzten sie zu schweren Diensten aus und ließen ihnen, was Nahrung und Kleidung angeht, nur geringe Fürsorge angedeihen. So gewöhnten sich die meisten von den Sklaven daran, sich ihren Lebensunterhalt durch Raub zu verschaffen, und das ganze Land war erfüllt von Mord, da die Straßenräuber sich wie Heere verbreitet hatten.“ (34/5, 2ff.) Die Ereignisse der sich daraus entwickelnden Sklavenaufstände sollen hier nicht im einzelnen besprochen werden. Hervorgehoben seien lediglich die folgenden Punkte: Beide Aufstände gingen von den Sklaven der Landwirtschaft aus; die städtischen Sklaven zum Anschluß zu bewegen, gelang nur partiell. An die Spitze der Erhebungen stellten sich Sklaven, die sich mit allen Mitteln, selbst Gauklertricks, durchsetzten, Männer, die in den Augen der Massen jedoch über magische Kräfte verfügten oder sich der besonderen Hilfe der Götter erfreuten. Elementares Ziel der Aufständischen war die Erringung der Freiheit, die Sklaven verfügten darüber hinaus über kein Programm, über keine Vorstellungen einer neuen Gesellschaftsordnung.

Die bestehende Gesellschaftsstruktur wurde lediglich umgestülpt, die Institution der Sklaverei nicht abgeschafft. Den einzigen Sonderfall, in dem vielleicht eine aus utopischen Elementen genährte Ideologie eine Rolle spielte, stellt der Aufstand des Aristonikos in Pergamon dar. Eine Ideologie hat aber gewiß im Falle des Spartacus keine Rolle gespielt. Entgegen allen weitergehenden Beurteilungen gibt es wohl keinen Grund, an Lenins nüchterner Einschätzung dieser Erhebungen zu zweifeln, der sie so beurteilte: „Die Sklaven… erhoben sich, meuterten, begannen Bürgerkriege, aber niemals konnten sie eine zielbewußte Mehrheit, den Kampf leitender Parteien schaffen, niemals vermochten sie klar zu erkennen, welchem Ziel sie zustrebten, und selbst in den revolutionärsten Augenblicken der Geschichte blieben sie stets Schachfiguren in den Händen der herrschenden Klassen.“ (Über den Staat. Ausgew. Schr. III. 1970, 304.)

An dieses Urteil ist hier vor allem deshalb zu erinnern, weil es in diesem Zusammenhang innerhalb der älteren sowjetrussischen Althistorie und noch in der Geschichtsschreibung der DDR zu einer ganzen Reihe von falschen Perspektiven gekommen ist. Die ungeprüfte Übertragung des Klassenbegriffes auf die Gesamtheit der Sklaven erwies sich als ebenso irreführend und ungerechtfertigt wie die Übertragung eines dogmatisierten Zweiklassenschemas (hier Sklavenhalter und Sklave), oder die bedenkenlose Anwendung der Begriffe Klassenkampf und Revolution oder die Behauptung einer Solidarität aller Unterdrückten, der Sklaven wie der freien Kleinbesitzer im Banne der Volksfrontstrategie der Mitte der 30er Jahre. Diese Fehlentwicklungen, die natürlich ihrerseits wieder abhängig waren von den inneren Entwicklungen in der Sowjetunion und im sozialistischen Lager, sind deshalb so erstaunlich, weil Marx wiederholt darauf hingewiesen hatte, daß der entscheidende Kampf innerhalb der Römischen Republik zwischen dem kleinen und dem großen Grundeigentum, zwischen den freien Reichen und den freien Armen ablief, „während die große produktive Masse der Bevölkerung“, die Sklaven, wie er schreibt, „das bloß passive Piedestal für jene Kämpfer bildete“.

Der sizilische Sklavenaufstand des Jahres 136 v. Chr. fand bald auch außerhalb der Insel eine starke Resonanz. Denn auch unter den Bergwerkssklaven von Laurion in Attika, unter den Sklaven von Delos, in Italien bei jenen von Minturnae und Sinuessa, in kleinerem Ausmaß auch in Rom selbst, kam es jetzt ebenfalls zu Unruhen. In Minturnae erhoben sich dabei im Jahre 133 v. Chr. nicht weniger als 4000 Sklaven. Die hier drohende Gefahr wurde im römischen Senat immerhin so ernst genommen, daß die bewährten Konsulare Q. Metellus und Cn. Caepio ein spezielles imperium zur Niederwerfung der Erhebung erhielten. In Italien hatte man sich zu einem solchen Schritt zuletzt zur Zeit Hannibals genötigt gesehen. Die rasche Verbreitung der Nachrichten über den sizilischen Aufstand in Sklavenkreisen ist leicht zu erklären, denn der antike Nachrichtenverkehr wurde in der Hauptsache von Sklaven und Freigelassenen besorgt. Die zahlreichen Boten trugen damals stets auch gleichzeitig die neuesten Nachrichten oder Gerüchte über das Schicksal ihrer Leidensgefährten über Land.

Manchen modernen Historikern hat indessen diese sehr prosaische Erklärung des Aufflammens weiterer Aufstandsherde nicht genügt. Sie wurden immer wieder von den annähernd gleichzeitigen Erhebungen in Sizilien, Italien und Griechenland fasziniert, so sehr, daß sie darin geradezu eine internationale Sklaven- und „Proletarier“-Bewegung erkennen wollten. Doch diese Mißdeutungen werden heute auch in der marxistischen Forschung überwiegend abgelehnt.

Krise und Untergang der römischen Republik

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